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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 28.12.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 307/01
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 103 Abs. 1
Der Anspruch auf rechtliches Gehör gebietet, dass der Richter einen vor seiner Entscheidung eingehenden Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten eines Beteiligten zur Kenntnis nimmt.
Gründe:

I.

Auf Anregung der Mutter der Betroffenen bestellte das Amtsgericht für diese gemäß Beschluss vom 20.3.2001 eine Betreuerin mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge und ordnete an, dass die Betroffene zu Willenserklärungen, die diesen Aufgabenkreis beträfen, der Einwilligung der Betreuerin bedürfe.

Auf die Rechtsmittel der Betroffenen hat das Landgericht diese vormundschaftsgerichtlichen Maßnahmen mit Beschluss vom 20.8.2001 aufgehoben.

Hiergegen richten sich die Rechtsmittel der Mutter der Betroffenen.

II.

Die Rechtsmittel sind zulässig. Die Beschwerdeberechtigung der Mutter der Betroffenen ergibt sich aus § 69g Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 FGG.

Auf die Rechtsmittel ist die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:

Die Kammer schließe sich dem im Beschwerdeverfahren erholten Gutachten des Sachverständigen Dr. K. an. Danach leide die Betroffene an einer psychischen Krankheit in Form einer histrionischen Persönlichkeitsstörung, die sich in einer vermehrten Suggestibilität und einer leichten Beeinflussbarkeit bei oberflächlicher Affektivität äußere. Zwar habe die Krankheit gewisse Schwierigkeiten und eine Leichtfertigkeit in der Regelung der finanziellen Angelegenheiten zur Folge, sei jedoch nicht so gravierend, dass die Betroffene ihren Willen nicht mehr frei bestimmen könne. Insoweit weiche der Sachverständige Dr. K. zwar von dem der amtsgerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Gutachten des Sachverständigen Dr. D. ab. Das Gutachten des Sachverständigen Dr. K. beruhe jedoch auf einer breiteren Basis, da dieser alle über die Betroffene verfügbaren Unterlagen in seine Beurteilung einbezogen habe.

2. Die vom Landgericht dem gemäß getroffenen Feststellungen würden die Ablehnung der Bestellung eines Betreuers für die Betroffene zwar rechtfertigen. Auch ist die Würdigung der Beweiskraft der vorliegenden Sachverständigengutachten durch die Kammer an sich rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beschwerdeentscheidung kann jedoch deshalb keinen Bestand haben, weil das Landgericht den Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten der Mutter der Betroffenen vom 16.8.2001 nicht mehr berücksichtigt hat.

a) Die Bestellung eines Betreuers setzt voraus, dass der Betroffene aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann (§ 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB). Lehnt der Betroffene eine Betreuung ab, darf für ihn ein Betreuer nur bestellt werden, wenn er wegen seiner Krankheit oder Behinderung nicht imstande ist, seinen Willen frei zu bestimmen (vgl. BayObLGZ 1994, 209/211; BayObLG FamRZ 2000, 189; OLG Hamm FamRZ 2000, 493/496; OLG Köln FamRZ 2000, 908), d.h. seinen Willen unbeeinflusst von der Krankheit oder Behinderung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln (vgl. BGH NJW 1996, 918/919). Das Landgericht hat dies beachtet.

b) Ebenso lässt die Würdigung der vorliegenden Sachverständigengutachten durch die Kammer Rechtsfehler nicht erkennen. Die Würdigung von Sachverständigengutachten ist Sache des Tatrichters. Dieser darf allerdings das Ergebnis eines Sachverständigengutachtens nicht kritiklos übernehmen, sondern ist zu einer kritischen Würdigung verpflichtet (vgl. BayObLG FamRZ 2001, 1403/1404). Liegen einander widersprechende Gutachten vor, hat das Gericht darzulegen, aus welchen Gründen es dem einen Gutachten folgt und dem anderen nicht. Diesen Anforderungen hat das Landgericht entsprochen. Der Umstand, dass die beiden Sachverständigen zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangt waren, nötigte als solcher nicht zur Erholung eines Obergutachtens (vgl. BayObLG Rpfleger 1980, 189/190; FamRZ 1995, 1441/1442). Ein Obergutachten ist gemäß § 12 FGG in der Regel nur bei besonders schwierigen Fragen, bei Zweifeln an der Sachkunde der bisherigen Gutachter oder bei groben Mängeln der vorhandenen Gutachten veranlaßt (vgl. BayObLG Rpfleger 1980, 189/190; Keidel/Schmidt FGG 14.Aufl. § 15 Rn.46). So liegt der Fall hier nicht.

c) Das Landgericht hätte jedoch den Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten der Mutter vom 16.8.2001 berücksichtigen müssen.

Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) beinhaltet unter anderem, dass das Gericht die Ausführungen in einem bis zum Zeitpunkt des Erlasses seiner Entscheidung eingehenden Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten eines Beteiligten zur Kenntnis nehmen und in seine Erwägungen einbeziehen muss (vgl. BVerfGE 63, 80/85; 67, 39/41). Als der Schriftsatz vom 16.8.2001 am 21.8.2001 beim Landgericht einging, war der Beschluss vom 20.8.2001 zwar von den mitwirkenden Richtern bereits unterzeichnet. Er war jedoch noch nicht erlassen, da die für die Verfahrensbeteiligten bestimmten Ausfertigungen durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle erst am 23.8.2001 zur Aushändigung an die Post hinausgegeben wurden (vgl. BayObLGZ 1980, 378/380 f.; 1989, 116/122 f.).

Es kommt in Betracht, dass die angefochtene Entscheidung bei Berücksichtigung des Schriftsatzes anders ausgefallen wäre. Der Schriftsatz enthält ergänzende Angaben zum verhalten der Betroffenen, aus denen möglicherweise Rückschlüsse auf die Schwere ihrer psychischen Störung gezogen werden können. Ferner wird vorgebracht, dass der Lebensgefährte der Betroffenen mittlerweile die eidesstattliche Versicherung abgegeben und bei der Mutter der Betroffenen angeregt habe, das Erbe vorab an die Betroffene auszuzahlen. Dieses Vorbringen erhält zusätzliches Gewicht durch die Stellungnahme der Betreuerin zu dem Gutachten des Sachverständigen Dr. K. Danach sei die Betroffene von ihrem Lebensgefährten "sehr abhängig", übe dieser, um zu Geld zu kommen, "starken Druck" auf die Betroffene aus und solle nach seinen Plänen die der Betroffenen von ihrer Mutter übertragene Eigentumswohnung "entweder beliehen, bzw. gleich verkauft werden". Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass der Sachverständige Dr. K. bei Berücksichtigung dieser zusätzlichen Erkenntnisse die Frage, ob die Betroffene ungeachtet ihrer durch eine vermehrte Suggestibilität und leichte Beeinflussbarkeit geprägten Persönlichkeitsstörung in ihren finanziellen Belangen ihren Willen noch frei bestimmen kann, anders als in seinem Gutachten vom 23.7.2001 beurteilt und die Beschwerdekammer sich dem angeschlossen hätte.

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