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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 23.05.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 31/01
Rechtsgebiete: GmbHG


Vorschriften:

GmbHG § 9c
GmbHG § 29 Abs. 3
Satzungsmäßig kann geregelt werden, dass die GmbH-Gesellschafter unter Zustimmung des beeinträchtigten Gesellschafters alljährlich über eine Gewinnverteilung beschließen, die von der satzungsmäßigen Regelung abweicht.
Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Schreieder und Dr. Nitsche

am 23. Mai 2001

in der Handelsregistersache

auf die weitere Beschwerde der Betroffenen

beschlossen:

Tenor:

I. Der Beschluss des Landgerichts München I vom 30. November 2000 und die Zwischenverfügung des Amtsgerichts München vom 25. Juli 2000, soweit sie die Eintragung des _ 9 Abs. 3 der Satzung betrifft, werden aufgehoben.

II. Die Akten werden an das Amtsgericht München zurückgegeben.

Gründe:

I.

Am 19.07.2000 meldete die Gesellschaft zur Eintragung im Handelsregister die Neufassung der Satzung gemäß Gesellschafterbeschluss vom 09.05.2000 an. Deren § 9 Abs. 3 Satz 1 lautet:

"Der ausgeschüttete Gewinn steht den Gesellschaftern entsprechend ihren Geschäftsanteilen zu, soweit sie nicht unter Zustimmung des Betroffenen etwas anderes beschließen."

Das Amtsgericht beanstandete diese Bestimmung mit der Zwischenverfügung vom 25.07.2000, weil sie gegen § 29 Abs. 3 GmbHG verstoße. Eine vom Verhältnis der Geschäftsanteile abweichende Gewinnverteilung sei nur zulässig, wenn die Satzung selbst einen konkreten abweichenden Maßstab bestimme. Die vom Notar eingelegte Beschwerde wies das Landgericht mit Beschluss vom 30.11.2000-(GmbHR 2001, 114) zurück. Hiergegen wendet sich die weitere Beschwerde des Notars. Auch für Satzungsänderungen gelte der Prüfungsmaßstab des § 9c GmbHG, zudem sei die beanstandete Bestimmung nicht irreführend.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig, insbesondere konnte sie vom Notar ohne Zuziehung eines Rechtsanwalts eingelegt werden (§ 29 Abs. 1 Satz 3 FGG). Sie hat auch in der Sache Erfolg.

1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, § 9c GmbHG sei nicht einschlägig, da diese Vorschrift nur für die Ersteintragung einer GmbH gelte. Es könne dahinstehen, ob es tatsächlich keine Grenzen für die die Ergebnisverwendung regelnden Satzungsklauseln gebe.

Entscheidend sei, dass die beanstandete Klausel nicht erkennen lasse, dass ein derartiger Gesellschafterbeschluss nur für das jeweils zurückliegende Geschäftsjahr möglich sei. Sie erlaube auch die Auslegung, dass die Gesellschafterversammlung derartige Abweichungen auf Dauer durch bloßen Beschluss (unter Zustimmung der Betroffenen) festlegen könne. Hierdurch sei die einen Beanstandungsgrund darstellende Gefahr der Irreführung eines möglichen Erwerbers gegeben.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG; § 550 ZPO) nicht stand. Weder die vom Landgericht noch die vom Amtsgericht angegebene Begründung für die Beanstandung des § 9 Abs. 3 Satz 1 der Satzung tragen die Ablehnung der Eintragung der Satzungsänderung im Handelsregister.

a) Die Tatsacheninstanzen gehen davon aus, dass die Beschränkung des Prüfungsrechts des Registergerichts bei Neueintragungen gemäß § 9c Abs. 2 GmbHG nicht bei Satzungsänderungen gilt. Dies entspricht dem Wortlaut des § 57a GmbHG, der nur auf § 9c Abs. 1 GmbHG verweist (vgl. BT-Drucks. 13/8444 S.77). Die Prüfung bei der Eintragung späterer Satzungsänderungen gemäß § 54 GmbHG wird dem gemäß von § 9c Abs. 2 GmbHG nicht berührt (BT-Drucks. 13/8444 S. 80; Lutter/Hommelhoff GmbHG 15. Aufl. § 57a Rn. 1; GmbH-Handbuch/Kallmeyer Rz. I 1313; einschränkend: Baumbach/Zöllner GmbHG 17. Aufl. § 54 Rn. 18).

b) Indes kann dahingestellt bleiben, inwieweit ein Satzungsänderungsbeschluss, hier die Bestimmung des § 9 Abs. 3 Satz 1 der Satzung, der Überprüfung durch das Registergericht unterliegt (vgl. BayObLG DB 1993, 156; Scholz/Priester GmbHG 8. Aufl. § 54 Rn. 35 ff.; Scholz/Winter GmbHG 9. Aufl. § 9c Rn. 5 ff.; Baumbach/Zöllner aaO). Die von den Vorinstanzen gegen diese Bestimmung erhobenen Einwendungen greifen nicht durch.

aa) Die Auffassung der Kammer, die Bestimmung sei irreführend, trifft nicht zu. § 9 Abs. 3 Satz 1 der Satzung kann nicht dahin ausgelegt werden, dass die Gesellschafterversammlung auch auf Dauer eine abweichende Gewinnverteilung durch bloßen Beschluss (mit Zustimmung des Betroffenen) festlegen könne. Gemäß § 46 Nr. 1 GmbHG hat die Gesellschafterversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses und die Ergebnisverwendung zu entscheiden. Die Feststellung des Jahresabschlusses ist maßgebend für die Gewinnverteilung.(vgl. BGH GmbHR 1998, 117 8; GmbH-Handbuch/Heuser II Rz. 170; Baumbach/ Zöllner § 46 Rn. 7). Sie hat gemäß § 42a Abs. 2 GmbHG für jedes Geschäftsjahr gesondert zu erfolgen. Dieses gesetzlich vorgesehene Verfahren entspricht der angemeldeten Neufassung der Satzung (vgl. § 8 Abs. 5, § 9 Abs. 1 und 2). Dies lässt erkennen, dass sich auch die in § 9 Abs. 3 Satz 1 der Satzung vorgesehene Beschlussfassung jeweils auf den für das abgelaufene Geschäftsjahr ausgeschütteten Gewinn bezieht.

bb) Auch das Argument des Amtsgerichts, der Gesellschaftsvertrag müsse selbst den von der Regel d es § 29 Abs. 3 Satz 1 GmbHG (Verteilung nach Verhältnis der Geschäftsanteile) abweichenden Maßstab der Verteilung des Jahresgewinns festlegen, steht im vorliegenden Fall der Zulässigkeit der Bestimmung von § 9 Abs. 3 Satz 1 der angemeldeten Satzung nicht entgegen.

Es ist zwar richtig, dass Literatur und Rechtsprechung fordern, die von der Regel des § 29 Abs. 3 Satz 1 GmbHG abweichenden Maßstäbe müssten sich deutlich aus der Satzung ergeben (vgl. BayObLGZ 1987, 314/319; OLG Köln BB 1987, 941; Priester in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Band 3 GmbH § 58 Rn. 81). Auch zu dem der Norm des § 59 Abs. 3 Satz 1 GmbHG entsprechenden § 60 Abs. 3 AktG, der die Bestimmung einer anderen Art der Gewinnverteilung als in § 60 Abs. 1 und 2 AktG niedergelegt zulässt, wird verlangt, dass die Satzung diese Regelung selbst enthalten müsse (Henze in Großkommentar AktG 4. Aufl. § 60 Rn. 18; KK-AktG/Lutter 2. Aufl. § 60 Rn. 14; Geßler AktG § 60 Rn. 16; Hüffer AktG 4. Aufl. § 60 Rn. 6).

Dies steht jedoch der Zulässigkeit von § 9 Abs. 3 Satz 1 der angemeldeten Satzung nicht entgegen. Dieser beinhaltet eine sog. Öffnungsklausel. Hierunter ist eine Ermächtigung in der Satzung zu verstehen, die eine Abweichung von bestimmten materiellen Satzungsbestandteilen zulässt, ohne dass die Satzung selbst geändert werden müsste (vgl. Priester ZHR 151 (1987), 40/41; Lawall DStR 1996, 1169). Eine Satzungsdurchbrechung durch den die Abweichung, hier die abweichende Gewinnverteilung, regelnden Beschluss, liegt dann nicht vor (vgl. KK-AktG/ Zöllner § 179 Rn. 13; Scholz/Priester GmbHG 8. Aufl. § 53 Rn. 27; Priester DB 1992, 2411/2412); die bezüglich satzungsdurchbrechender Beschlüsse bestehenden formalen Probleme (vgl. BGHZ 123, 15; Priester ZHR 151 (1987), 40/44 ff; Tieves ZIP 1994, 1341; Habersack ZGR 1994, 355) werden vermieden.

Gegen die Zulässigkeit einer solchen Öffnungsklausel spricht grundsätzlich nicht, dass sie gegenüber der konkreten Regelung der Abweichung von der Satzung nur geringere Publizität bewirkt. Dies gilt jedenfalls, soweit die auf der Grundlage der Klausel getroffenen Beschlüsse als Satzungsdurchbrechung zulässig wären. Die Klausel informiert den Rechtsverkehr in ausreichendem Umfang über die Möglichkeit einer von der Satzung abweichenden Bestimmung durch die Gesellschafter (vgl. Lawall aaO).

Die Zuständigkeit der Gesellschafter für die angemeldete Regelung folgt, da die Satzung keine abweichende Bestimmung (vgl. § 45 GmbHG; Scholz/Emmerich § 29 Rn. 61) enthält, aus § 46 Nr. 1 GmbHG (vgl. BayObLGZ 1987, 314/321). Auch inhaltlich begegnet die Regelung keinen Bedenken. Die Satzung könnte sogar, ohne hierfür einen konkreten Maßstab anzugeben, einen Gesellschafter ganz oder teilweise von der Gewinnverteilung ausschließen (vgl. Hachenburg/Goerdeler/Müller GmbHG 8. Aufl. § 29 Rn. 70; Baumbach/Hueck/Fastrich § 29 Rn. 52; Sudhoff Der Gesellschaftsvertrag der GmbH 8. Aufl. S. 381 ff.). Die von der Regel des § 29 Abs. 3 Satz 1 GmbHG abweichende Gewinnverteilung wird durch § 9 Abs. 3 Satz 1 der Satzung deutlich bestimmt. Es handelt sich um jeweils punktuelle Regelungen für die Gewinnverteilung eines Geschäftsjahres. Da nach der Satzungsbestimmung die abweichende Verteilung des ausgeschütteten Gewinns von der Zustimmung des Betroffenen abhängt, stellt sich auch die Frage des Minderheitenschutzes (vgl. Roth/Altmeppen GmbHG 3. Aufl. § 29 Rn. 18; Rowedder GmbHG 3. Aufl. § 29 Rn. 51 ff.) nicht. Die Bestimmung des § 9 Abs. 3 Satz 1 der Satzung stellt für jeden an der Beschlussfassung Beteiligten und für jeden später in die GmbH Eintretenden klar, dass die Gesellschafter mit Zustimmung des Betroffenen eine von der gesetzlichen Regel abweichende Gewinnverteilung beschließen können.

d) Die Akten waren daher unter Aufhebung der Entscheidungen des Landgerichts und des Amtsgerichts an letzteres zurückzugeben, damit dieses unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats über den Eintragungsantrag entscheidet.

Ende der Entscheidung

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