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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 21.11.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 319/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1906
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine zivilrechtliche Unterbringung zulässig ist.
Gründe:

I.

Das Amtsgericht bestellte am 31.5.2001 dem Betroffenen einen Betreuer mit den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge, Vertretung gegenüber Behörden und anderen Stellen. Der Betreuer beantragte am 6.6.2001 die Genehmigung der Unterbringung des Betroffenen in einer beschützenden Pflegeeinrichtung. Das Amtsgericht erholte zur Frage der Unterbringung ein Gutachten, das am 10.6.2001 erstellt wurde, und hörte den Betroffenen persönlich an. Am 12.6.2001 genehmigte es die Unterbringung des Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung bis längstens 12.6.2002, wobei es die sofortige Wirksamkeit seines Beschlusses anordnete.

Hiergegen erhob der Betroffene durch seinen Verfahrenspfleger sofortige Beschwerde. Nach erneuter persönlicher Anhörung des Betroffenen hat das Landgericht dieses Rechtsmittel am 14.8.2001 zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Betroffene mit der sofortigen weiteren Beschwerde.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Beschluss erweist sich im Ergebnis mit der im Tenorangeführten Einschränkung als richtig (vgl. BGHZ 35, 135/142).

1. Eine mit Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, d.h. die Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung gegen den Willen des Betreuten (vgl. § 2 Abs. 1 FreihEntzG), bedarf der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts (§ 1906 Abs. 2 Satz 1 BGB). Dieses muss die Genehmigung erteilen, solange sie zum Wohle des Betreuten erforderlich ist, weil aufgrund einer psychischen Krankheit des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt (§ 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Eine Unterbringung zur Verhinderung einer Selbstschädigung infolge einer psychischen Erkrankung setzt voraus, dass der Betreute aufgrund der Krankheit seinen Willen nicht frei bestimmen kann (BayObLGZ 1993, 18; BayObLG NJW-RR 1998, 1014 m. w. N.). Die Genehmigung ist auch zu erteilen, wenn eine Heilbehandlung des Betroffenen notwendig ist, jedoch ohne Unterbringung nicht durchgeführt werden kann, weil der Betreute aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung nicht in der Lage ist, die Notwendigkeit von Behandlungsmaßnahmen einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln (§ 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB; Vgl. BayObLG BtPrax 1996, 28/29; OLG Düsseldorf FamRZ 1995, 118). Die Erforderlichkeit der Unterbringung ist der strengen Prüfung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu unterziehen, da die Freiheit der Person ein so hohes Rechtsgut darstellt, dass sie nur aus besonders gewichtigem Grund angetastet werden darf (BVerfG NJW 1998, 1774/1775). Insbesondere muss auch dem psychisch Kranken in gewissen Grenzen die "Freiheit zur Krankheit" belassen bleiben, weshalb die Unterbringung zur Durchführung einer Heilbehandlung nur zulässig ist, wenn sie sich als unumgänglich erweist, um eine drohende gewichtige gesundheitliche Schädigung von dem Kranken abzuwenden (BVerfG aaO).

2. Diese Voraussetzungen liegen vor. zwar ergeben sie sich nicht in vollem Umfang aus den Feststellungen des Landgerichts, jedoch kann der Senat die erforderlichen Feststellungen, ohne dass es weiterer Ermittlungen bedarf, aus den Akten selbst treffen (vgl. BGH NJW 1996, 2581; BayObLG NJW-RR 1998, 294/295).

a) Das Landgericht hat hierzu ausgeführt, das Amtsgericht habe aufgrund des Gutachtens vom 10.6.2001 davon ausgehen können, dass bei dem Betroffenen eine psychische Krankheit, nämlich ein demenzielles Syndrom bei Alkoholabhängigkeit in Verbindung mit einem Korsakow-Syndrom vorliege und infolgedessen der Betroffene derzeit nicht in der Lage sei, seinen Willen frei zu bestimmen. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

b) Es hat weiter ausgeführt, der Betroffene sei zu einem eigenständigen Leben nicht in der Lage, seine Versorgung sei nur in einer beschützenden Umgebung gewährleistet. Nur Enthaltsamkeit vom Alkoholkonsum, wozu der Betroffene allein nicht willens und fähig sei, könne zur Besserung führen.

Hieraus ergibt sich zwar noch nicht eine durch die psychische Krankheit verursachte Gefahr, der Betroffene werde sich erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügen. In dem Sachverständigengutachten vom 31.8.2000 ist jedoch ausgeführt, dass die Krankheit des Betroffenen bei weiterem Alkoholkonsum fortschreite und das Leben des Betroffenen bedrohe. Dies genügt. Das Gutachten ist vom Chefarzt des Fachbereichs Sucht eines Bezirkskrankenhauses miterstellt, dessen fachliche Kompetenz außer Zweifel steht. Die Ausführungen des Landgerichts hinsichtlich fremdaggressiver Tendenzen des Betroffenen sind in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.

c) Zur Frage der Notwendigkeit einer Heilbehandlung hat das Landgericht lediglich ausgeführt, die Diabetes des Betroffenen müsse medikamentös behandelt werden. Aus einem Attest vom 30.5.2001 ergibt sich jedoch, dass sich der Betroffene die hierzu erforderlichen Insulinspritzen nicht mehr allein setzen kann und daher der ständigen Behandlung bedarf. Das Attest ist vom Stationsarzt Neurologie eines Behandlungszentrums erstellt, so dass auch hier die fachliche Qualifikation des Erstellers außer Frage steht.

3. Die Notwendigkeit einer näheren Bezeichnung der Unterbringungsmaßnahme ergibt sich aus § 70f Abs. 1 Nr. 2 FGG.

III.

Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht kann nicht gewährt werden, da die sofortige weitere Beschwerde von vornherein keine Aussicht auf Erfolg bot (§ 14 FGG, § 114 ZPO).

Ende der Entscheidung

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