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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 14.11.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 334/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1836e
Zu den Nachlassverbindlichkeiten zählen auch angemessene Beerdigungskosten.
Gründe:

I.

Das Amtsgericht bestellte am 18.1.2000 für die Betroffene, die am 29.3.2001 verstorben ist, einen Berufsbetreuer. Dieser beantragte mit Schreiben vom 10.4.2001 die Festsetzung von Vergütung und Auslagenersatz im Gesamtbetrag von 805,36 DM (einschließlich MWSt) aus dem Nachlass der Betroffenen. Das Amtsgericht beschloss am 28.5.2001, dass dem Betreuer Vergütung und Aufwendungsersatz in Höhe von 805,36 DM aus der Staatskasse zu erstatten seien (Nr. 1 des Tenors) und ein Rückgriff gemäß § 1836e BGB nicht stattfinde (Nr. 2 des Tenors). Die sofortige Beschwerde der Staatskasse, die auf die Nichtanordnung eines Rückgriffs beschränkt war, hat das Landgericht am 12.9.2001 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Staatskasse mit der vom Landgericht zugelassenen sofortigen weiteren Beschwerde. Sie begehrt die Festsetzung eines Betrages von 515,31 DM, den die Erben der verstorbenen Betroffenen im Wege des Rückgriffs an die Staatskasse zu zahlen hätten.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung unter teilweiser Bezugnahme auf den Beschluss des Amtsgerichts wie folgt begründet:

Zum Zeitpunkt ihres Todes habe die Betroffene ein Vermögen von 3701,00 DM besessen. Der vom Amtsgericht für Vergütung und Aufwendungsersatz festgesetzte Betrag von 805,16 DM treffe zu. Entscheidend sei die Rechtsfrage, ob die Beerdigungskosten bereits bei der Bestimmung des Nachlasswertes in Ansatz zu bringen seien oder erst im Rahmen des zu berücksichtigenden Freibetrages gemäß den § 56g Abs. 3 Satz 1 FGG; § 1836e Abs. 1 Satz 3 BGB; § 92c Abs. 3 Nr. 1 BSHG. Nach Auffassung der Kammer treffe ersteres zu. Bei den Beerdigungskosten handle es sich um Nachlassverbindlichkeiten. Der gemäß § 1836e Abs. 1 Satz 3 BGB zu berücksichtigende Nachlasswert errechne sich aus der Differenz von Aktivvermögen und der Nachlassverbindlichkeiten. Dies führe im vorliegenden Fall dazu, dass ein Aktivnachlassvermögen nicht vorliege. Dem "Reinnachlass" nach Abzug der Nachlassverbindlichkeiten gemäß der vom Betreuer am 15.5.2001 übergebenen Aufstellung in Höhe von 1288,22 DM stünden nach Abzug des Sterbegeldes in Höhe von 2100,00 DM Beerdigungskosten in Höhe von 2391,09 DM gegenüber. Ein Rückgriff der Staatskasse auf den Nachlass sei daher nicht zulässig.

2. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht die Erstbeschwerde zurückgewiesen.

a) Da die Erstbeschwerde auf die Ablehnung des Rückgriffs der Staatskasse auf den Nachlass (Nr. 2 des Beschlusses des Amtsgerichts) beschränkt war, ist Gegenstand der weiteren Beschwerde nur diese Frage. Zur Prüfung, ob die Vergütung des Betreuers zu Recht gegen die Staatskasse festgesetzt wurde (vgl. Thüringer OLG FGPrax 2002, 32), ist der Senat nicht berufen.

b) Die Begründung der Kammer, ein Rückgriff der Staatskasse auf den Nachlass sei nicht zulässig, da gemäß der vom Betreuer übergebenen Aufstellung dem "Reinnachlass" nach Abzug der Nachlassverbindlichkeiten in Höhe von 1288,22 DM Beerdigungskosten (nach Abzug des Sterbegelds) in Höhe von 2391,09 DM gegenüberstünden, trifft nicht zu. Diese Kosten sind nämlich in der Aufstellung bereits als Verbindlichkeiten berücksichtigt. Der Nachlass beliefe sich ohne Berücksichtigung der Beerdigungskosten sonach auf 3679,31 DM.

c) Dieser Fehler des Beschwerdegerichts zwingt aber nicht dazu, die Sache an dieses zurückzuverweisen; der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, da es keiner weiteren Tatsachenfeststellungen mehr bedarf (vgl. OLG Zweibrücken NJWE-FER 1999, 240).

Zutreffend hat das Amtsgericht den Rückgriff der Staatskasse auf den Nachlass verneint. Nach dem Tode des Mündels haftet dessen Erbe gemäß § 1908i Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1836e Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 BGB der Staatskasse nur mit dem Wert des im Zeitpunkt des Erbfalles vorhandenen Nachlasses. Dieser Wert liegt nach Abzug der Nachlassverbindlichkeiten unter dem Freibetrag, der dem Erben gemäß § 1836e Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 BGB i.V.m. § 92c Abs. 3 Nr. 1 BSHG zusteht.

aa) Der Wert des Nachlasses besteht in dem vom Erblasser hinterlassenen Aktivvermögen abzüglich der Nachlassverbindlichkeiten. Zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören nicht lediglich die im Zeitpunkt des Erbfalls bereits vorhandenen rechtlichen Verpflichtungen des Erblassers (§ 1967 Abs. 2 BGB), vielmehr sind auch solche Verbindlichkeiten zu berücksichtigen, deren Rechtsgrund bereits beim Erbfall bestand (vgl. § 2311 Abs. 1 Satz 1 BGB; Palandt/Edenhofer BGB 60. Aufl. § 2311 Rn. 4), jedenfalls soweit sie wegen ihrer Zwangsläufigkeit für die Erben nach Sinn und Zweck des § 1836e Abs. 1 Satz 3 BGB Vorrang vor dem Rückgriffsanspruch der Staatskasse beanspruchen können. Hierunter fallen insbesondere auch die Kosten einer angemessenen Beerdigung (Damrau/Zimmermann Betreuungsrecht 3. Aufl. 9 1836e Rn. 16; HK-BUR/Winhold-Schött § 1836e Rn. 20).

Der Auffassung der Staatskasse, dass die Beerdigungskosten, die durch das Sterbegeld nicht abgedeckt sind, hinter dem Rückgriffsanspruch des Staates zurückstehen müssten, vermag der Senat nicht zu folgen. Die Annahme der Landgerichte Trier (BtPrax 2000, 132) und Koblenz (FamRZ 2001, 1169), die berücksichtigungsfähigen Beerdigungskosten seien auf die den Erben nach § 92c Abs. 3 BSHG zustehenden Freibeträge begrenzt, trifft nicht zu. Zwar ist diese Bestimmung gemäß § 1836e Abs. 1 Satz 3 2. Halbsatz BGB entsprechend anzuwenden. Dies besagt aber nur, dass der Anspruch auf Kostenersatz nicht geltend zu machen ist, wenn die in § 92c Abs. 3 BSHG bestimmten Beträge nicht überschritten werden. Für die Frage in welcher Höhe Beerdigungskosten als Nachlassverbindlichkeiten anerkannt werden können, lässt sich der Vorschrift jedoch nichts entnehmen (vgl. Damrau/Zimmermann aaO). Eine solche Begrenzung wird zudem dem Sinn der neuen Regelung der Erbenhaftung, die das politische Herzstück des neuen Rückgriffsrechts ist (Wagenitz/Engers FamRZ 1998, 1273/1279), nicht gerecht. Er liegt einerseits darin, die Lasten zwischen dem potentiellen Erben, der nicht selbst betreuen kann oder will, und der Solidargemeinschaft, die ihm diese Aufgabe abnimmt, sachgerecht zu verteilen (Wagenitz/Engers aaO). Andererseits soll die Beschränkung der Haftung auf den Wert des Nachlasses die ansonsten durchzuführenden Verfahren nach §§ 1975 ff. BGB ersparen (BT-Drucks. 13/7158 S. 32; Palandt/Diederichsen 1836e Rn. 4; Knittel BtG § 1836e BGB Rn. 10). Dem entspricht es, auch die den Erben betreffenden Kosten einer angemessenen Beerdigung (§ 1968 BGB; Palandt/Edenhofer § 1968 Rn. 3) vorrangig zu berücksichtigen. Andernfalls wäre der Erbe gezwungen, trotz des Freibetrages in aller Regel Maßnahmen zur Begrenzung seiner Haftung zu ergreifen oder, was ihm nicht zugemutet werden kann, vorsorglich die Erbschaft auszuschlagen.

Die Auffassung des Senats steht in Einklang mit der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zu § 92c BSHG. Danach ist für die Ermittlung der Kostenerstattungspflicht des Erben der Wert des Nachlasses nach Abzug der angemessenen Beerdigungskosten maßgeblich (vgl. OVG Rheinland-Pfalz U. v. 5.4.2001 Az: 12 A 10133/01; OVG Lüneburg U. v. 18.11. 1980 Az: 4 A 9 7/79). An der Angemessenheit der Beerdigungskosten in Höhe von 4491,00 DM besteht kein Zweifel (vgl. OVG Rheinland-Pfalz aaO: Beerdigungskosten von 6049,75 DM sind angemessen).

bb) Auf den Erben kann nach § 1836e Abs. 1 Satz 3 BGB i.V.m. § 92 Abs. 3 Nr. 1 BSHG nicht zurückgegriffen werden, wenn der Wert des Nachlasses unter dem Zweifachen des Grundbetrages nach § 81 Abs. 1 BSHG liegt. Letzterer beträgt seit 1.7.2000 1582,00 DM. Der Freibetrag beläuft sich also auf 3164,00 DM. Der Wert des Nachlasses nach Abzug der Beerdigungskosten beläuft sich auf 1288,22 DM. Er liegt also unter der Zugriffsgrenze.

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