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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 07.11.2000
Aktenzeichen: 3Z BR 335/00
Rechtsgebiete: AuslG, AsylVfG


Vorschriften:

AuslG § 57 Abs. 3 Satz 2
AsylVfG § 15 Abs. 2 Nr. 6
Ein Verhindern der Abschiebung im Sinne von § 57 Abs. 3 Satz 2 AuslG kann darin liegen, daß sich der Ausländers bei der Beschaffung eines Identitätspapiers nicht der Mithilfe von Angehörigen, bedient.
BayObLG Beschluss

LG Kempten (Allgäu) 4 T 1973/00; AG Kempten (Allgäu) 2 XIV 42/00 B

3Z BR 335/00

07.11.00

Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Plößl. und Dr. Denk am 7. November 2000 in der Abschiebungshaftsache auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen

beschlossen:

Tenor:

I. Der Beschluss des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 22.9.2000 wird aufgehoben.

II. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht Kempten (Allgäu) zurückverwiesen.

Gründe

I.

Die Ausländerbehörde betreibt die Abschiebung des Betroffenen, eines syrischen Staatsangehörigen.

Mit Beschluss vom 13.9.2000 verlängerte das Amtsgericht mit sofortiger Wirksamkeit die gegen ihn zur Sicherung seiner Abschiebung seit 15.3.2000 vollzogene Abschiebungshaft um weitere drei Monate.

Die vom Betroffenen hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht am 22.9.2000 zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Betroffene mit der sofortigen weiteren Beschwerde.

II.

Das zulässige Rechtsmittel führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht, da der angefochtenen Entscheidung ein Verfahrensfehler zugrunde liegt (§ 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG, 3 Satz 2 FreihEntzG, § 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO)

1. Keinen rechtlichen Bedenken begegnen die Ausführungen des Landgerichts zum Haftgrund des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AuslG. Die Tatsachenfeststellungen der Kammer würden den genannten Haftgrund tragen. Danach soll der Betroffene, nachdem sein erster Asylantrag bestandskräftig abgelehnt worden war, untergetaucht sein und sich in die Niederlande abgesetzt haben, wo er unter falschen Personalien ebenfalls Asyl beantragt haben soll. Dieser Sachverhalt würde die Annahme des begründeten Verdachts rechtfertigen, der Betroffene wolle sich der Abschiebung entziehen (vgl. zur Indizwirkung des Untertauchens BGH NJW 1995, 1898 und BayObLGZ 1999, 17/21; zur Indizwirkung der Täuschung über die Identität BayObLGZ 1993,. 127 f.; OLG Düsseldorf InfAuslR 1995, 233/234; OLG Hamm NWZ 1995, 826; OLG Karlsruhe FGPrax 1995, 207/208).

Die Aufenthaltsgestattung, die der Betroffene aufgrund seines ersten Asylantrags erworben hatte (§ 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG), wäre erloschen (§ 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylVfG). Der Asylfolgeantrag hindert die Haftverlängerung nicht (§ 71 Abs. 8 AsylVfG).

2. Dagegen können die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts zur Verhältnismäßigkeit der erneuten Haftverlängerung keinen Bestand haben.

a) Sicherungshaft kann über sechs Monate hinaus nur verlängert werden, wenn der Betroffene die Ausländerbehörde durch ein von ihm zu vertretendes pflichtwidriges Tun oder Unterlassen daran gehindert hat, ihn innerhalb der grundsätzlichen Hafthöchstdauer von sechs Monaten abzuschieben (§ 57 Abs. Satz 2 AuslG; vgl. hierzu OLG Hamm FGPrax 1997, 77/78;KG FGPrax 1995, 128/129; Saarl.OLG FGPrax 1999, 243).

b) Das Landgericht hat hierzu festgestellt, der Betroffene weigere sich nach wie vor, sachdienliche Angaben zur Beschaffung von Heimreisedokumenten zu machen. Darüber hinaus habe er auch einen Falschnamen verwendet.

c) Diese Feststellungen sind nicht rechtsfehlerfrei zustande gekommen, da die Kammer wesentliche Umstände außer acht gelassen hat und ihrer Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 12 FGG) nicht in dem gebotenen Umfang nachgekommen ist.

Soweit das Landgericht die dem Betroffenen angelastete Verletzung seiner Mitwirkungspflicht aus dessen Erklärung anläßlich der Anhörung vor dem Amtsgericht ab leitet, er sei nicht bereit, bei der Beschaffung seiner Heimreisepapiere mit der Verwaltungsbehörde zusammenzuarbeiten, hat es sich nicht mit dem Vorbringen der Ausländerbehörde auseinandergesetzt, der Betroffene habe den ihm am 27.3.2000 übersandten Antrag auf Ausstellung von Paßersatzpapieren ausgefüllt und ihr mit Schreiben vom 3.4.2000 zugeschickt. Dafür, dass die vom Betroffenen in dem Antrag angegebenen Personalien falsch sind, liegen hinreichende Anhaltspunkte nicht vor. Der Umstand, dass der Betroffene in den Niederlanden andere Personalien angegeben hat, reicht hierfür jedenfalls nicht aus.

Soweit die Kammer die Voraussetzungen des § 57.Abs. 3 Satz,2 AuslG dadurch erfüllt sieht, dass der Betroffene nach dem Vorbringen der Ausländerbehörde deren wiederholten schriftlichen Aufforderungen nicht nachgekommen sei, zur Ermöglichung einer schnelleren Identifizierung durch die syrischen Behörden Identitätsdokumente vorzulegen, hätte es in diesem Zusammenhang weiterer Ermittlungen bedurft. Zwar ist der Ausländer aufgrund seiner Verpflichtung, im Falle des Nichtbesitzes eines gültigen Passes oder Paßersatzes an der Beschaffung eines Identitätspapiers mitzuwirken (§ 15 Abs. 2 Nr.,6 AsylVfG; vgl. BT-Drucks. 12/4450 S. 18), auch gehalten, sich hierzu der Mithilfe geeigneter Dritter, insbesondere Angehöriger, zu bedienen (offengelassen in Saarl. OLG FGPrax 1999, 243/244). Die Ausländerbehörde hat dem Betroffenen zwar entsprechende Möglichkeiten aufgezeigt (Vater in Syrien, Onkel in der Nähe von Bonn). Von einem pflichtwidrigen Unterlassen, das der Betroffene zu vertreten hat, kann aber im Regelfall nur ausgegangen werden, wenn die Ausländerbehörde ihn in einer ihm verständlichen Form über den Umfang solcher nicht ohne weiteres auf der Hand liegenden Mitwirkungspflichten belehrt, ihm die bestehenden Möglichkeiten und die erforderlichen Schritte aufgezeigt und ihn über die Folgen pflichtwidriger Untätigkeit unterrichtet hat (vgl. Saarl.OLG aaO). Hierzu läßt sich den Akten nichts entnehmen. Im Gegenteil finden sich Anhaltspunkte, dass der Betroffene der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig ist, und deshalb die Schreiben der Ausländerbehörde nicht ohne weiteres verstehen konnte. Im Hinblick hierauf wären weitere Ermittlungen erforderlich gewesen, wobei sich insbesondere eine erneute persönliche Anhörung des Betroffenen durch das Landgericht angeboten hätte.

Schließlich hat die Kammer auch nicht aufgeklärt, ob der Ausländerbehörde durch das Vorhandensein von Kopien des syrischen Reisepasses des Vaters des Betroffenen Möglichkeiten zu dessen schnellerer Identifizierung eröffnet worden sind und ob die Ausländerbehörde diese gegebenenfalls ausgeschöpft hat.

3. Diese Mängel führen zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht, da der Senat die erforderlichen weiteren Ermittlungen nicht selbst durchführen kann (vgl. Bassenge/Herbst FGG/RPflG 8. Aufl. § 27 FGG Rn. 32).

Ende der Entscheidung

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