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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 31.10.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 346/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1896
BGB § 1897 Abs. 6 Satz 1
Ein wesentlich besser geeigneter Berufsbetreuer ist einer natürlichen zur Betreuung bereiten Person vorzuziehen, wenn der Betroffene keinen eigenen Wunsch zur Betreuerbestellung zu äußern kann.
Gründe:

I.

Das Amtsgericht ordnete am 29.6.2001 für die Betroffene eine Betreuung an mit verschiedenen Aufgabenkreisen, u.a. Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge und Vermögenssorge und bestellte für sie einen Berufsbetreuer.

Gegen diesen Beschluss legte der Beteiligte, ein Sohn der Betroffenen, Beschwerde ein, um eine Bestellung seiner eigenen Person zum Betreuer und dadurch eine häusliche Pflege der Betroffenen zu erreichen.

Das Landgericht hat die Beschwerde am 20.9.2001 zurückgewiesen.

Mit seiner weiteren Beschwerde gegen den landgerichtlichen Beschluss verfolgt der Sohn sein Beschwerdeziel weiter.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Zu Recht ist das Landgericht von der Zulässigkeit der Erstbeschwerde ausgegangen. Die Beschwerdeberechtigung des Sohnes ergibt sich aus § 69g Abs. 1 FGG, da die Bestellung eines Betreuers auch die Auswahl eines Betreuers mitumfasst (BayObLG FamRZ 1996, 507). Gegen die Wirksamkeit einer auf die Auswahl des Betreuers beschränkten Teilanfechtung bestehen keine Bedenken (BayObLG aaO; BayObLGZ 1995, 220).

2. Die Betreuerauswahl ist rechtlich nicht zu beanstanden.

a) Das Landgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Bei der Neubestellung eines Betreuers sei bei der Auswahl zwar auf die verwandtschaftlichen und persönlichen Bindungen der Betroffenen Rücksicht zu nehmen, so dass als Betreuer an erster Stelle der Sohn in Betracht zu ziehen sei. Hier gebiete es aber das vorrangig zu beachtende Wohl der Betroffenen, nicht den Sohn, sondern den Berufsbetreuer zu bestellen. Dieser wolle die Pflege der Betroffenen in dem Seniorenheim, in welchem sie sich jetzt aufhalte, fortsetzen lassen. Demgegenüber bestünden erhebliche Zweifel an der durch den Sohn beabsichtigten häuslichen Pflege. Die Betroffene sei in Pflegestufe drei eingeordnet und bedürfe daher eines großen pflegerischen Aufwands. Der Sohn als Landwirt könne diese Rundumversorgung zeitlich nicht leisten. Seine Ehefrau stehe selbst unter Betreuung, da sie seit Jahren an einer schizophrenen Psychose leide. Auch unter Einschaltung eines ambulanten Pflegedienstes blieben daher noch erhebliche Zweifel, ob Sohn und Schwiegertochter die im Laufe der Zeit eher zunehmende notwendige Pflegeleistung dauerhaft leisten könnten. Diese Zweifel müssten zum Wohl der Betroffenen dahin ausschlagen, dass der bisherige Betreuer beibehalten werden müsse.

b) Diese Ausführungen des Landgerichts zur Betreuerauswahl halten der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) stand.

aa) Die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts sind verfahrensfehlerfrei getroffen worden, so dass der Senat an sie gebunden ist (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 561 Abs. 2 ZPO). Insbesondere musste das Landgericht die Betroffene nicht nochmals anhören, weil im Hinblick auf die fehlende Verständigungsmöglichkeit von einer erneuten Anhörung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten waren (§ 69g Abs. 5 Satz 3 FGG). Das Landgericht ist seiner Amtsermittlungspflicht in ausreichendem Maße nachgekommen: Es hat nicht nur für die Betroffene ärztliche Atteste und ein psychiatrisches Sachverständigengutachten bei seiner Entscheidung berücksichtigt, sondern auch ärztliche Atteste und die Betreuungsakten für die Schwiegertochter, welche in wesentlichem Umfang die häusliche Pflege durchführen sollte, beigezogen. Das ärztliche Attest des langjährigen Hausarztes der Betroffenen enthält keine Aussage zum jetzigen Zustand der Betroffenen, so dass das Landgericht hierauf in seiner Entscheidung nicht näher eingehen musste. Da die Entscheidung im wesentlichen auf Zweifel an der Durchführbarkeit der von dem Sohn beabsichtigten häuslichen Pflege gestützt ist, bestand auch kein Anlass, in psychologisches Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, in welchem Umfeld das seelische und körperliche Wohl der Betroffenen gewährleistet sei.

Im Rechtsbeschwerdeverfahren kann ein solches Gutachten nicht erholt werden, weil das Rechtsbeschwerdegericht die angegriffene Entscheidung nur in rechtlicher Hinsicht überprüft und zu eigenen Tatsachenfeststellungen nicht befugt ist (vgl. § 27 Abs. 1 FGG).

bb) Da die Betroffene krankheitsbedingt nicht in der Lage ist, hinsichtlich eines Betreuervorschlages ihren Willen erkennbar zu äußern, ist bei der Auswahl eines Betreuers auf die verwandtschaftlichen und sonstigen persönlichen Bindungen Rücksicht zu nehmen (§ 1897 Abs. 5 BGB). Auch bei den danach in Betracht kommenden Personen muss jedoch gewährleistet sein, dass sie in den gerichtlich bestimmten Aufgabenkreisen die Angelegenheiten der Betreuten besorgen und sie hierbei im erforderlichen Umfang persönlich betreuen können. Bei der Abwägung der für und wider die Bestellung sprechenden Gesichtspunkte ist insbesondere zu bedenken, dass Angehörige die Bedürfnisse und Äußerungsverhalten einer Betroffenen vielfach besser kennen als fremde Personen. Ausschlaggebend bleibt jedoch das Wohl der Betroffenen. Deshalb hat sich das Vormundschaftsgericht maßgeblich von der Frage leiten zu lassen, durch wen die bestmögliche Kombination von persönlicher Betreuung und Besorgung der Angelegenheiten der Betroffenen gewährleistet wird (vgl. BayObLG FamRZ 1996, 507 f. m. w. N.).

cc) Die Beurteilung der Eignung einer Person als Betreuer durch den Tatrichter kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf Rechtsfehler überprüft werden (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 1 FGG; BayObLG aaO). Solche liegen vor, wenn der Tatrichter den unbestimmten Rechtsbegriff der Eignung verkennt, relevante Umstände unvertretbar über- oder unterbewertet oder bei der Subsumtion wesentliche Umstände unberücksichtigt lässt (vgl. BayObLG aaO).

Das Landgericht hat sich in seiner Entscheidung ausdrücklich mit der Frage der Eignung des Sohnes auseinandergesetzt. Sie setzt voraus, dass er die ihm übertragenen Aufgabenkreise zum Wohl der Betroffenen gut besorgen kann. Hier geht es vor allem um das Problem der tatsächlichen Pflege. Das Landgericht hat die Umstände sowohl bei einer weiteren Pflege der Betroffenen in einem Seniorenheim als auch bei einer häuslichen Pflege gegeneinander abgewogen und ist nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass bei dem hohen Pflegeaufwand für die Betroffene eine häusliche Pflege unter den gegebenen Umständen auf Dauer nicht bewerkstelligt werden kann. Bei dieser Sachlage durfte es den Sohn, der gerade die Durchführung der häuslichen Pflege beabsichtigt, für weniger geeignet ansehen.

dd) Die Ausübung des Auswahlermessens unter mehreren geeigneten Personen ist rechtsfehlerhaft nur, wenn der Tatrichter sich des ihm zustehenden Ermessens nicht bewusst ist, nicht alle wesentlichen Umstände berücksichtigt, von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden weise Gebrauch macht oder die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschreitet. Hingegen sind Angemessenheit und Zweckmäßigkeit der Auswahl einer Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich entzogen (vgl. BayObLG FamRZ 1996, 507 f). Doch soll ein Berufsbetreuer nur dann bestellt werden, wenn keine andere geeignete Person zur Verfügung steht (§ 1897 Abs. 6 Satz 1 BGB).

Das Landgericht war sich des ihm eingeräumten Auswahlermessens bewusst und hat sich bei dessen Ausübung weder von sachfremden Erwägungen leiten lassen, noch hat es bei seiner Entscheidung die Grenze des Ermessensspielraums überschritten. Nach der Prüfung der Eignung hat es sich vielmehr zum Wohle der Betroffenen für denjenigen Betreuer entschieden, der nach den auf der Grundlage der durch das Gericht getroffenen Feststellungen die tatsächliche Pflege der Betroffenen auf Dauer besser gewährleisten kann. Diesem Ergebnis steht auch § 1897 Abs. 6 Satz 1 BGB nicht entgegen. Diese Vorschrift schränkt das Auswahlermessen zwar dahingehend ein, dass ein Berufsbetreuer nur dann bestellt werden soll, wenn keine andere geeignete Person zur Verfügung steht. Dies schließt jedoch nicht aus, einen Berufsbetreuer auch dann zu bestellen, wenn er die wesentlich besser geeignete Person ist. Sonst wäre der Schutz eines Betroffenen, der die Auswahl des bestmöglichen Betreuers erfordert, nicht gewährleistet. Anhaltspunkte dafür, dass neben dem Sohn weitere Personen zur Übernahme der Betreuung bereit sind, liegen nicht vor. Da alle Aufgabenkreise der Betreuung eng mit der Frage zusammenhängen, ob die Pflege in einem Pflegeheim oder auf dem heimischen Hof geleistet werden soll, musste das Landgericht auch keine Aufteilung vornehmen.



Ende der Entscheidung

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