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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 27.02.2002
Aktenzeichen: 3Z BR 35/02
Rechtsgebiete: FGG, AktG


Vorschriften:

FGG § 12
AktG § 182
AktG § 183
AktG § 188
Das Registergericht hat bei der Anmeldung einer Kapitalerhöhung gegen Einlage gemäß § 182 ff. AktG zu prüfen, ob der gesamte Vorgang gesetzes- und satzungsgemäß abgelaufen ist. Im Zweifelsfall ist von Amts wegen zu ermitteln und Beweise zu erheben.
Gründe:

I.

Die Hauptversammlung der betroffenen Aktiengesellschaft beschloss am 27.6.2001 insgesamt vier Barkapitalerhöhungen, deren Eintragung in das Handelsregister vom verfahrensbevollmächtigten Notar beantragt wurde. Beschlossen wurden Erhöhungen des Grundkapitals der Gesellschaft von 677200 DM um 3175 DM (Barkapitalerhöhung I), um weiteren 1435 DM (Barkapitalerhöhung II), um weitere 42060 DM Barkapitalerhöhung III) sowie um weitere 62940 DM jeweils durch Ausgabe neuer, auf den Namen lautender Stückaktien. Zuvor hatten sich die Erwerber der neuen Aktien aus den beiden letztgenannten Kapitalerhöhungen in einem Investors-Agreement gegenüber den bisherigen Aktionären zur Zahlung eines Aufpreises auf den Nennbetrag der Aktien verpflichtet.

Das Amtsgericht bat mit Zwischenverfügung vom 27.9.2001 um Vorlage des Investors-Agreements. Mit Schreiben vom 15.11.20P1 erläuterte das Amtsgericht seine Zwischenverfügung dahingehend, dass aufgrund der schuld rechtlich getroffenen Absprachen von der Vereinbarung eines Aufgeldes zum Nennbetrag der Aktien ausgegangen werde, so dass an der Wirksamkeit der Kapitalerhöhungsbeschlüsse Zweifel bestünden. Es müsse mit Zurückweisung der Anmeldung gerechnet werden, wenn der gerichtlichen Anforderung nicht binnen gesetzter Frist entsprochen werde.

Gegen die Zwischenverfügung des Amtsgerichts in der Fassung des Schreibens vom 15.11.2001 legte der verfahrensbevollmächtigte Notar namens und im Auftrag der Betroffenen Beschwerde ein. Er beantragte ferner Teilvollzug der Kapitalerhöhungsbeschlüsse I und II. Hierzu werde versichert, dass diese Kapitalerhöhungen ohne dingliches oder schuldrechtliches Agio, also ausschließlich zu pari, vorgenommen worden seien.

Das Amtsgericht gab dem Antrag auf Teilvollzug statt; im übrigen wurde der Beschwerde nicht abgeholfen. Das Landgericht hat die Beschwerde der Betroffenen mit Beschluss vom 20.12.2001 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Betroffenen.

II.

Die weitere Beschwerde der Gesellschaft ist zulässig. Der Urkundsnotar ist gemäß § 29 Abs. 1 Satz 3 FGG postulationsfähig.

III.

Das Rechtsmittel hat aber in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, ohne die Vorlage des Investors-Agreements könne nicht ausgeschlossen werden, dass die dort begründeten Verpflichtungen der neuen Aktionäre als gewollte Einlagen zu betrachten seien. Nach der Gesamtkonstruktion der beschlossenen Kapitalerhöhungen liege dies sogar nahe. Erzielte Aufgelder aber seien von der Gesellschaft gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB zwingend als Kapitalrücklagen auszuweisen. Durch die Verschleierung der den Rücklagen zuzuführenden Forderungen, die als Sacheinlagen zu behandeln seien, sei die Erfüllung der bilanzrechtlichen Anforderungen nicht mehr gewährleistet. Darüber hinaus widerspreche die eingeschlagene Verfahrensweise den Grundsätzen der Überschaubarkeit der Vermögensverhältnisse der Gesellschaft. Auch die Kontrolle der Einhaltung des § 36a Abs. 2 Satz 1 AktG sei nicht gewährleistet. Die Anforderung des § 185 Abs. 1 Ziff. 2 AktG sei ebenso wenig eingehalten wie die entsprechende Anmeldeverpflichtung aus § 188 Abs. 3 Nr. 2 AktG. Aufgrund der Tatsache, dass vorliegend offensichtlich ein echtes Agio vereinbart worden sei, könne auf die genannten Erfordernisse auch nicht verzichtet werden. Die Einwilligung der betroffenen (Alt-)Aktionäre könne hier nicht rechtfertigend wirken. Im übrigen würden durch die Duldung von "Dunkelzonen" bei der Zeichnung neuer Aktien unkontrollierbaren Vermögenszuständen der Gesellschaft Räume eröffnet.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) im Ergebnis stand.

a) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht die Erstbeschwerde gegen die Zwischenverfügung des Registergerichts als zulässig angesehen (vgl. Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 19 Rn. 16). Die Zwischenverfügung beanstandet eine Anmeldung zum Handelsregister und greift damit in die Rechte der Betroffenen ein.

b) Das Registergericht war befugt, die Vorlage des Investors-Agreements zu fordern.

aa) Die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft kann mit qualifizierter Mehrheit die Erhöhung des Grundkapitals gegen Einlagen beschließen (§ 182 Abs. 1 Satz 1 AktG). Die Kapitalerhöhung kann nur durch Ausgabe neuer Aktien ausgeführt werden (§ 182 Abs. 1 Satz 4 AktG). Sollen neue Aktien für einen höheren Betrag als den geringsten Ausgabebetrag ausgegeben werden, so ist der Mindestbetrag, unter dem sie nicht ausgegeben werden sollen, im Beschluss über die Erhöhung des Grundkapitals festzusetzen (§ 182 Abs. 3 AktG). Wird eine Sacheinlage, also eine Einlage, die nicht durch Einzahlung des Ausgabebetrages der Aktien zu leisten ist (§ 27 Abs. 1 AktG), beschlossen, so müssen ihr Gegenstand, die Person, von der die Gesellschaft den Gegenstand erwirbt, und der Nennbetrag, bei Stückaktien die Zahl der bei der Sacheinlage zu gewährenden Aktien, im Beschluss über die Erhöhung des Grundkapitals festgesetzt werden (§ 183 Abs. 1 Satz 1 AktG). Der Vorstand und der Vorsitzende des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft haben die Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§ 188 Abs. 1 AktG).

Das Registergericht hat in diesem Falle zu prüfen, ob alle Voraussetzungen für die beantragte Eintragung vorliegen. Die Prüfungspflicht betrifft die Ordnungsmäßigkeit der Anmeldung, bezieht sich daneben aber auch auf die Frage, ob der gesamte Vorgang der Kapitalerhöhung den Vorschriften des Gesetzes und der Satzung gemäß abgelaufen ist (vgl. Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff AktG § 188 Rn. 54; Hüffer AktG 4. Aufl. § 188 Rn. 20 i.V.m. § 181 Rn. 12). Bestehen Zweifel, so hat das Gericht nach § 12 FGG von Amts wegen eigene Ermittlungen anzustellen und Beweise zu erheben (Geßler/Hefermehl/Eckardt/ Kropff § 188 Rn. 56). Die Auflistung der einer Anmeldung beizufügenden Unterlagen in 188 Abs. 3 AktG ist nicht abschließend (vgl. Hüffer 188 Rn. 12).

bb) Im vorliegenden Fall ist das vom Registergericht angeforderte Investors-Agreement für die Eintragung der beschlossenen Kapitalerhöhung rechtlich von Bedeutung, so dass sich die Verfahrensweisie des Registergerichts aus § 12 FGG rechtfertigt. Die Relevanz des Agreements folgt schon daraus, dass ohne eine Vorlage des Dokuments nicht abschließend geklärt werden kann, wie die Verpflichtung der neuen Aktionäre zur Zahlung den Ausgabepreis der Aktien übersteigender Beträge rechtlich einzuordnen ist. Zwar weist die Betroffene zu Recht darauf hin, dass die Gesellschaft schon nach Sinn und Zweck des Agreements bei sachgerechter Ausgestaltung regelmäßig kein eigenes Forderungsrecht gegen die neuen Aktionäre erwerben wird. Zwingend ist dies aber keineswegs. Der Senat schließt sich deshalb der Rechtsauffassung des Landgerichts an, dass ohne eine Vorlage des Investors-Agreements nicht abschließend beurteilt werden kann, ob die darin begründeten Verpflichtungen als gewollte Einlagen zu betrachten sind. Letzteres hätte zur Folge, dass sie u.a. im Kapitalerhöhungsbeschluss (§ 182 Abs. 3 AktG), aber auch im Zeichnungsschein (vgl. § 185 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AktG) hätten berücksichtigt werden müssen. Bei Fehlen entsprechender Angaben wäre jedenfalls der Zeichnungsschein nichtig (§ 185 Abs. 2 AktG). Sind die Einlagen rechtlich als Sacheinlagen zu behandeln (vgl. dazu § 27 Abs. 1 AktG), so muss der Kapitalerhöhungsbeschluss zudem den Voraussetzungen des § 183 AktG genügen. In jedem Fall wäre die Anmeldung abzulehnen.

Ob registerrechtliche Konsequenzen auch dann in Betracht kommen, wenn die neuen Aktionäre keine Einlagepflicht gegenüber der Gesellschaft, sondern lediglich eine schuldrechtlich begründete Zuzahlungspflicht gegenüber ihren Mitaktionären übernommen haben, ist für die vorliegende Entscheidung ohne Belang. Der Senat neigt insoweit der in der Literatur herrschenden Auffassung zu, dass es im Rahmen der Vertragsfreiheit grundsätzlich möglich ist, Zuzahlungen zum geringsten Ausgabebetrag auch im Verhältnis der Aktionäre zueinander, also auf anderer als korporativer Grundlage zu vereinbaren (vgl. Großkommentar/Henze AktG 4. Aufl. § 54 Rn. 53 ff., 55 und 77 ff./freiwillige Mehrleistungen; KölnerKomm/Lutter AktG 2. Aufl. § 54 Rn. 26).

Ende der Entscheidung

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