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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 08.01.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 358/00
Rechtsgebiete: AuslG, FGG


Vorschriften:

AuslG § 57
FGG § 27
Eine sofortige weiteren Beschwerde der Ausländerbehörde gegen einen Beschluss des Landgerichts zur Abschiebungshaft setzt zu ihrer Zulässigkeit voraus, dass für die rechtliche Überprüfung der langerichtlichen Entscheidung ein Rechtsschutzbedürfnis besteht.
Der 3.Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Plößl und Dr. Denk

am 8.Januar 2001

in der Abschiebungshaftsache

auf die sofortige weitere Beschwerde der Ausländerbehörde

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichte München I vom 2.November 2000 wird verworfen.

II. Die dem Betroffenen im Verfahren vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem Landkreis Starnberg auferlegt.

Gründe:

I.

Mit Beschluss vom 25.9.2000 verlängerte das Amtsgericht mit sofortiger Wirksamkeit die gegen den Betroffenen, einen türkischen Staatsangehörigen kurdischer Volkszugehörigkeit, zur Sicherung seiner Abschiebung seit 26.6.2000 vollzogene Abschiebungshaft bis längstens 26.12.2000.

Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht die Haftverlängerung mit Beschluss vom 2.11.2000 aufgehoben und den Haftverlängerungsantrag der Ausländerbehörde abgelehnt. Ein Haftgrund liege nicht vor. Der Betroffene habe sich zwar zusammen mit seiner Ehefrau und den sechs Kindern am 26.9.1995 in das sog. "Kirchenasyl" begeben. Die Ausländerbehörde habe von seinem Aufenthalt aber stets Kenntnis gehabt. Ein begründeter Verdacht, dass der Betroffene sich der Abschiebung entziehen wolle, lasse sich aus dessen Verhalten nicht ableiten, da die Ausländerbehörde nicht gehindert sei, ungeachtet des "Kirchenasyls" auf den Betroffenen Zugriff zu nehmen.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts wendet sich die Ausländerbehörde mit der sofortigen weiteren Beschwerde. Sinn und Zweck der Flucht in das "Kirchenasyl" sei die Vereitelung der Abschiebung.

II.

Das Rechtsmittel der Ausländerbeh6rde ist zu verwerfen, da ihm schon bei seiner Einlegung das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlte.

1. Die Zulässigkeit der weiteren Beschwerde setzt auch voraus, dass für die rechtliche Überprüfung der Entscheidung des Landgerichts ein Rechtsschutzbedürfnis besteht (vgl. BayObLG FamRZ 1990, 551; Keidel/Kahl FGG 14.Aufl. § 19 Rn.81). Es fehlt unter anderem dann, wenn der Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts keine praktische Bedeutung zukommt (vgl. Keidel/Kahl § 19 Rn. 111).

Dies ist hier der Fall. Die Ausländerbehörde verfolgte mit ihrem Rechtsmittel das Ziel der Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Haftverlängerungsbeschlusses vom 25.9.2000. Diesem hätte zwar bis 26.12.2000 als Grundlage für den weiteren Vollzug von Abschiebungshaft Bedeutung zukommen können. Der Senat ist jedoch davon überzeugt, dass die Ausländerbehörde von dem Beschluss bis zu dem genannten Zeitpunkt keinen Gebrauch gemacht hätte. So hat die Ausländerbehörde zur Begründung ihres Rechtsmittels vorgetragen, die Flucht ins "Kirchenasyl" sei deshalb ein geeignetes Mittel, der Abschiebung zu entgehen, weil die Betroffenen wüßten, dass die Verwaltungs- und Polizeibehörden im Regelfall mit Rücksicht auf religiöse Empfindungen und gesellschaftliche Anschauungen bei der rechtlich an sich möglichen Anwendung unmittelbaren Zwangs innerhalb des Kirchenbereichs Zurückhaltung übten. Dementsprechend hatte die Ausländerbehörde auch den Betroffenen während seines jahrelangen Aufenthalts im "Kirchenasyl" unbehelligt gelassen. Zu seiner Festnahme am 25.6.2000 war es nur deshalb gekommen, weil er bei einem Spaziergang offenbar den Klosterbereich verlassen hatte. Eine Änderung der bisherigen allgemeinen Praxis der Ausländerbehörden war bis zum 26.12.2000 ebenso wenig zu erwarten wie ein davon abweichender Zugriff auf den nach seiner durch das Landgericht verfügten Entlassung aus der Abschiebungshaft wieder ins "Kirchenasyl" zurückgekehrten Betroffenen. Dies entnimmt der Senat unter anderem dem Umstand, dass die Ausländerbehörde auf eine entsprechende Anfrage des Senatsvorsitzenden nicht geantwortet hat. Die Möglichkeit, den Betroffenen bis zum 26.12.2000 nochmals außerhalb des Klosterbereichs anzutreffen, ließ sich von vornherein ausschließen.

Wegen des fehlenden Rechteschutzbedürfnisses der sofortigen weiteren Beschwerde ist kein Raum für eine Überprüfung der Würdigung des Landgerichts, dass ein Ausländer, der sich in das sog. "offene Kirchenasyl" begibt, damit nicht ohne weiteres den Haftgrund des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AuslG verwirkliche.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG, § 3 Satz 2 FreihEntzG, § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG (vgl. BayObLGZ 1993, 177/179).

Ende der Entscheidung

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