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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 14.12.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 358/01
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 67
FGG § 68b Abs. 2
Bevor ein Betreuer bestimmt wird, ist der Betroffene persönlich anzuhören. Kam das Amtsgericht dieser Pflicht wegen Erkrankung des Betroffenen nicht nach, hat das Beschwerdegericht die gebotenen Verfahrenshandlung nachzuholen.
Gründe:

I.

Das Amtsgericht bestellte für die Betroffene am 12.2.2001 ihren Ehemann zum Betreuer für verschiedene Aufgabenkreise, darunter Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge und Vermögenssorge.

Gegen diesen Beschluss legte die Beteiligte, die Mutter der Betroffenen, Beschwerde ein, um ihre eigene Bestellung als Betreuerin hilfsweise als Mitbetreuerin zu erreichen.

Das Landgericht hat die Beschwerde am 3.9.2001 zurückgewiesen.

Mit ihrer weiteren Beschwerde gegen den landgerichtlichen Beschluss verfolgt die Mutter ihr Beschwerdeziel weiter.

II.

Die zulässige weitere Beschwerde führt zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Dieses hat den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt (§ 12 FGG).

Zu Recht ist das Landgericht von der Zulässigkeit der Erstbeschwerde ausgegangen. Die Beschwerdeberechtigung der Mutter ergibt sich aus § 69g Abs. 1 FGG, da die Bestellung eines Betreuers auch die Auswahl des Betreuers mitumfasst (BayObLG FamRZ 1996, 507). Gegen die Wirksamkeit einer auf die Auswahl des Betreuers beschränkten Teilanfechtung bestehen keine Bedenken (BayObLG aaO; BayObLGZ 1995, 220).

2. Das Landgericht hat aber eine durch das Gesetz zwingend vorgeschriebene Ermittlungshandlung nicht durchgeführt. Es hätte insbesondere nicht davon absehen dürfen, sich von der Betroffenen einen unmittelbaren Eindruck zu verschaffen.

a) Nach § 68 Abs. 1 Satz 1 FGG hat das Gericht vor der Bestellung eines Betreuers den Betroffenen persönlich anzuhören und sich einen unmittelbaren Eindruck von ihm zu verschaffen. Nach § 68 Abs. 2 FGG kann zwar die persönliche Anhörung des Betroffenen unterbleiben, wenn nach ärztlichem Gutachten von der Anhörung erhebliche gesundheitliche Nachteile für den Betroffenen zu besorgen sind oder nach dem unmittelbaren Eindruck des Gerichts der Betroffene offensichtlich nicht dazu in der Lage ist, seinen Willen zu äußern. Aber auch in diesem Fall hat sich das Gericht zur Wahrnehmung seiner Kontrollfunktion gegenüber Zeugen und Sachverständigen den nach § 68 Abs. 1 Satz 1 FGG gebotenen persönlichen Eindruck von dem Betroffenen zu verschaffen (Keidel/Kayser FGG 14. Aufl. § 68 Rn. 13; Damrau/Zimmermann Betreuungsrecht 3. Aufl. § 68 FGG Rn. 37; Jürgens BtR 2. Aufl. § 68 FGG Rn. 10), auch um festzustellen, ob der Betroffene in der Lage ist, seinen Willen zu äußern. Diese Vorschriften gelten auch für das Beschwerdeverfahren (§ 69g Abs. 5 FGG); das Beschwerdegericht kann nur dann davon absehen, den Betroffenen persönlich anzuhören oder sich zumindest einen unmittelbaren Eindruck von ihm zu verschaffen, wenn diese Verfahrenshandlungen bereits im ersten Rechtszug vorgenommen worden sind und von einer erneuten Vornahme keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind (§ 69g Abs. 5 Satz 3 FGG). Diese Verfahrensvorschriften betreffen nicht nur die Klärung der Frage, ob überhaupt eine Betreuung anzuordnen ist, sondern auch, welche Vorstellungen der Betroffene zur Person des Betreuers hat (vgl. Keidel/Kayser § 68 Rn. 9; KG FamRZ 1995, 1442/1443). Die Äußerungen des Betroffenen zur Person des Betreuers sind keine Willenserklärungen, so dass auch Äußerungen eines Geschäftsunfähigen, wenn sie von seinem natürlichen Willen getragen werden, zu berücksichtigen sind (vgl. BayObLG FamRZ 1995, 1596; OLG Hamm FamRZ 1996, 1372; OLG Düsseldorf FamRZ 1996, 1373 und FamRZ 1998, 510), wobei dem Wunsch des Betroffenen gemäß § 1897 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 BGB Vorrang eingeräumt ist.

b) Das Amtsgericht hat die Betroffene, welche sich zum Zeitpunkt der Betreuerbestellung noch auf der Intensivstation befand, weder angehört noch sich einen unmittelbaren Eindruck von der Betroffenen verschafft. Das Landgericht war daher zu diesen Verfahrenshandlungen verpflichtet; aus welchen Gründen sie in erster Instanz unterblieben sind, ist insoweit unerheblich. Die Voraussetzungen für eine Ausnahme gemäß § 68 Abs. 2 FGG sind nicht dargetan und könnten ohnehin nur ein Absehen von der persönlichen Anhörung rechtfertigen. Das Landgericht durfte von der Maßnahme auch nicht deshalb absehen, weil in der Beschwerdeinstanz nur noch die Frage der Auswahl des Betreuers zu prüfen war (vgl. BayObLGZ 1995, 220). Sinn der in § 68 Abs. 1 Satz 1 FGG vorgeschriebenen Handlungen ist neben der Sicherstellung des rechtlichen Gehörs für den jeweiligen Betroffenen die gerichtliche Kontrolle und Überprüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen nicht nur für die Betreuerbestellung, sondern auch für die Betreuerauswahl (vgl. Keidel/Kayser aaO § 68 Rn. 13). Aus den Akten war zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung zudem ersichtlich, dass sich die Betroffene nicht mehr auf der Intensivstation, sondern bereits im Altenheim befand, so dass der Verschaffung des persönlichen Eindrucks keine tatsächlichen Hindernisse mehr im Wege standen.

c) Die Bestellung der beteiligten Betreuungsbehörde zum Verfahrenspfleger konnte diesen Mangel nicht heilen. Voraussetzung für die Bestellung eines Verfahrenspflegers ist zwar nach § 67 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 FGG, dass von der persönlichen Anhörung gemäß § 68 Abs. 2 FGG abgesehen werden soll. Dies bedeutet aber nur, dass bei einem durch § 68 Abs. 2 FGG gedeckten Absehen von einer Anhörung ein Verfahrenspfleger zu bestellen ist, der die Rechte des Betroffenen wahrnehmen soll. Liegen die Voraussetzungen des § 68 Abs. 2 FGG nicht vor, kann die Bestellung eines Verfahrenspflegers die Pflicht zur persönlichen Anhörung und zur Verschaffung eines unmittelbaren Eindrucks nicht ersetzen. Sinn einer Verfahrenspflegschaft ist die Sicherstellung des rechtlichen Gehörs für den Betroffenen, nicht aber die Ersetzung der gerichtlichen Kontrolle.

d) Da bisher eine gesetzlich zwingend vorgeschriebene Verfahrenshandlung zur Aufklärung des Sachverhalts nicht durchgeführt worden ist, konnte der Senat nicht selbst in der Sache entscheiden.

Ende der Entscheidung

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