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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 10.01.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 359/00
Rechtsgebiete: BGB, FGG, GG
Vorschriften:
BGB § 1897 Abs. 4 | |
BGB § 1901 Abs. 1 | |
FGG § 68 Abs. 1 Satz 1 | |
FGG § 69g Abs. 5 Satz | |
GG Art. 100 Abs. 1 |
Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Nitsche und Fuchs
am 10. Januar 2001
in der Betreuungssache
auf die weitere Beschwerde den Betreuers, der Ersatzbetreuerin und der Betroffenen
beschlossen:
Tenor:
I. Die weitere Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss des Landgerichte Amberg vom 27. September 2000 wird verworfen.
II. Auf die weitere Beschwerde der bisherigen Betreuer wird der Beschluss des Landgerichts Amberg vom 27. September 2000 aufgehoben.
III. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht Amberg zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Mit Beschluss vom 12.4.2000 bestellte das Amtsgericht für die Betroffene einen Betreuer sowie eine Ersatzbetreuerin mit den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung einschließlich Genehmigung zur Unterbringung, Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post und Geltendmachung von Rechten der Betroffenen gegenüber ihrem Bevollmächtigten. Auf die Beschwerde der Beteiligten hat das Landgericht am 27.9.2000 den Betreuer und die Ersatzbetreuerin entlassen und den Beteiligten zu 2 als neuen Betreuer bestellt. Dagegen wenden sich die bisherigen Betreuer mit ihrer, auch im Namen der Betroffenen eingelegten, weiteren Beschwerde.
II.
1. Das im Namen der Betroffenen eingelegte Rechtsmittel ist unzulässig, weil die bisherigen Betreuer nach ihrer Entlassung nicht mehr befugt sind, für die Betroffene Beschwerde einzulegen. Gemäß § 69g Abs. 2 Satz 1 FGG kann der Betreuer im Namen des Betreuten gegen eine Entscheidung Beschwerde einlegen, die seinen Aufgabenkreis betrifft. Das Landgericht hat den vom Amtsgericht bestellten Betreuer aber entlassen und den Sohn der Betroffenen zum neuen Betreuer bestellt. Seit der Bekanntmachung des ländgerichtlichen Beschlusses ist gemäß § 69a Abs. 3 Satz 1, § 69g Abs. 5 Satz 1 FGG deshalb der Schwiegersohn nicht mehr Betreuer. Damit ist er auch nicht mehr befugt, für die Betroffene Beschwerde einzulegen (vgl. BayObLGZ 1995, 267/268 f.). Dass er von der Betroffenen hierzu ausdrücklich rechtsgeschäftlich bevollmächtigt worden sei, ist nicht hinreichend dargelegt.
Das im eigenen Namen eingelegte Rechtsmittel der bisherigen Betreuer ist zulässig. Es führt zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und zur Zurückverweisung.
2. Das Landgericht hat ausgeführt, die Betroffene habe sich bei ihren Anhörungen am 12.4.2000 und 2.6.2000 jeweils für ihren Schwiegersohn als Betreuer ausgesprochen. Obwohl die Betroffene geschäftsunfähig sei, sei dieser Wunsch bei der Auswahl des Betreuers zu berücksichtigen. Nach dem Gutachten sei die Betroffene aber außer Stande, die Bedeutung der Einrichtung einer Betreuung zu erfassen. Sie könne deshalb auch keinen relevanten Betreuervorschlag machen. Hinzu komme, dass sie nach Erlaß des Nicht-Abhilfebeschlusses vom 8.6.2000 in einem Brief an das Amtsgericht ausgeführt habe "... bitte eine neue Betreuerin...". Deshalb sei es nicht sachgerecht, die Auswahl des Betreuers maßgeblich auf die Erklärungen der Betroffenen zu stützen. Andererseits habe sich die Betroffene im Rahmen der Untersuchung durch den Sachverständigen aber auch über ihren Sohn und die Schwiegertochter beschwert. Sie habe Vertrauen zu ihrem Sohn, dieser halte jedoch zu seiner Frau und nicht zu ihr. Offensichtlich seien sich die Kinder der Betroffenen "nicht grün". Der Schwiegersohn der Betroffenen sei Unternehmer und wohne mit seiner Ehefrau in W. Der Sohn wohne zusammen mit der Betroffenen in einem Anwesen. Er habe damit zusammen mit seiner Ehefrau in ganz anderer Weise als der Schwager die Möglichkeit, "nach dem Rechten zu sehen" und erforderlichenfalls die jeweils gebotenen Maßnahmen zu ergreifen. Die Möglichkeit, sich rein faktisch um die Betroffene kümmern zu können, sei der Kammer Veranlassung gewesen, dieses Zusammenleben mit der rechtlichen Qualität der Betreuung zu versehen. Angesichts des durch den Akteninhalt vermittelten pflegebedürftigen Zustands der Betroffenen sei nicht recht einzusehen und nachvollziehbar, warum nicht der in demselben Hause wohnende Sohn, sondern der in W. wohnenden Schwiegersohn die Betreuung übernehmen solle, wenn ohnehin Notfallmaßnahmen von dem Sohn vor Ort zu ergreifen wären. Mit der Wahl des Sohnes werde dem Wohl der Betroffenen am ehesten entsprochen.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) nicht stand. Sie leidet an wesentlichen Verfahrensmängeln.
a) Das Landgericht hat die Beschwerdeschriftsätze der Beteiligten den bisherigen Betreuern nicht zur Kenntnis gegeben. Dadurch hat es deren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG). Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs erfordert im Beschwerdeverfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit eine Anhörung des Beschwerdegegners jedenfalls in den Fällen, in denen ein der Beschwerde stattgebender Beschluss in seine Rechtsstellung eingreift und wenn eine Entscheidung zu seinen Ungunsten abgeändert werden soll (BVerfGE 19, 49/51; BayObLGZ 1988, 356/359; Keidel/Kayser FGG 14. Aufl. § 12 Rn. 137). Auf diesem Verfahrensverstoß beruht die angefochtene Entscheidung, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie anders ausgefallen wäre, wenn die Betreuer Gelegenheit zur Geltendmachung neuer Tatsachen gehabt hätten. Nach dem Vorbringen in der weiteren Beschwerde wohnt die Betroffene nicht mehr bei den Beteiligten, sondern in einem Pflegeheim (Keidel/Kahl § 27 Rn. 18).
b) Eine Anhörung der Betroffenen fand nicht statt. Grundsätzlich hat auch das Beschwerdegericht den Betroffenen persönlich anzuhören (§ 69g Abs. 5 Satz 1, § 68 Abs. 1 Satz 1 FGG). Hiervon darf es, abgesehen von den hier nicht gegebenen Fällen des § 68 Abs. 2 FGG, nur absehen, wenn das Amtsgericht den Betroffenen persönlich angehört hat und von der erneuten persönlichen Anhörung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind (§ 69g Abs. 5 Satz 3 FGG). Sieht das Beschwerdegericht von der wiederholten persönlichen Anhörung ab, hat es die dafür maßgebenden Gründe darzulegen, die die Annahme rechtfertigen, dass eine Anhörung für die zutreffende Entscheidung keinerlei verwertbare Erkenntnisse hätte erbringen können (OLG Celle NdsRpfl 1995, 353; Keidel/Kayser § 69g Rn. 15). Das Landgericht hat keine Begründung gegeben. Eine solche war hier um so mehr geboten, als das Landgericht die Entscheidung des Amtsgerichts abgeändert hat. Das Vormundschaftsgericht hat die Betroffene im Abhilfeverfahren angehört. Diese hat sich für den bestellten Betreuer ausgesprochen. Andererseits hat sie in einem späteren Schreiben an das Vormundschaftsgericht um eine neue Betreuerin gebeten. Bei dieser Sachlage kann nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden, dass die Anhörung keine weitergehenden Erkenntnisse gebracht hätte und das Amtsgericht zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.
c) Der Senat weist auf folgendes hin: Dem Vorschlag des Betroffenen zur Betreuerauswahl kommt grundsätzlich Vorrang zu (§ 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB). Auch sinnvolle Vorschläge eines Geschäftsunfähigen sind zu berücksichtigen (BayObLG FamRZ 1993, 1110; Knittel Betreuungsrecht § 1897 Rn. 18). Als Betreuer ist nicht stets diejenige Person auszuwählen, die dem Wohl des Betroffenen am besten entspricht. Vielmehr ist, wenn die Betroffene, wie hier, eine Person vorgeschlagen hat, nach der gesetzlichen Regelung diese zu bestellen, wenn die Entscheidung dem Wohl der Betroffenen nicht zuwiderläuft (BayObLG BtPrax 2000, 260; Knittel Rn. 17 m. w. N.).
Die Betreuung ist rechtliche Betreuung (§ 1901 Abs. 1 BGB). Der Betreuer hat die Pflege der Betroffenen nicht selbst vorzunehmen, sondern zu organisieren (Palandt/Diederichsen 60. Aufl. § 1901 Rn. 2, 3). Dafür ist der nicht am Ort wohnende Schwiegersohn der Betroffenen nicht von vornherein weniger geeignet als der Sohn, selbst wenn dieser mit der Betroffenen im gleichen Haus wohnen sollte.
Ende der Entscheidung
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