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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 31.07.2002
Aktenzeichen: 3Z BR 362/01 (1)
Rechtsgebiete: EGAktG


Vorschriften:

EGAktG § 5 Abs. 3 Satz 1
EGAktG § 5 Abs. 4 Satz 2
Beschließt die Hauptversammlung, Mehrstimmrechte zu beseitigen, so ist die Aktiengesellschaft nach § 5 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 2 EGAktG nur dann ausgleichspflichtig, wenn ein besonderer Wert der beseitigten Mehrstimmrechte im Sinne einer konkreten Vermögensmehrung bei dem betroffenen Aktionär festzustellen ist.
Gründe:

I.

1. Die Antragsgegnerin ist eine Aktiengesellschaft, deren Grundkapital nach Maßgabe der Satzung 2973900700 DM betrug (Stand von November 1998). Das Grundkapital war in 594780140 Stück Aktien im Nennbetrag von je 5 DM eingeteilt. Es setzte sich zusammen aus 9236340 Stück auf den Namen lautender Vorzugsaktien und 585543800 Stück auf den Inhaber lautender Stammaktien. Die Vorzugsaktien waren mit sechsfachem Stimmrecht nach Maßgabe von 23 der Satzung ausgestattet. Zu ihrer Übertragung war gemäß 4 Abs. 3 Satz 3 der Satzung die Zustimmung des Vorstands und des Aufsichtsrats erforderlich. Auf Verlangen des Aktionärs waren die Vorzugsaktien in Inhaberaktien umzuwandeln und erlangten dadurch in jeder Beziehung die rechtliche Stellung von Stammaktien. Ein Dividendenvorzug war mit den Vorzugsaktien nicht verbunden. Im Falle der Verteilung des Gesellschaftsvermögens waren Vorteile für die Stammaktionäre vorgesehen.

Alle Vorzugsaktien der Antragsgegnerin wurden treuhänderisch von der Antragstellerin gehalten. Zwischen der Antragstellerin, ihren Treugebern, einem bisherigen Treuhänder und der Antragsgegnerin bestand ein Bindungs- und Treuhandvertrag, der nähere Regelungen u.a. über die Ausübung des mit den Vorzugsaktien verbundenen Stimmrechts enthielt. Die Antragstellerin war hiernach gehalten, das Stimmrecht "einheitlich und nach pflichtgemäßem Ermessen zum Besten der AG und der Gesamtheit der Aktionäre" auszuüben. Über die Ausübung des Stimmrechts hatte die Antragstellerin dabei nach eigenem Ermessen zu entscheiden. Für eine etwaige Übertragung von Mehrstimmrechtsaktien galten über die Bestimmungen der Satzung hinaus weitere einschränkende Regelungen. So waren zu veräußernde Aktien zunächst den übrigen Treugebern im Verhältnis 1: 1 zum Tausch in Stammaktien anzubieten. Soweit eine Übernahme durch die Treugeber oder Dritte, die gegebenenfalls dem Bindungs- und Treuhandvertrag hätten beitreten müssen, nicht erfolgte, war die Antragstellerin berechtigt, die Umwandlung der Mehrstimmrechtsaktien in Stammaktien gemäß Satzung der Antragsgegnerin zu veranlassen. Über diese Regelung hinaus blieb es dem Treugeber unbenommen, seinen Anspruch auf Herausgabe von Mehrstimmrechtsaktien gegen die Antragstellerin auf seinen Ehegatten, bestimmte Verwandte oder einen anderen Gesellschafter, dessen Ehegatten oder ehelichen Abkömmling zu übertragen. Der Erwerber war allerdings verpflichtet, mit den erworbenen Aktien dem Bindungs- und Treuhandvertrag beizutreten. Der Bindungs- und Treuhandvertrag war bis 31.12.2006 befristet; die Treugeber waren berechtigt, über Änderungen und die Aufhebung des Vertrages vor Ablauf der Vertragsdauer zu beschließen.

Die Hauptversammlung der Antragsgegnerin vom 18.2.1999 beschloss gegen die Stimmen der Antragstellerin die Beseitigung der Mehrstimmrechte aus den Vorzugsaktien sowie die Umwandlung dieser Aktien in Stammaktien. Für die Beseitigung der Mehrstimmrechte wurde ein Ausgleich von 0 DM pro Vorzugsaktie festgesetzt. Die Antragstellerin erklärte hiergegen Widerspruch zu Protokoll der Hauptversammlung. Die Beschlüsse der Hauptversammlung wurden am 11.8.1999 in das Handelsregister eingetragen. Die Eintragungen wurden am 31.8.1999 bekannt gemacht. Mit Schriftsatz vom 17.9.1999, eingegangen bei Gericht am 20.9.1999, stellte die Antragstellerin Antrag auf gerichtliche Bestimmung des angemessenen Ausgleichs für die Beseitigung der Mehrstimmrechte.

2. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 14.9.2001 als angemessenen Ausgleich einen Betrag von 0,70 EUR je Mehrstimmrecht festgesetzt. Das Gesetz gehe davon aus, dass das Stimmrecht einer Aktie grundsätzlich einen Geldwert besitze. Da die verfahrensgegenständlichen Mehrstimmrechtsaktien nicht börsennotiert gewesen und auch nicht gehandelt worden seien, sei ein Marktpreis für die Mehrstimmrechte nicht unmittelbar aus entsprechenden Kursen festzustellen, sondern nur im Wege eines Vergleichswertverfahrens zu ermitteln. Zu diesem Zweck sei zunächst der Marktwert des Stimmrechts einer Aktie der Antragsgegnerin dadurch zu bestimmen, dass der prozentuale Aufschlag (Stimmrechtsprämie) auf den Kurs von stimmrechtslosen Vorzugsaktien im Vergleich zu stimmberechtigten Stammaktien aus den entsprechenden Kursdaten für die bei der Börse notierten Gesellschaften mit Aktien beider Gattungen ermittelt werde. Dieser Wert sei dann durch Zu- bzw. Abschläge für die besonderen Vorzugsbedingungen und Ausstattungsmerkmale der verfahrensgegenständlichen Aktien anzupassen. Zu berücksichtigen seien dabei auch die Regelungen des Bindungs- und Treuhandvertrages.

Zur Durchführung des ersten Bewertungsschrittes folge die Kammer dem von ihr erholten einschlägigen Sachverständigengutachten. Der anteilige Wert eines Stimmrechts errechne sich hiernach mit 5,70 EUR (9,2 % des Aktienkurses im Median liquider großer Gesellschaften für die letzten fünf Jahre). Unter Berücksichtigung und Bewertung einerseits der Vinkulierung der verfahrensgegenständlichen Vorzugsaktien und andererseits ihrer beschränkten Fungibilität seien Abschläge in Höhe von 25 % auf den Wert der Aktie vorzunehmen. Ein weiterer Abschlag, der sich nur auf den Wert des Stimmrechts auswirke, rechtfertige sich daraus, dass das Mehrfachstimmrecht nach Satzung der Antragsgegnerin von vornherein nur für bestimmte, der Hauptversammlung obliegende Beschlüsse gültig gewesen und seine Ausübung im übrigen auch noch weiter eingeschränkt gewesen sei. Die Höhe des diesbezüglichen Abschlages schätze die Kammer auf 1/3. Weitere Abschläge seien nicht vorzunehmen. Insgesamt ergebe sich damit der tenorierte Wert eines Mehrstimmrechts. Dieser Wert entspreche auch nach Maßgabe einer abschließenden Gesamtbetrachtung den Ergebnissen des Sachverständigen, den Satzungsbestimmungen im allgemeinen und der bisherigen wertmäßigen Gleichbehandlung von Vorzugs- und Stammaktien der Antragsgegnerin im besonderen.

3. Gegen den Beschluss des Landgerichts richten sich die sofortigen Beschwerden beider Beteiligter. Die Antragsgegnerin hält bereits die Antragstellung als solche für rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig. Sie vertritt ferner die Auffassung, dass den beseitigten Mehrstimmrechten der Antragstellerin kein auszugleichender Vermögenswert beigemessen werden könne. Auch wenn man unbeschadet dessen auf der Basis des Vergleichswertverfahrens einen auszugleichenden Wert ermitteln wolle, gelange man zu dem Ergebnis, dass ein solcher Wert nicht festzustellen sei. Allein die Summe der zu berücksichtigenden Wertabschläge liege rechnerisch bei über 100 %.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag auf gerichtliche (Neu-)Bestimmung des Ausgleichs für die Beseitigung der Mehrstimmrechte der Antragstellerin unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses einen angemessenen Ausgleich für die Beseitigung der Mehrstimmrechte durch Beschluss der Hauptversammlung der Antragsgegnerin vom 18.2.1999 zu bestimmen, der den vom Landgericht festgesetzten Ausgleich übersteigt, sowie zu erkennen, dass der Ausgleich seit dem 31.8.1999 mit 5 % p.a. zu verzinsen ist.

Die Antragstellerin folgt im Ansatz der Berechnungsmethode des Landgerichts, bemängelt aber die Wertberechnung als in einigen Punkten zu ihren Lasten fehlerhaft. Der Vorwurf des Rechtsmissbrauches treffe sie nicht.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist begründet. Die gleichfalls zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist nicht begründet. Zur Entscheidung über sofortige Beschwerden in Spruchverfahren ist in Bayern das Bayerische Oberste Landesgericht berufen.

1. Der Antrag nach § 5 Abs. 4 Satz 2 EGAktG auf gerichtliche Bestimmung des angemessenen Ausgleichs ist zulässig.

a) Die Antragstellerin ist antragsbefugt (§ 5 Abs. 4 Satz 2 EGAktG). Sie war und ist Aktionärin der Antragsgegnerin; sie hält die verfahrensgegenständlichen Aktien. In der Hauptversammlung vom 18.2.1999 war sie vertreten und hat gegen den verfahrensgegenständlichen Beschluss Widerspruch zu Protokoll erklärt.

b) Dem Antrag fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis.

Im Falle eines Antrags nach § 5 Abs. 4 Satz 2 EGAktG richtet sich das Verfahren nach § 306 AktG (§ 5 Abs. 5 EGAktG). Für das Verfahren ist wie für jedes andere Verfahren ein Rechtsschutzbedürfnis erforderlich, das aber ohne weiteres aus der Eigenschaft der Antragstellerin als betroffener Aktionärin folgt (vgl. Hüffer AktG 5. Aufl. § 306 Rn. 5). Teilweise wird das Rechtsschutzbedürfnis allerdings verneint, wenn die vom Gesetz verliehene Antragsbefugnis missbraucht wird, insbesondere etwa zum "Aufbau" eines "Lästigkeitswertes" (vgl. Hüffer § 306 Rn. 7 und 8). Es kann dahinstehen, ob der Antrag auf richterliche Rechtsgestaltung in diesen Fällen als unzulässig oder als unbegründet abzuweisen ist (vgl. Hüffer aaO m. w. N. zum Streitstand; vgl. ferner für den Fall der Anfechtungsklage Hüffer § 245 Rn. 26 sowie BGH AG 1992, 448). Denn der Einwand geht hier schon in der Sache fehl. Die Antragsgegnerin legt der Antragstellerin widersprüchliches Verhalten (venire contra factum proprium) sowie eine Verletzung des Bindungs- und Treuhandvertrages zur Last. Beides trifft nicht zu.

aa) Der Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens setzt voraus, dass durch das Verhalten des Berechtigten ein Vertrauenstatbestand entstanden ist und grundsätzlich auch, dass der andere Teil im Hinblick darauf Dispositionen getroffen hat (Palandt/Heinrichs BGB 61. Aufl. § 242 Rn. 56). Die Dispositionen der Antragsgegnerin könnten hier allein darin liegen, dass sie die maßgebenden Beschlüsse der Hauptversammlung vom 18.2.1999 vollzogen, d.h. deren Eintragung in das Handelsregister veranlasst hat (vgl. § 181 Abs. 3 AktG). Zumindest zu diesem Zeitpunkt aber war längst klar, dass die Antragstellerin nicht bereit war, die Beseitigung ihrer Mehrstimmrechte ohne Ausgleich hinzunehmen.

bb) Aufgrund des Bindungs- und Treuhandvertrages war die Antragstellerin zwar verpflichtet, ihr Stimmrecht "zum Besten der AG und der Gesamtheit ihrer Aktionäre" auszuüben (§ 1 Halbsatz 2, § 20 Abs. 1 Satz 1 des Vertrages). Zugleich aber war klargestellt, dass die Antragstellerin über die Ausübung des Stimmrechts nach freiem Ermessen entscheiden konnte (§ 20 Abs. 1 Satz 2 des Vertrages). Zudem war es primäres Vertragsziel sicherzustellen, "dass die Mehrstimmrechtsaktien, soweit irgend möglich, auch künftig im ausschließlichen Besitz der Angehörigen der Familie... verbleiben" (§ 1 Halbsatz 1 des Vertrages). Diesem Ziel ist auch die Antragstellerin verpflichtet. Sie war und ist damit gehalten, sich für den Erhalt der Mehrstimmrechte und die Wahrung aller damit zusammenhängenden Rechtspositionen einzusetzen. Ein dementsprechendes Verhalten kann nicht als Verstoß gegen den Vertrag, geschweige denn als Rechtsmissbrauch angesehen werden.

2. Der Antrag auf Bestimmung eines angemessenen Ausgleichs für die Beseitigung der verfahrensgegenständlichen Mehrstimmrechte ist jedoch unbegründet, weshalb dem Rechtsmittel der Antragsgegnerin der Erfolg nicht versagt bleiben kann.

a) Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 EGAktG hat die Gesellschaft einem Inhaber von Mehrstimmrechtsaktien im Falle von deren Beseitigung im Beschlusswege einen Ausgleich zu gewähren, der den besonderen Wert der Mehrstimmrechte angemessen berücksichtigt. Die Hauptversammlung hat den Ausgleich mitzubeschließen (§ 5 Abs. 3 Satz 3 EGAktG), wobei ein Ausgleich nicht nur in Geld, sondern auch in anderer Form gewährt werden kann (vgl. Münch-KommAktG/Heider 2. Aufl. § 12 Rn. 44). Die Anfechtung des Beseitigungsbeschlusses kann nicht darauf gestützt werden, dass die Beseitigung der Mehrstimmrechte oder der festgesetzte Ausgleich unangemessen sind. Stattdessen kann jeder in der Hauptversammlung erschienene Aktionär, der gegen den Beschluss Widerspruch zur Niederschrift erklärt hat, einen Antrag auf gerichtliche Bestimmung des angemessenen Ausgleichs stellen. Der Antrag kann nur binnen zwei Monaten seit dem Tag gestellt werden, an dem die Satzungsänderung im Handelsregister nach § 10 HGB als bekannt gemacht gilt (§ 5 Abs. 4 Satz 3 EGAktG).

b) Die materiell-rechtliche Ausschlussfrist von zwei Monaten (vgl. dazu MünchKommAktG/Heider § 12 Rn. 43) ist im vorliegenden Fall gewahrt.

c) Der von der Hauptversammlung der Antragsgegnerin festgesetzte Ausgleich von 0 DM für die Beseitigung der Mehrstimmrechte der Antragstellerin ist nicht unangemessen. Der Wertung des Landgerichts, das zu einem anderen Ergebnis gekommen ist, vermag der Senat nicht zu folgen.

aa) Die Ausgleichspflicht nach § 5 Abs. 3 Satz 1 EGAktG setzt voraus, dass ein besonderer Wert der beseitigten Mehrstimmrechte überhaupt feststellbar ist (vgl. Hüffer § 12 Rn. 14; a.A. möglicherweise MünchKommAktG/Heider § 12 Rn. 46). Ist ein solcher Wert nicht feststellbar, ist es nicht angemessen, für die Beseitigung einen Ausgleich zu gewähren. Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, der ausdrücklich auch die Möglichkeit in Betracht gezogen hat, dass der auszugleichende Wert der Mehrstimmrechte "gegen Null tendiert" (BT-Drucks. 13/10038 S. 28 re. Sp.).

bb) Ein auszugleichender Wert in diesem Sinn ist jedenfalls wenn der Ausgleich in Form einer Geldleistung gefordert wird, nach Auffassung des Senats nur gegeben, wenn sich das Mehrstimmrecht auf den Verkehrswert der Aktie, die das Stimmrecht gewährt, erhöhend ausgewirkt hat. Nur der vermögensrechtliche Nachteil, der dem Aktionär durch die Entziehung des Mehrstimmrechts entsteht, ist auszugleichen. Denn nur soweit das Vermögen des Aktionärs durch den Entzug des Mehrfachstimmrechts beeinträchtigt wird, erweist sich die Pflicht zur Zahlung eines Ausgleichs und der damit verbundene Eingriff in das Vermögen der Gesellschaft und der übrigen Aktionäre als gerechtfertigt.

(1) § 5 EGAktG sieht in seiner nunmehr geltenden Fassung (anders noch der Vorentwurf; vgl. BT-Drucks. 13/9712 S. 10) dem Grunde nach eine Ausgleichspflicht ohne Rücksicht auf die Umstände vor, die zur Gewährung der Mehrstimmrechte geführt haben. Ob die von der Bundesregierung ursprünglich vorgeschlagene anderslautende Regelung (vgl. dazu § 5 EGAktG i.d.F. des Regierungsentwurfs eines Art. 10 KonTraG) verfassungsgemäß gewesen wäre (zum Streitstand vgl. Hüffer § 12 Rn. 13; siehe auch die Gegenäußerung der Bundesregierung BT-Drucks. 13/9712 S. 36/37), kann dahinstehen (zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit des geltenden Rechts vgl. MünchKommAktG/Heider § 12 Rn. 46).

(2) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Aktie in ihren mitgliedschaftsrechtlichen und vermögensrechtlichen Elementen gesellschaftsrechtlich vermitteltes Eigentum. Als Vermögensrecht genießt sie den Schutz von Art. 14 GG (vgl. BVerfGE 14, 263/276, 277; 25, 371/407; 50, 290/342; Maunz/Dürig/Papier GG Art. 14 Rn. 193). Der vermögensrechtliche Charakter der Aktie kann allerdings nicht vom mitgliedschaftsrechtlichen Charakter getrennt werden. Der eigentumsrechtliche Schutz des in der Aktie verkörperten Anteilseigentums erstreckt sich deshalb auch auf die mitgliedschaftsrechtliche Stellung des Aktionärs, die das Aktieneigentum vermittelt (vgl. BVerfGE 14, 263/285; ferner das von der Antragsgegnerin vorgelegte Rechtsgutachten Badura Anlage AG 37 S. 13). Zumindest mit Rücksicht auf das mit ihm verbundene Vermögensinteresse genießt das Stimmrecht daher den Schutz des Grundgesetzes. Ob ihm - abstrakt gesehen - weitergehender Schutz zuzubilligen ist (so wohl Zöllner/Noack AG 1991, 157/158; Zöllner/Hanau AG 1997, 206/207; Lutter AG 1997 Sonderheft 52/55; ferner die von der Antragsgegnerin vorgelegte Abhandlung von Hering/Olbrich zfbf 2001,,20/25 - Anlage AG 35; ähnlich Saenger ZIP 1997, 1813/1818; a.A. Claussen AG 1996, 481/492, 493; Kluth ZIP 1997, 1217/1223; vgl. ferner Maunz/Dürig/Papier Art. 14 Rn. 56: Schutz aller vermögenswerten Rechtspositionen des Privatrechts; BVerfGE 83, 201/208, 209: Schutz aller vermögenswerten Rechte, die dem Berechtigten von der Rechtsordnung in der Weise zu geordnet sind...), kann im vorliegenden Falle dahinstehen. Bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) ist jedenfalls das Gebot der gerechten Abwägung der Interessen aller Beteiligten zu beachten. Eine einseitige Bevorzugung oder Benachteiligung wäre mit der verfassungsrechtlichen Vorstellung eines sozialgebundenen Eigentums nicht in Einklang zu bringen. Die schutzwürdigen Interessen der Beteiligten sind in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis zueinander zu bringen (maunz/Dürig/Papier Art. 14 Rn. 303 m. w. N.). Daher sind, auch wenn man unterstellt, dass die Mehrstimmrechte der Antragstellerin auch als bloße Mitgliedschaftsrechte insgesamt den Schutz des Art. 14 GG genießen, bei der Frage der Verpflichtung zur Zahlung eines Ausgleichs für den Entzug auf der anderen Seite auch die verfassungsrechtlich geschützten Vermögensinteressen der Antragsgegnerin (zum Eigentumsschutz bei juristischen Personen des Privatrechts vgl. Art. 19 Abs. 3; Maunz/ Dürig/Papier Art. 14 Rn. 215) und ihrer Stammaktionäre zu beachten. Würde man der Antragstellerin für vermögensrechtlich bedeutungslose Stimmrechte einen Anspruch auf finanziellen Ausgleich durch die Antragsgegnerin zubilligen, läge darin ein inadäquater Eingriff in verfassungsrechtlich geschützte Positionen der Antragsgegnerin und ihrer Stammaktionäre. Der vermögenswirksamen Ausgleichsleistung stünde kein Äquivalent im Vermögen der Gesellschaft gegenüber.

Anderes lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass hier die Beseitigung der Mehrstimmrechte in der Hand der Hauptversammlung, d.h. auch der Stammaktionäre, lag. Denn die Ausgleichspflicht wäre auch eingetreten, wenn die Mehrstimmrechte am 1.6.2003 von Gesetzes wegen erloschen wären (§ 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 EGAktG).

cc) Diese Auslegung des § 5 EGAktG stimmt mit den Vorstellungen des Gesetzgebers überein (s. oben aa) und ist auch mit einer wirtschaftlichen Sichtweise vereinbar. Zwar konstatiert der gerichtlich bestellte Sachverständige § (vgl. Gutachten vom Juli 2000; Ergänzungsgutachten vom Juli 2001), es herrsche in der wissenschaftlichen Literatur "große Einigkeit", dass ein Stimmrecht grundsätzlich einen positiven Wert besitze. Theoretische Modelle erklärten diesen Wert aus den (möglichen) besonderen Vermögensvorteilen ("privaten Zahlungen") im Zusammenhang mit diesen Stimmrechten, die z.B. aus Synergieoptionen, Prämien bei Übernahmen u.a. herrühren könnten. In seinem Gutachten vom Juli 2000 verweist der Sachverständige in diesem Zusammenhang auch darauf, dass Stimmrechte bei drohenden Unternehmensübernahmen wertvoll seien, wenn sie zu einem hohen Preis an eine der Parteien verkauft werden könnten, die die Kontrolle über das Unternehmen anstrebten. Bereits aus dem soeben Ausgeführten ergibt sich aber, dass ohne weiteres auch Fälle denkbar sind, in denen solche (möglichen) Vermögensvorteile ("Optionen auf private Zahlungen") aus bestimmten Gründen ausgeschlossen erscheinen. So kann - durchaus unter Beachtung der vom BGH formulierten Grenzen möglicher Vinkulierung (vgl. BGH WM 1,987, 174/175) - die Übertragung von Aktien und den mit ihnen verbundenen Stimmrechten im Ergebnis so erschwert sein, dass "private Zahlungen" realistischerweise nicht zu erlangen sind. Gleiches könnte gelten, wenn die zu verwertenden Stimmrechte bei einer Abstimmung etwa über die Übernahme des Unternehmens in keiner Weise ins Gewicht fielen. Auch aus wirtschaftlicher Sicht muss daher den Stimmrechten nicht von vorneherein ein positiver Vermögenswert zukommen.

dd) Ist aber ein Vermögensmehrwert Voraussetzung, des Ausgleichsanspruchs, so kann ein solcher Ausgleich nur zugesprochen werden, wenn zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass unter Berücksichtigung aller Umstände im Zeitpunkt des Entzugs der Mehrstimmrechte ein solcher Wert vorhanden war. Im vorliegenden Fall kann der Senat nicht die Überzeugung gewinnen, dass den Vorzugsaktien aufgrund der Mehrstimmrechte ein höherer Vermögenswert zukam. Dabei ist davon auszugehen, dass die Vorzugsaktien der Antragstellerin ohnehin den Wert gewöhnlicher Stammaktien mit einfachem Stimmrecht hatten, da ein Anspruch auf Umtausch in solche Aktien bestand. Es müssten daher hinreichende Anhaltspunkte vorhanden sein, die die Annahme rechtfertigen, die Vorzugsaktien hätten aufgrund des mit ihnen verbundenen Mehrstimmrechts einen höheren Verkehrswert besessen als gewöhnliche Stammaktien. Dies ist nicht der Fall.

(1) Das Marktgeschehen bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass den Mehrstimmrechten auf Seiten der Antragstellerin ein solcher Wert beizumessen wäre.

Zunächst könnte, unter Übertragung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Bestimmung eines angemessenen Ausgleichs bzw. einer angemessenen Abfindung im Falle eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages (vgl. BVerfGE 100, 289/307 ff.), im Grundsatz der Wert aus der Entwicklung des Börsenkurses ermittelt werden. Diese Möglichkeit scheidet aber hier aus. Ein Marktpreis im Wortsinn hat sich für die hier verfahrensgegenständlichen Vorzugsaktien niemals bilden können. Die Aktien wurden weder an der Börse gehandelt, noch hat jemals überhaupt ein freier Handel mit den Aktien (und den damit verbundenen Stimmrechten) stattgefunden. Die Antragstellerin hat Vorzugsaktien nach eigenem Vortrag nie verkauft, sondern lediglich in Einzelfällen einen Umtausch der wirtschaftlich einzelnen Treugebern zuzurechnenden Papiere 1: 1 in Stammaktien vermittelt. Der hierbei erzielte Ertrag ist, wie der Sachverständige S bei seiner Anhörung im Termin vom 7.12.2000 nachvollziehbar ausgeführt hat, nicht repräsentativ. Es ist daher kein Marktwert der Vorzugsaktien festzustellen, weder in dem Sinn, dass er lediglich dem Wert der Stammaktien entsprochen hätte, noch in dem Sinn, dass er den Wert der Stammaktien überstiege, was allein die Festsetzung eines Ausgleichs erlauben würde.

Ein Mehrwert der Vorzugsaktien kann auch nicht indirekt über gesicherte Marktreaktionen bei den Stammaktien als Folge der Beseitigung der Mehrstimmrechte festgestellt werden. Der gerichtlich bestellte Sachverständige S hat in seinem Gutachten vom Juli 2000 den Versuch unternommen, unverzerrte und spezifische Marktreaktionen auf die Beseitigung der Mehrstimmrechte zu ermitteln. Er hat die Kursreaktionen der Stammaktie überprüft, ohne indessen hieraus zielführende Aufschlüsse gewinnen zu können. Aufgrund der kleinen Zahl der Mehrstimmrechtsaktien im Vergleich zu den Stammaktien und der daraus abgeleitet, allenfalls geringen resultierenden Kursreaktion sei der Nachweis eines positiven Wertes der Stimmrechte realistischerweise auch nicht zu erwarten gewesen, zumal im Untersuchungszeitraum auch andere börsenrelevante Informationen veröffentlicht worden seien, die eine aus der Abschaffung der Mehrfachstimmrechte herrührende mögliche Kursreaktion konterkariert haben könnten. Die Volatilität der Aktie sei im maßgebenden Zeitraum schlicht zu groß gewesen. Dies ist überzeugend, wobei letztlich dahinstehen kann, wann genau die Öffentlichkeit innerhalb der Zeitspanne zwischen Anfang Dezember 1998 und der verfahrensgegenständlichen Hauptversammlung erstmals von der Absicht der Verwaltung der Antragsgegnerin informiert wurde, die Mehrfachstimmrechte entschädigungslos zu beseitigen. Die Tabellen 5.3 (Unternehmensschlagzeilen zwischen November 1998 und Januar 1999) und 5.4 (Kursschwankungen der Stammaktien der Antragsgegnerin 1998 bis 2000) des Gutachtens sprechen eine eindeutige Sprache. Kursbewegungen der Stammaktie der Antragsgegnerin in der vom Sachverständigen als Reaktion auf die Beseitigung der Mehrstimmrechte rechnerisch erwarteten Größenordnung von etwa 1,55 EUR sind in keiner Weise ungewöhnlich.

Letztlich lässt auch die Entstehungsgeschichte der verfahrensgegenständlichen Vorzugsaktien Rückschlüsse auf den Marktwert der Stimmrechte und damit der Vorzugsaktien nicht zu (zum Kriterium der Entstehungsgeschichte vgl. BT-Drucks. 13/10.038 S. 28). Insbesondere sind seitens der Vorzugsaktionäre besondere Leistungen zugunsten der Antragsgegnerin als Gegenwert für die Mehrstimmrechte nicht erbracht worden. Solche Leistungen sind zwar keinesfalls Voraussetzung für die Ausgleichspflicht der Antragsgegnerin. Sie könnten aber als Indiz für eine Bewertung in Betracht zu ziehen sein (vgl.. dazu Hüffer § 12 Rn. 14: "Abwägungsfaktor"). Soweit die Vorzugsaktionäre im Zusammenhang mit der Umwandlung ihrer Aktien in Mehrstimmrechtsaktien auch Rechtsnachteile in Kauf nehmen mussten, stellte dies von Anfang an keine ausgleichsfähige Gegenleistung dar, weil die Inhaber der Vorzugsaktien schon damals berechtigt waren, jederzeit die Rückumwandlung ihrer Vorzugsaktien in Stammaktien zu verlangen (vgl. § 4 der Satzung der Antragsgegnerin i.d.F. v. 23.4.1942). Im übrigen wäre eine solche Gegenleistung zumindest jetzt schon dadurch ausgeglichen, dass die Hauptversammlung der Antragsgegnerin am 18.2.1999 (auch) die Rückumwandlung der Vorzugsaktien in Stammaktien beschlossen hat (siehe dazu oben 2 a).

(2) Auch anhand anderer objektiver Gegebenheiten lässt sich nicht feststellen, dass Stimmrechten ein wirtschaftlicher Wert zuzumessen wäre.

A schlägt in seiner von der Antragsgegnerin vorgelegten gutachtlichen Stellungnahme vom 27.9.2000 einen alternativen Ansatz vor, wonach der Wert von Stimmrechten unter besonderer Berücksichtigung von Liquiditätsunterschieden zwischen den verschiedenen Aktienkategorien berechnet werden soll. Er kommt über eine Auswertung der durchschnittlichen Emissionskurse börsennotierter und nicht börsennotierter Gesellschaften zu dem Ergebnis, dass der Basiswert "prinzipiell nicht handelbarer" Mehrstimmrechtsaktien nur bei etwa 10 % des Wertes börsennotierter Stammaktien liegt. Seines Erachtens spricht vieles dafür, dass durch die Zuerkennung von Mehrstimmrechten den Vorzugsaktionären kein besonderer Wertvorteil gewährt werden sollte.

Wiederum einen anderen Ansatz wählt die ebenfalls von der Antragsgegnerin vorgelegte Abhandlung von B, die einen Ertragswert der Mehrstimmrechtsaktien aus wertpapierspezifischen Zahlungen ermitteln will.

Beide Ansätze sind vom Ergebnis her nicht geeignet, im vorliegenden Fall einen wirtschaftlichen Wert der verfahrensgegenständlichen Mehrstimmrechte im Sinne eines vermögensrechtlich fassbaren Mehrwerts zugunsten der Antragstellerin zu begründen. Sie erscheinen dem Senat im übrigen im Anschluss an die Ausführungen des Sachverständigen S (vgl. Gutachten vom November 2000 sowie Gutachten vom Juli 2001) nicht überzeugend. Gleiches gilt für andere Versuche einer 1 'objektiven" Wertableitung. Der Senat folgt insoweit dem von der Antragstellerin vorgelegten Gutachten C vom 26.3.1999, demzufolge sich der durch die Mehrstimmrechte vermittelte "Machtzuwachs" einer objektiven (Wert-)Ableitung faktisch entzieht. C weist ferner darauf hin, dass nach dortigen Literaturrecherchen praxisrelevante mathematische Modelle für die objektive Ableitung eines besonderen Wertes von Mehrstimmrechten nicht verfügbar sind.

(3) Es bleibt damit nur der in der juristischen Fachliteratur (vgl. MünchKommAktG/Heider § 12 Rn. 44; differenzierend nunmehr Hüffer § 12 Rn. 14) ablehnend kommentierte Versuch, aus der Marktbewertung von stimmberechtigten (Stamm-)Aktien und stimmrechtslosen (Vorzugs-)Aktien anderer Gesellschaften Rückschlüsse auf den Wert eines Stimmrechts der verfahrensgegenständlichen Vorzugsaktien zu ziehen. Diesen Weg über das sogenannte Vergleichswertverfahren haben die vorgerichtlich tätigen Gutachter A und D wie auch der vom Landgericht bestellte Sachverständige S gewählt. Hierbei ist mit dem Sachverständigen S davon auszugehen, dass die Betrachtung einzelner Präzedenzfälle (hier insbesondere: RWE, VEW, Daimler-Benz) nicht weiterführt. Jeder dieser Fälle ist durch sehr spezifische, individuelle Besonderheiten gekennzeichnet, die keine direkte Übertragung der gewonnenen Erfahrungen auf andere Gesellschaften erlauben (Gutachten S vom Juli 2000). Dem Senat erscheint es von daher sehr plausibel, wenn der Sachverständige S ein möglichst umfassendes "Vergleichsportefeuille" für seine Untersuchung heranzieht. Bis zu diesem Punkt folgt der Senat daher dem Ansatz des Sachverständigen. Auch die von ihm ermittelten Ergebnisse zieht der Senat nicht in Zweifel.

Bei einer Bewertung der gewonnenen Ergebnisse kann es mit Blick auf die hier relevante Fragestellung, ob mit den Mehrstimmrechten ein fassbarer Vermögensmehrwert für die Antragstellerin verbunden war, allerdings nicht allein oder entscheidend darauf ankommen, welche "Stimmrechtsprämien" der Sachverständige bei seiner Untersuchung im Durchschnitt oder als Median feststellen konnte. Es geht vielmehr zunächst einmal darum, ob die gewonnenen Ergebnisse in ihrer Gesamtheit die Überzeugung (vgl. dazu Bassenge/Herbst/Roth FGG/RPflG 9. Aufl. § 12 FGG Rn. 7) zu begründen vermögen, dass den konkret zu beurteilenden Mehrstimmrechten mit hinreichend hoher Wahrscheinlichkeit (vgl. BayObLG FamRZ 1992, 1206) ein Vermögenswert für die Antragsteller zukam, d.h. ob ihr Vorhandensein geeignet war, den Wert der Vorzugsaktien, an die sie gebunden waren, über das bereits gegebene Niveau hinaus positiv zu beeinflussen. Dies ist vorliegend gerade nicht der Fall. Die vom Sachverständigen ermittelten Ergebnisse belegen nämlich, dass es stimmrechtslose Aktien am Markt gibt, die vom Markt höher gehandelt werden als die entsprechenden Aktien mit Stimmrecht. Zu verweisen ist hier auf die Tabelle 4.2 des Gutachtens vom Juli 2000 (Stimmrechtsprämien im Zeitablauf) wie auch die besonders aussagekräftige Tabelle 4.6 (Stimmrechtsprämien für rege gehandelte Vorzugs- und Stammaktien). Daraus kann zwar keinesfalls der Schluss gezogen werden, dass Stimmrechte mitunter sogar negativ bewertet würden. Gleichwohl gibt es offensichtlich Bewertungsfaktoren, die das Stimmrecht in seiner wertbildenden Funktion für die Aktie teilweise oder sogar vollständig "überlagern" können. Insoweit kommt nach Auffassung des Senats vor allem der Faktor Liquidität in Betracht, der bei einigen Werten eine etwa vorhandene "Stimmrechtsprämie" geradezu zu marginalisieren scheint, zumal der "Dividendenprämie" bei Vorzugsaktien zumindest im hier überprüften Zeitraum größeres Gewicht offensichtlich nicht beigemessen werden kann (vgl. dazu Gutachten S vom Juli 2000; ferner Gutachten A). Bestätigt wird dies etwa am Beispiel der nicht verfahrensgegenständlichen SAP-Vorzugsaktie, die - wie aus der Presse allgemein bekannt - als DAX-Wert bis zuletzt deutlich höher gehandelt wurde als die stimmberechtigte, aber nicht im DAX gelistete SAP-Stammaktie. Gilt dies aber schon im Verhältnis eines stimmrechtslosen DAX-Vorzugswertes zu der immerhin gleichfalls börsennotierten, mit Stimmrecht versehenen Stammaktie desselben Unternehmens, so kann dieser Gesichtspunkt erst recht im Verhältnis des hochliquiden, in vielen bedeutenden Indices weltweit gelisteten Stammpapiers der Antragsgegnerin zu der verfahrensgegenständlichen, nicht börsengehandelten, fast illiquiden Mehrstimmrechts-Vorzugsaktie zum Tragen kommen. Ein "Mehrwert", den die Vorzugsaktie im Hinblick auf das ihr zugeordnete Mehrstimmrecht aufgewiesen haben könnte, ist unter diesen Voraussetzungen nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar.

(4) Eine Schätzung (vgl. BGH ZIP 2001, 734) auf der Basis des vom Sachverständigen S ermittelten Durchschnitts- oder Medianwertes scheidet ebenfalls aus. Sie würde unter den gegebenen Umständen völlig "in der Luft hängen", zumal es hier wie dargelegt um die Klärung der Vorfrage geht, ob durch den Entzug der Mehrstimmrechte überhaupt ein Eingriff in das Vermögen der Antragstellerin im Sinne einer Vermögensminderung stattgefunden hat (vgl. dazu Zöller/Greger ZPO 23. Aufl. § 287 Rn. 3 und 4; Thomas/Putzo ZPO 24. Aufl. § 287 Rn. 10).

ee) Im Ergebnis kann der Antragstellerin aus diesem Grunde ein Ausgleich nicht zugesprochen werden. In einem Spruchverfahren der vorliegenden Art gilt zwar das Amtsermittlungsprinzip (§ 5 Abs. 5 EGAktG i.V.m. § 306 Abs. 2, § 99 Abs. 1 AktG; § 12 FGG). Dessen ungeachtet sind auch hier Fallgestaltungen denkbar, in denen ein Sachverhalt trotz Ausschöpfens aller in Betracht zu ziehenden Erkenntnisquellen nicht näher aufklärbar ist. In solchen Fällen ist nach der Feststellungslast zu entscheiden. Sie ergibt, zu wessen Lasten die Nichtaufklärbarkeit einer entscheidungserheblichen Tatsache geht (vgl. Bassenge § 12 FGG Rn. 2). In Antragsverfahren der hier vorliegenden Art trägt jeder Beteiligte unabhängig von seiner Stellung im Verfahren nach Maßgabe des materiellen Rechts die Feststellungslast für die Tatsachen, die das von ihm beanspruchte Recht begründen (BayObLG NJW-RR 1992, 1219; Keidel/Kayser FGG 14. Aufl. § 12 Rn. 191; Keidel/Schmidt § 15 Rn. 66; Bassenge u.a. aaO). Der Antragstellerin obliegt deshalb die Feststellungslast bezüglich der Voraussetzungen ihres Anspruchs auf einen angemessenen Ausgleich für die beseitigten Mehrstimmrechte, mithin also auch für die durch den Entzug der Stimmrechte eingetretene Vermögensminderung. Da ein Nachweis in diesem Sinn nicht zu führen war, kann ein Ausgleich nicht festgesetzt werden.

d) Mangels eines Ausgleichs ist auch eine Verzinsung gemäß § 5 Abs. 6 Satz 2 EGAktG nicht festzusetzen.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 5 Abs. 5 EGAktG i. V.m. § 306 Abs. 7 Satz 7, Abs. 2, § 99 Abs. 1 AktG, § 13a Abs. 1 FGG (vgl. Hüffer § 306 Rn. 21 und 22). Die nach der gesetzlichen Regelung erforderliche Billigkeitsentscheidung führt wie im Regelfalle unter Beachtung des Rechtsgedankens des § 306 Abs. 7 Satz 7 AktG auch hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten zur Kostenbelastung der Antragsgegnerin. Der Vorwurf, die Antragstellerin habe sich im vorliegenden Fall prozessual treuwidrig verhalten, ist nicht haltbar (s.o.).

2. Bei der Festsetzung des Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren (vgl. § 306 Abs. 7 Satz 6 AktG, § 30 Abs. 1 KostO) war zu berücksichtigen, dass beide Beteiligten Rechtsmittel eingelegt haben und dass der Antrag auf Festsetzung eines angemessenen Ausgleichs unter Aufhebung des in erster Instanz ergangenen Beschlusses als unbegründet abgewiesen werden musste. In Fällen dieser Art knüpft der Geschäftswert daran an, in welchem Umfang der Antragsteller einen Ausgleich für seine Stimmrechte erstrebt hat (BayObLGZ 1991, 84/89; 2002 Nr. 32). Auch die Bedeutung des Verfahrens für beide Beteiligte, die Schwierigkeiten der Sach- und Rechtslage sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragsgegnerin können berücksichtigt, werden (vgl. OLG Düsseldorf AG 1998, 236/238). In Abwägung all dieser Umstände und unter besonderer Berücksichtigung der Wertvorstellungen der Antragstellerin, die in der Beschwerdebegründung zum Ausdruck kommen, erscheint nach Auffassung des Senats ein Geschäftswert in Höhe von 40 Mio. EUR für das Beschwerdeverfahren als angemessen. Auf diesen Betrag war auch der Geschäftswert des Verfahrens erster Instanz abzuändern (§ 31 Abs. 1 Satz 2 KostO). Damit erledigt sich das Rechtsmittel der Antragsgegnerin gegen die Geschäftswertfestsetzung des Landgerichts.

Ende der Entscheidung

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