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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 13.03.2002
Aktenzeichen: 3Z BR 371/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 328 Abs. 1 Nr. 2
Ein Scheidungsantrag kann durch ein ausländisches Gericht nicht rechtzeitig zugestellt sein, wenn der Antragsteller den unbekannten Aufenthaltsort seiner Ehefrau nicht ermittelt, obwohl er ihn hätte relativ leicht ermitteln und dem Gericht mitteilen können.
Gründe:

I.

Der Antragsteller, ein jugoslawischer Staatsangehöriger, hat mit der Antragsgegnerin, einer kroatischen Staatsangehörigen, am 16.2.1996 in Würzburg die Ehe geschlossen. Die Parteien, die ihren gemeinsamen ehelichen Wohnsitz in Würzburg hatten, leben nach der Behauptung des Antragstellers seit Anfang April 2000, nach der Behauptung der Antragsgegnerin seit März 2001 getrennt.

Auf Antrag des Antragstellers wurde durch Urteil des Zweiten Gemeindegerichts Belgrad (Bundesrepublik Jugoslawien) vom 20.11.2000, Az. 2995/2000, die Scheidung der Ehe ausgesprochen. Die Antragsgegnerin war im Verfahren durch einen jugoslawischen Rechtsanwalt vertreten, den das Gericht als Pfleger für einzelne besondere Angelegenheiten bestellt hatte, da der Antragsteller dem Gericht gegenüber angegeben hatte, die Antragsgegnerin sei unbekannten Aufenthalts. Das Urteil wurde am 20.11.2000 nach Rechtsmittelverzicht von Seiten des Antragstellers und des Verfahrenspflegers für die Antragsgegnerin rechtskräftig.

Der Antragsteller beantragte am 23.4.2001 die Anerkennung des Scheidungsurteils. Die Präsidentin des Oberlandesgerichts München hat am 23.10.2001 diesen Antrag zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsteller. Er beantragt, die Entscheidung aufzuheben und seinem Antrag auf Anerkennung des Scheidungsurteils stattzugeben. Er trägt vor, ihm sei nur bekannt gewesen, dass die Antragsgegnerin im April 2000 mit unbekannter Adresse nach Kroatien gegangen sei. Erst im Dezember 2000 habe er von ihrer aktuellen Anschrift erfahren. Aus dem Schreiben der Antragsgegnervertreter vom 9.8.2000, in welchem er u.a. zur Zahlung von Unterhalt aufgefordert worden sei, habe er nur ersehen können, dass sich die Antragsgegnerin zur Unterzeichnung der Prozessvollmacht in Würzburg aufgehalten und unter der Adresse der Schwiegereltern mit dem Arbeitsamt korrespondiert habe.

Die Antragsgegnerin bestreitet diese Darstellung. Sie trägt vor, sie habe dem Antragsteller bereits nach ihrer ersten Trennung Ende Februar 2000 ihre neue Adresse im Anwesen ihrer Eltern mitgeteilt. Zusätzlich habe sie ihm über ihre Verfahrensbevollmächtigten im Verfahren wegen Trennungsunterhalt in Kopie ihren Arbeitslosengeldbescheid vom 26.7.2000 übermittelt, aus welchem ihre Wohnanschrift hervorgegangen sei; der Antragsteller habe darauf mit Schreiben vom 12.8.2000 reagiert. Ihm sei ihr Aufenthalt stets bekannt gewesen. Nach einer Versöhnung im September 2000 habe man noch ein halbes Jahr in der Ehewohnung zusammengelebt, bis die endgültige Trennung im März 2001 erfolgt sei. Ihr seien weder die Antragsschrift noch eine Ladung zugegangen.

II.

Der Antrag auf Entscheidung durch das zuständige Bayerische Oberste Landesgericht (Art. 7 § 1 Abs. 6 Satz 2 FamRÄndG, 199 Abs. 1 FGG, Art. 11 Abs. 3 Nr. 3 AGGVG) ist statthaft (Art. 7 § 1 Abs. 5 Satz 1 FamRÄndG) und auch im übrigen zulässig. Er ist jedoch unbegründet. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Anerkennung des Urteils des Gemeindegerichts Belgrad vom 20.11.2000 liegen nicht vor.

1. Die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die von dem Antragsteller beantragte (Art. 7 § 1 Abs. 3 Satz 1 FamRÄndG) Anerkennung sind gegeben. Insbesondere hat der Antragsteller ein rechtliches Interesse (Art. 7 § 1 Abs. 3 Satz 2 FamRÄndG) an der Anerkennung. Eine Anerkennung des ausländischen Urteils ist nur dann nicht erforderlich, wenn das anzuerkennende Scheidungsurteil durch das Gericht eines Staates ausgesprochen worden ist, welchem zur Zeit der Entscheidung beide Ehegatten angehört haben (Art. 7 § 1 Abs. 1 Satz 3 FamRÄndG); dies ist hier nicht der Fall.

2. Es fehlen aber die sachlichen Voraussetzungen für eine Anerkennung.

a) Diese ergeben sich, da es sich um ein ausländisches Urteil handelt, aus der allgemeinen Regelung in § 328 Abs. 1 ZPO. Danach kann ein ausländisches Ehescheidungsurteil mit Wirkung für das Inland nur anerkannt werden, wenn keiner der in § 328 Abs. 1 ZPO aufgezählten Hinderungsgründe vorliegt (vgl. ObLGZ 1987, 439/440; BayObLG FamRZ 1990, 650; BayObLGZ 1999, 211/213). Hier steht der Anerkennung der Ausschließungsgrund des § 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO entgegen. Nach dieser Vorschrift ist die Anerkennung eines ausländischen Urteils ausgeschlossen, wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat und sich hierauf beruft, das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht ordnungsmäßig oder nicht so rechtzeitig zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte. Es kann dahinstehen, ob der Antragsgegnerin der Scheidungsantrag überhaupt zugestellt worden ist, nachdem der Antragsteller bisher keinen Zustellungsnachweis vorgelegt hat, und ob die Zustellung nach der Bestellung eines Verfahrenspflegers zur Vertretung der Antragsgegnerin im Scheidungsverfahren überhaupt an die zutreffende Person erfolgt ist. Denn jedenfalls fehlt es an der Rechtzeitigkeit.

b) Es entspricht herrschender Meinung und Rechtsprechung, dass § 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO eine Zustellung verlangt, welche dem jeweiligen Beklagten die zu seiner Verteidigung notwendige Zeit gewährleistet (vgl. Thomas/Putzo ZPO 23. Aufl. § 328 Rn. 12 a; Kropholler Europäisches Zivilprozeßrecht 6. Aufl. Art. 27 EuGVÜ Rn. 33; Stein/Jonas/Roth ZPO 21. Aufl. § 328 Rn. 115). Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, wobei grundsätzlich der Zeitraum erst zu laufen beginnt, wenn der Adressat von dem zugestellten Schriftstück Kenntnis nehmen konnte vgl. Schlosser EuGVÜ Art. 27 Rn. 17; Kropholler Art. 27 Rn. 36; BGH IPrax 1993, 325/326). Deshalb wird teilweise die Ansicht vertreten, dass eine Ersatzzustellung, auch wenn diese unter Einhaltung der Prozessordnung erfolgt ist, niemals rechtzeitig sein kann (vgl. Schlosser aaO). Ob dieser Gedanke auf die Zustellung an einen vom Gericht für den Adressaten bestellten Zustellungsbevollmächtigten oder Verfahrenspfleger übertragen werden kann, braucht nicht entschieden zu werden. Denn auch abgesehen hiervon ergibt die Würdigung der Umstände, dass eine rechtzeitige Zustellung des Scheidungsantrages an die Antragsgegnerin nicht erfolgt ist.

c) Der wertausfüllungsbedürftige Begriff "rechtzeitig" verlangt eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls. Zu berücksichtigen sind hierbei nicht nur Umstände, die vor der Zustellung liegen, sondern auch Umstände, die erst nach der Zustellung bekannt geworden sind (vgl. Schlosser aaO; OLG Koblenz RIW 1988, 476). Weiter ist bei der Gesamtwürdigung zu beachten, ob Kläger und Beklagter ein zumutbares Verhalten mit dem Ziel, eine rechtzeitige Zustellung zu fördern, an den Tag gelegt oder unterlassen haben (vgl. Schlosser aaO; Kropholler Art. 27 Rn. 36; BGH IPRax 1993,1 325/326). So ist beispielsweise von Bedeutung, ob ein Kläger den ihm unbekannten Aufenthaltsort des Beklagten unschwer hätte erfahren können, oder ob er nach bereits erfolgter Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes dem Gericht von einer ihm nach Zustellung bekannt gewordenen neuen Adresse des Beklagten Mitteilung gemacht hat, um dem Gericht ein weiteres ordnungsgemäßes Verfahren zu ermöglichen (vgl. Kropholler Art. 27 Rn. 37; OLG Koblenz IPRax 1992, 37). Auf der anderen Seite ist der Beklagte verpflichtet, unter Umständen dem Kläger seine neue Adresse mitzuteilen und dafür zu sorgen, dass zuzustellende Schriftstücke ihn auch erreichen (vgl. Kropholler Art. 27 Rn. 36 und 37).

d) Die Abwägung dieser der dem Antragsteller und der Antragsgegnerin jeweils zuzurechnenden Umstände ergibt, dass wegen des Verhaltens des Antragstellers eine rechtzeitige Zustellung des Scheidungsantrages an die Antragsgegnerin nicht erfolgt ist. Dem Antragsteller ist vorzuwerfen, dass er die rechtzeitige Kenntnisnahme der Antragsgegnerin vom Scheidungsantrag vorsätzlich verhindert hat. Bereits bei Einreichung seines Antrags hat er das jugoslawische Gericht getäuscht. Er hat behauptet, ihm sei der Aufenthalt seiner Ehefrau nicht bekannt, da diese mit unbekanntem Ziel aus der Ehewohnung in Deutschland verschwunden sei. Er hat aber gleichzeitig verschwiegen, dass er nähere Nachforschungen nach der Adresse der Antragsgegnerin unterlassen hatte und sich nicht einmal, was auf der Hand gelegen hätte, bei ihren Eltern und seinen Schwiegereltern nach dem Aufenthalt der Antragsgegnerin erkundigt hatte. Dies mindestens wäre seine Pflicht gewesen; ein vorsätzlich herbeigeführtes Nichtwissen durch mangelnde Erkundigung steht einer verschwiegenen positiven Kenntnis gleich. Außerdem wusste der Antragsteller spätestens seit dem 12.8.2000 aufgrund des dem Anwaltsschreiben beigefügten Bescheids über das von der Antragsgegnerin bezogene Arbeitslosengeld, dass sich die Antragsgegnerin bei den Schwiegereltern aufhielt. Ab diesem Zeitpunkt hat es der Antragsteller vorsätzlich unterlassen, dem jugoslawischen Gericht die nun bei ihm zweifelsfrei vorliegende Kenntnis vom Aufenthaltsort der Antragsgegnerin mitzuteilen, um das Gericht in die Lage zu versetzen, die Antragsgegnerin am Verfahren zu beteiligen. Die Vertretung durch den ohne Mitwirkung der Antragsgegnerin bestellten Verfahrenspfleger kann ihre eigene Einlassung und Beteiligung nicht ersetzen (vgl. Stein/Jonas/Roth § 328 Rn. 112; OLG Hamm FamRZ 1996, 178/179).

e) Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb geboten, weil die Antragsgegnerin ihrerseits durch das Schreiben des Antragstellers an den Antragsgegnervertreter einen Hinweis auf das in Jugoslawien anhängige Scheidungsverfahren erhalten hat. Weder stammte die Mitteilung vom Gericht selbst noch ergab sich aus ihr ein konkreter Anhaltspunkt zum Stand des Verfahrens, so dass von ihr ein Herantreten an das Gericht nicht verlangt werden konnte. Vielmehr durfte die Antragsgegnerin davon ausgehen, dass sie nun durch das jugoslawische Gericht zum verfahren herangezogen werden würde. Auch wenn das Schreiben einen Hinweis auf ihren angeblichen unbekannten Aufenthalt und die Bestellung eines Verfahrenspflegers enthielt, musste die Antragsgegnerin nicht mit einem weiteren prozesswidrigen Verhalten des Antragstellers rechnen, nachdem sie über ihren Verfahrensbevollmächtigten mit ihm in Verhandlungen stand. Vor allem aber war es in erster Linie Pflicht des Antragstellers, für eine Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes, den er verursacht hatte, zu sorgen, und die Täuschung des jugoslawischen Gerichts zu beenden, da nur dieses durch eine ordnungsgemäße Beteiligung der Antragsgegnerin am Verfahren die Verletzung des rechtlichen Gehörs hätte heilen können. Eine Aufklärung des jugoslawischen Gerichts hat der Antragsgegner bewusst unterlassen und darüber hinaus die Einlegung eines Rechtsmittels durch die Antragsgegnerin im weiteren Verlauf des Verfahrens vorsätzlich dadurch verhindert, dass er im Scheidungstermin vor dem jugoslawischen Gericht den ihm bekannten Aufenthaltsort weiterhin nicht offenbarte, selbst auf Rechtsmittel verzichtete und einem Rechtsmittelverzicht der Gegenseite nicht widersprach, obwohl er wusste, dass die Antragsgegnerin vom Scheidungstermin keine Kenntnis hatte.

f) Die Antragsgegnerin hat sich auch auf die fehlende Beteiligung am Scheidungsverfahren berufen, indem sie ihre fehlende Kenntnis von Antragsschrift und Ladung vorgetragen hat. Ob wegen der Täuschung des Antragstellers zusätzlich der Ausschließungsgrund des § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO vorliegt, kann dahinstehen, da die Anerkennung bereits an § 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO scheitert.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 7 § 2 Abs. 2 Satz 2 und 4 FamRÄndG und § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG. Wegen der offensichtlichen Unbegründetheit des Antrags waren dem Antragsteller die Kosten aufzuerlegen.

Ende der Entscheidung

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