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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 17.12.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 373/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1896 Abs. 2 Satz 2
Auch wenn eine allgemeine Generalvollmacht besteht, kann ein Betreuer für Aufgabenkreise, in denen der Bevollmächtigte wegen §§ 1904 Abs. 2, 1906 Abs. 5 BGB nicht tätig werden kann, bestellt werden.
Gründe:

I.

Mit Beschluss vom 18.7.2001 verfügte das Amtsgericht im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Betreuung der Betroffenen mit den Aufgabenkreisen, Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung und Entscheidung über die Unterbringung. Als vorläufige Betreuerin wurde eine Berufsbetreuerin bestellt. Die einstweilige Anordnung wurde bis 10.1.2002 befristet. Die Betroffene legte gegen die ergangene Entscheidung Beschwerde ein. Sie ließ eine notariell beurkundete Generalvollmacht vorlegen, nach der sie ihren Verfahrensbevollmächtigten zur Besorgung aller persönlichen und Vermögensangelegenheiten ermächtigte mit der Befugnis, für sie alle Rechtshandlungen vorzunehmen, bei welchen eine Stellvertretung gesetzlich zulässig ist. Das Landgericht hat die Beschwerde der Betroffenen mit Beschluss vom 12.9.2001 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Betroffenen.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Die weitere Beschwerde ist zulässig.

a) Die Betroffene ist als Erstbeschwerdeführerin, deren Beschwerde zurückgewiesen wurde, zur weiteren Beschwerde berechtigt (vgl. Bassenge/Herbst FGG/RPfl 8. Aufl. § 27 FGG Rn. 7).

b) Die gesetzlich vorgeschriebene Form der weiteren Beschwerde (§§ 29 Abs. 1 und 4, 21 Abs. 2 FGG) ist gewahrt, nachdem die Betroffene die weitere Beschwerde am 8.11.2001 nochmals zu Protokoll der Geschäftsstelle des Beschwerdegerichts eingelegt hat. Die Beschwerdeschrift der Betroffenen vom 17.10.2001, die den gesetzlichen Formerfordernissen nicht genügt hat, ist durch die später formgerecht eingelegte weitere Beschwerde wirkungslos geworden (vgl. Keidel/Schmidt FGG 14. Aufl. vor §§ 19 - 30 Rn. 13; BayObLGZ 1980, 344).

2. Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

a) Das Landgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

Aufgrund eines ärztlichen Zeugnisses müsse davon ausgegangen werden, dass bei der Betroffenen eine paranoide Schizophrenie bestehe, die dringend behandlungsbedürftig sei. Die Betroffene sei krankheitsuneinsichtig und verweigere die Einnahme von Medikamenten. Unter diesen Umständen sei die Bestellung einer vorläufigen Betreuerin dringend erforderlich. Auch im übrigen sei der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts nicht zu beanstanden, in dem festgestellt werde, dass die freie Willensbestimmung der Betroffenen krankheitsbedingt ausgeschlossen sei. Die Betroffene sei aufgrund ihrer Erkrankung nicht mehr in der Lage, in den im Beschluss genannten Aufgabenkreisen ihre Angelegenheiten selbst zu besorgen. Eine Vertretung der Interessen der Betroffenen sei bereits jetzt dringend erforderlich. Wegen Gefahr im Verzug sei für die Betroffene zunächst einmal eine Berufsbetreuerin bestellt worden. Über die Bestellung eines endgültigen Betreuers werde im Laufe des weiteren Verfahrens entschieden.

b) Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) stand.

aa) Kann ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so bestellt ihm das Vormundschaftsgericht einen Betreuer (§ 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Bestellung eines Betreuers gegen den Willen des Betroffenen setzt daneben voraus, dass der Betroffene aufgrund seiner Krankheit oder Behinderung seinen Willen nicht frei bestimmen kann (vgl. BayObLG FamRZ 1998, 454/455). Nach § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB darf ein Betreuer nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist. Dies bedarf für jeden einzelnen Aufgabenkreis der Konkretisierung (vgl. BayObLG aaO). Die Betreuung ist nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können (§ 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB). Durch einstweilige Anordnung kann das Gericht einen vorläufigen Betreuer bestellen, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers gegeben sind und mit dem Aufschub Gefahr verbunden wäre (§ 69f Abs. 1 FGG).

bb) Die Entscheidung des Landgerichts entspricht diesen Grundsätzen. Das Landgericht hat verfahrensfehlerfrei und damit für den Senat bindend (§ 27 Abs. 1 FGG, § 561 Abs. 2 ZPO) festgestellt, dass insbesondere wegen des vorliegenden ärztlichen Zeugnisses derzeit dringende Gründe dafür sprechen, dass die Voraussetzungen für eine Betreuerbestellung gegeben sind. Neue Tatsachen und Beweise hierzu können in der Rechtsbeschwerdeinstanz grundsätzlich nicht eingeführt werden; es gilt der festgestellte Sachverhalt zur Zeit des Erlasses der Entscheidung des Beschwerdegerichts (vgl. Keidel/Kahl § 27 Rn. 42, 43). Der Betroffene muss sich gegebenenfalls darauf verweisen lassen, bei dem Amtsgericht die Aufhebung der einstweiligen Anordnung zu beantragen (§ 18 FGG; vgl. Bassenge/Herbst § 69f FGG Rn. 12).

Verfahrensfehler des Landgerichts bei der Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts sind nicht ersichtlich. So hat das Landgericht rechtsfehlerfrei auf eine persönliche Anhörung der Betroffenen im Beschwerdeverfahren verzichtet, weil die Betroffene erst kurz zuvor vom Vormundschaftsrichter angehört worden war. Das Landgericht hatte keine Anhaltspunkte dafür, dass von einer erneuten Anhörung zusätzliche Erkenntnisse zu erwarten sein könnten (§ 69g Abs. 5 Satz 3 FGG).

Das Landgericht hat sich in seiner Entscheidung allerdings nicht damit auseinandergesetzt, dass die Betroffene, wie mit Schreiben vom 5.9.2001 angezeigt, einer Person ihres Vertrauens bereits im Mai 2001 Generalvollmacht zur Besorgung aller persönlichen und Vermögensangelegenheiten erteilt hatte. Im Ergebnis bleibt dies aber ohne Auswirkungen. Auch unter Berücksichtigung der erteilten Generalvollmacht ist die Erforderlichkeit der vorläufigen Betreuungsanordnung nicht in Zweifel zu ziehen (vgl. dazu Keidel/Kahl § 27 Rn. 50). Der Senat hat keine Bedenken, die vorgelegte Generalvollmacht als Vorsorgevollmacht auszulegen (vgl. BayObLG FamRZ 1996, 1370; Palandt/Diederichsen BGB 60. Aufl. vor § 1896 Rn. 7), die die Anordnung einer Betreuung in den Grenzen ihres Geltungsbereichs überflüssig machen kann (vgl. Palandt/Diederichsen § 1896 Rn. 11). Auch eine Generalvollmacht muss aber wie die Vorsorgevollmacht ausdrücklich klarstellen, dass sie sich auch auf medizinische oder freiheitsentziehende Maßnahmen wie Unterbringungsfälle erstrecken soll (§§ 1904 Abs. 2, 1906 Abs. 5 BGB; vgl. Palandt/Diederichsen vor § 1896 Rn. 7). Eine solche Klarstellung enthält die vorliegende Generalvollmacht nicht. Sie ermächtigt deshalb auch nicht zur Einwilligung in die vorbezeichneten Maßnahmen (vgl. Palandt/Diederichsen § 1904 Rn. 7, § 1906 Rn. 5) und kann demzufolge die auf entsprechende Aufgabenkreise (Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung) begrenzte vorläufige Betreuung nicht entbehrlich machen (vgl. OLG Düsseldorf BtPrax 1997, 162).

Soweit sich die Betroffene mit ihrer weiteren Beschwerde schließlich nicht nur gegen die Anordnung der vorläufigen Betreuung als solche, sondern auch gegen die Bestellung der vorläufigen Betreuerin wendet, sind Rechtsfehler des Landgerichts nicht ersichtlich. Insbesondere ergibt sich aus den Akten hinreichend deutlich, dass Angehörige der Betroffenen als vorläufige Betreuer nicht in Betracht gezogen werden konnten. Bei einer weiteren Entscheidung über die Betreuung der Betroffenen wird allerdings - sollte sich die Betreuung weiterhin als erforderlich erweisen - darauf zu achten sein, ob nunmehr Personen als Betreuer zur Verfügung stehen, die zur ehrenamtlichen Führung der Betreuung bereit sind (§ 1897 Abs. 5 BGB).

Ende der Entscheidung

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