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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 28.02.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 381/00
Rechtsgebiete: BRAGO, AktG


Vorschriften:

BRAGO § 10 Abs. 1
AktG § 306 Abs. 7
Zur Frage, wie der Gegenstandswert einer anwaltschaftlichen Tätigkeit in einem Spruchstellenverfahren zu bemessen ist, wenn der Aktienbesitz nicht von allen Antragstellern bekannt ist.
BayObLG Beschluss

LG Bayreuth KH O 111/90

3Z BR 381/00

28.02.01

Der 3.Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Schreieder und Dr. Nitsche am 28.Februar 2001

in dem Spruchstellenverfahren

auf die Beschwerden des Antragstellers zu 4 und der Antragsgegner zu 1 und 2

beschlossen:

Tenor:

I.. Auf die Beschwerden wird der Beschluss des Landgerichts Bayreuth vom 6.März 2000 dahin abgeändert, dass der Wert des Gegenstands der anwaltschaftlichen Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers zu 4 auf 2085000 DM und für die Verfahrensbevollmächtigten der übrigen Antragsteller auf je 935000 DM festgesetzt wird.

II. Im übrigen werden die Rechtsmittel zurückgewiesen.

Gründe

I.

1. Die Antragsteller sind Aktionäre der A-AG; deren frühere Mehrheitsaktionärin ist die B-AG. Die beiden Gesellschaften waren Antragsgegnerinnen eines Spruchstellenverfahrens. Sie hatten einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag geschlossen, in dem die A-AG die Leitung ihrer Gesellschaft der B-AG unterstellte und sich verpflichtete, ihren ganzen Gewinn an diese abzuführen. Die B-AG garantierte den außenstehenden Aktionären der A-AG als Ausgleich eine Ausschüttung von 10 DM für jede Aktie im Nennwert von 50 DM für jedes volle Geschäftsjahr. Außerdem verpflichtete sie sich, auf Verlangen eines außenstehenden Aktionärs der A-AG dessen Aktien gegen eine Barabfindung von 1625 DM pro Aktie im Nennwert von 50 DM zu erwerben.

Am 11.5.1994 wies das Landgericht die Anträge auf einen höheren Ausgleich, eine höhere Barabfindung und/oder auf die Festsetzung einer anderen Abfindungsart zurück. Hiergegen legten mehrere Antragsteller Beschwerde ein.

Am 10.4.1996 wurde über das Vermögen der B-AG das Konkursverfahren eröffnet, am 30.4.1996 über das der A-AG. Rechtsanwalt R wurde zum Konkursverwalter der A-AG, Rechtsanwalt F zu dem der B-AG bestellt.

Der Senat hat mit Beschluss vom 29.9.1998 (BayObLGZ 1998, 231) entschieden, dass die angemessene Barabfindung auf 2200 DM je Aktie mit einem Nennwert von 50 DM, nebst Zinsen ab 7.8.1990, festgesetzt werde und die Beschwerden im übrigen zurückgewiesen. Im Rubrum des Beschlusses waren als Antragsgegnerin zu 1 die A-AG vertreten durch den Konkursverwalter Rechtsanwalt R und als Antragsgegnerin zu 2 die B-AG vertreten durch den Konkursverwalter Rechtsanwalt F angegeben.

Mit Beschluss vom 10.12.1998 hat der Senat den Geschäftswert für das Verfahren der 1. Instanz auf 10500000 DM festgesetzt.

Darauf beantragten der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers zu 5 und der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin zu 6 und des Antragstellers zu 7 sowie der Konkursverwalter R die Feststellung des Werts der anwaltschaftlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller. Am 6.3.2000 hat das Landgericht den Gegenstandswert "hinsichtlich der Antragsteller auf jeweils 1050000 DM festgesetzt."

Im Rubrum dieses Beschlusses ist als Antragsgegner zu 1 Rechtsanwalt R als Konkursverwalter über das Vermögen der A-AG und als Antragsgegner zu 2 Rechtsanwalt F als Konkursverwalter über das Vermögen der B-AG bezeichnet. Hiergegen haben die beiden Konkursverwalter Beschwerden eingelegt. Nicht sie, sondern die A-AG und die B-AG seien Parteien des Verfahrens. Ferner habe das Landgericht den Streitwert zu Unrecht nach Kopfteilen bemessen; soweit die Antragsteller ihren Aktienbesitz nicht beziffert hätten, sei ein Aktienbesitz von je einer Aktie anzusetzen. Der Antragssteller zu 4 hat Beschwerde eingelegt mit der Begründung, das Landgericht habe über seinen Kostenfestsetzungsantrag vom 15.4.1999 nicht entschieden, weiter müsse der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit für den Antragsteller zu 4 auf mindestens 7000000 DM festgesetzt werden, da dieser insgesamt 2846 Aktien besitze.

II.

Das Rechtsmittel des Antragstellers zu 4 versteht der Senat dahin, dass der Antragsteller rügt, das Landgericht sei im Rahmen der Festsetzung des Gegenstandswerts auf die Angaben zum Aktienbesitz des Antragstellers nicht näher eingegangen und habe diese nicht berücksichtigt. Mit dem Ziel einer Entscheidung über den Kostenfestsetzungsantrag selbst wäre das Rechtsmittel unzulässig. Insoweit fehlte es an einer beschwerdefähigen Entscheidung des Landgerichts (vgl. Keidel/ Kahl FGG 14.Aufl. § 19 Rn. 8).

III.

Die Rechtsmittel sind zulässig, insbesondere sind die Beschwerdeführer beschwerdeberechtigt (§ 10 Abs. 3 Satz 4 BRAGO, § 20 FGG).

1. Durch die Bezeichnung als Antragsgegner werden die Konkursverwalter zu Beteiligten des Spruchstellenverfahrens und nicht nur zu Vertretern der jeweiligen Gemeinschuldnerinnen erklärt. Hierdurch ist jeder Konkursverwalter in seinen Rechten beeinträchtigt (§ 20 Abs. 1 FGG). Außerdem können sie durch eine nicht ordnungsgemäße Festsetzung der Gegenstandswerte beeinträchtigt sein, da die sich hieraus ergebenden Übersetzten Kosten der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller gegen sie geltend gemacht werden können (siehe auch IV).

2. a) Es kann dahinstehen, ob der Antragsteller zu 4 durch eine, wie hier geltend gemacht wird, zu niedrige Festsetzung des Gegenstandswerts in seinem Recht beeinträchtigt sein kann. Jedenfalls trifft dies auf seinen Verfahrensbevollmächtigten zu. Es ist davon auszugehen, dass das Rechtsmittel für den wahren Berechtigten, also den Verfahrensbevollmächtigten, eingelegt sein soll (vgl. BayObLG NJW-RR 2000, 990 m.w.N.).

b) § 20 Abs. 2 FGG steht der Zulässigkeit der Rechtsmittel nicht entgegen, obwohl keiner der Beschwerdeführer einen Antrag auf Feststellung des Werts der anwaltlichen Tätigkeit gestellt hat. Das Landgericht hat nämlich die von anderen Beteiligten gestellten Anträge nicht zurückgewiesen, sondern ihnen durch Festsetzung des Gegenstandswerts Folge gegeben, wenn auch nach Auffassung der Beschwerdeführer rechtlich unzutreffend, so dass § 20 Abs. 2 FGG nicht eingreift (vgl. BayObLGZ 1991, 235/237; Klausen FGG 2.Aufl. § 20 Rn. 22).

IV.

Die Rechtsmittel der Konkursverwalter sind nicht begründet, soweit sie sich dagegen wenden, als Beteiligte des Verfahrens im Rubrum aufgeführt zu sein.

Das Landgericht hat die Konkursverwalter zutreffend als Antragsgegner angesehen. Mit der Eröffnung der Konkurse waren nicht mehr die Gesellschaften, sondern deren Konkursverwalter Beteiligte des Verfahrens (BayObLGZ 1978, 209/212). Für beide Gemeinschuldnerinnen handelt es sich beim Spruchstellenverfahren um kein masseneutrales Verfahren, in dem die Gesellschaft, vertreten durch ihren Vorstand, Partei wäre (vgl. Hüffer AktG 4. Aufl. § 246 Rn. 29). Unabhängig davon ergibt sich die Stellung als Beteiligte im vorliegenden Verfahren zur Festsetzung des Gegenstandswerts aus Kostentragungspflicht gemäß dem rechtskräftigen Beschluss des Senats vom 29.9.1998 (BayObLGZ 1998, 231). Der Senat hat dort "den Antragsgegnerinnen", d.h. der A-AG und der B-AG, jeweils vertreten durch ihren Konkursverwalter die Pflicht zur Erstattung der Kosten beider Instanzen hinsichtlich mehrere Antragsteller auferlegt. Damit wurden, wie der Senat mit Beschluss vom 28.10.1999 in anderem Zusammenhang klargestellt hat, die Konkursverwalter, nicht die Gesellschaften erstattungspflichtig.

Die Beschwerden gegen die Festsetzung der Werte der anwaltschaftlichen Tätigkeit führen dazu, dass der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für den Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers zu 4 auf 2085000 DM und für die Verfahrensbevollmächtigten der übrigen neun Antragsteller auf je 935000 DM festgesetzt wird. Im übrigen werden die Rechtsmittel zurückgewiesen.

Der vom Senat am 10.12.1998 festgesetzte Geschäftswert ist nach § 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 BRAGO auch für die Rechtsanwaltsgebühren maßgebend, soweit sich der Gegenstand der gerichtlichen Tätigkeit mit dem der anwaltlichen Tätigkeit deckt. Diese Deckungsgleichheit ist im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben, weil sich an dem erstinstanzlichen Verfahren zehn Antragsteller beteiligt haben, deren Interessen nicht dem gesamten, für die Wertfestsetzung nach § 30 Abs. 1 KostO maßgebenden Geschäftsinteresse entsprechen. Unter diesen Umständen berechnen sich die Gebühren für die im Beschwerdeverfahren entfaltete anwaltliche Tätigkeit nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit ist vielmehr und zwar gemäß dem Antrag der Konkursverwalter als erstattungspflichtigen Gegnern (§ 10 Abs. 2 Satz 2 BRAGO) für alle Antragsteller, gemäß § 10 Abs.1 BRAGO gesondert festzusetzen. Er errechnet sich in der Weise, dass der für die Bemessung der Gerichtsgebühren festgesetzte Geschäftswert auf die antragstellenden Aktionäre aufgeteilt wird (BGH AG 1999, 181; BayObLGZ 1991, 84/86, jeweils m.w.N.).

Eine angemessene anteilige Zurechnung sollte grundsätzlich nach dem prozentualen Verhältnis bemessen werden, in dem der Aktienbesitz des Einzelnen zu dem aller antragstellenden Aktionäre steht. Da diese Feststellung aber in der Regel auf erhebliche Schwierigkeiten stößt, ist es zweckmäßig und geboten, grundsätzlich eine Aufteilung nach Kopfteilen vorzunehmen (BGH aaO; BayObLG aaO). Besitzt ein Antragsteller im Verhältnis zu den anderen Aktionären einen erheblichen höheren Teil der Aktien, ist die Aufteilung an dem Aktienbesitz auszurichten (BGH aaO).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ergeben sich folgende Gegenstandswerte:

1. Für den Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers zu 4 ist ein Gegenstandswert von 2085000 DM festzusetzen. Zum Zeitpunkt des Beschlusses des Landgerichts hielten die außenstehenden Aktionäre ungefähr 15000 Aktien, hiervon entfiel ein knappes Fünftel auf den Antragsteller zu 4. Entsprechend ist der Wort der Tätigkeit seines anwaltschaftlichen Vertreters auf ein knappes Fünftel des Geschäftswerts von 10500006 DM festzusetzen.

2. Für die Vertreter der übrigen Antragsteller hat es bei der Verteilung nach Kopfteilen zu verbleiben (vgl. BGH AG 1999, 181; BayObLGZ 1991, 84/89). Auf jeden der Anwälte entfällt ein Neuntel des "Restgeschäftswerts" von 8415000 DM, also ein Gegenstandswert von 935000 DM. Der Auffassung des OLG Düsseldorf (NZG 1999, 941 mit zust. Anmerkung von Pentz), es sei, soweit die Antragsteller ihren Aktienbesitz nicht angeben, zur Feststellung des Gegenstandswerts lediglich eine Aktie zugrunde zu legen, vermag der Senat nicht zu folgen. Da der Aktienbesitz der Antragsteller zu 1-3, 6-8 und 10 nicht bekannt ist, besteht auch keine Veranlassung, allein wegen des bekanntermaßen geringen Aktienbesitzes der Antragsteller zu 5 und 9 von dem erwähnten Grundsatz abzuweichen.

VI.

Gegen die Entscheidung des Senats ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (vgl. § 10 Abs. 3 Satz 2 BRAGO; Hartmann Kostengesetze 30.Aufl. § 10 BRAGO Rn. 28). Eine Entscheidung über die Zulassung der weiteren Beschwerde (vgl. § 10 Abs. 3 Satz 5 BRAGO) ist daher nicht geboten.



Ende der Entscheidung

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