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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 17.07.2002
Aktenzeichen: 3Z BR 394/01
Rechtsgebiete: AktG, BGB
Vorschriften:
AktG § 131 | |
BGB § 260 |
Gründe:
I.
Der Antragsteller ist Aktionär der A.-AG (Antragsgegnerin). Er verlangt Auskunft auf eine Frage, die der Vorstand der A. - AG in der Hauptversammlung vom 28.6.2001 nicht beantwortet habe. Nach der Niederschrift des amtierenden Notars hatte der Antragsteller in der Hauptversammlung gefragt, welche Informationen und sonstigen Auskünfte der Vorstand der A.-AG an den Großaktionär, die B.-Bank, in den Kalenderjahren 1999, 2000 und bisher in 2001 erteilt bzw. gegeben habe, die für die Bewertung der A.-AG von Bedeutung sein könnten. Der Vorstand beantwortete die Frage dahingehend, dass im Jahr 2001 bisher keine Informationen gegeben worden seien und er über die Vorjahre, da er noch nicht Vorstand gewesen sei, keine Auskunft geben könne. Mit der Begründung, ihm sei die Auskunft verweigert worden, legte der Aktionär Widerspruch zur Niederschrift des Notars ein.
Mit dem bei Gericht am 9.7.2001 eingegangenen Antrag hat der Antragsteller verlangt, dahingehend zu entscheiden, dass der Vorstand verpflichtet sei,
1. auch bezüglich der Kalenderjahre 1999 und 2000 die von ihm in der Hauptversammlung am 28.6.2001 gestellten Fragen zu beantworten,
2. zu Protokoll an Eides Statt zu versichern, dass er die gemäß Ziff. 1 zu gebenden Antworten nach bestem Wissen so vollständig erklärt habe, als er dazu imstande sei.
Im Termin vom 25.10.2001 vor dem Landgericht erklärte der Antragsteller, nachdem der Vorstand angegeben hatte, dass im Jahre 2000 keine Auskünfte erteilt worden seien, seinen Antrag hinsichtlich dieses Jahres für erledigt, hielt seinen Antrag für das Jahr 1999 aufrecht und stellte weiter den Antrag gemäß Ziffer 2 der Antragsschrift vom 9.7.2001. Das Landgericht hat am 26.10.2001 festgestellt, der Rechtsstreit sei, soweit Auskunft über Vorgänge im Jahre 2000 begehrt würden, erledigt, im übrigen hat es den Antrag zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde hat es zugelassen. Gegen den landgerichtlichen Beschluss wendet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, mit der er seine in erster Instanz zuletzt gestellten Anträge weiterverfolgt. Die Antragsgegnerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist in vollem Umfang zulässig.
Die gemäß § 132 Abs. 3 Satz 2 AktG beschlossene Zulassung bezieht sich auf alle vom Antragsteller noch geltend gemachten Ansprüche. Zwar kann das Landgericht die Zulassung der sofortigen Beschwerde auf einzelne abgrenzbare Teile des Verfahrensgegenstandes beschränken. Diese Beschränkung muss aber zweifelsfrei und eindeutig ausgesprochen sein (Großkommentar/ Decher AktG 4. Aufl. § 132 Rn 47). Dies ist hier nicht der Fall. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde im Tenor seiner Entscheidung ohne Einschränkung zugelassen. Es hat zwar in den Gründen zur Zulassung der sofortigen Beschwerde ausgeführt, dass die Frage nach der Statthaftigkeit eines Antrags auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung im aktienrechtlichen Informationsverfahren obergerichtlich nicht geklärt sei. Daraus kann aber ohne weitere Anhaltspunkte, die hier fehlen, nicht darauf geschlossen werden, dass die Kammer die Zulassung des Rechtsmittels auf diese Frage beschränken wollte.
III.
Das zulässige Rechtsmittel ist bezüglich der noch begehrten Auskunft begründet, im übrigen hat es keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass die nach § 132 Abs. 2 AktG erforderlichen Voraussetzungen für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung über den Auskunftsanspruch, der noch Gegenstand der Entscheidung ist, vorliegen. Der Antrag ist rechtzeitig gestellt. Der Antragsteller ist im Sinn des § 132 Abs. 2 Satz 1 AktG antragsberechtigt, weil er Aktionär ist und wegen der Nichtbeantwortung der gestellten Fragen vor Schluss der Hauptversammlung Widerspruch zu Protokoll des Notars erklärt hat.
2. Das Landgericht hat zu Unrecht den auf § 131 Abs. 4 AktG gestützten Auskunftsanspruch des Beschwerdeführers verneint.
a) Nach dieser Bestimmung besteht ein erweitertes Auskunftsrecht, wenn einem Aktionär wegen seiner Eigenschaft als Aktionär eine Auskunft außerhalb der Hauptversammlung gegeben worden ist. Dann hat jeder andere Aktionär Anspruch darauf, dass ihm auf sein Verlangen in der Hauptversammlung diese Auskunft gegeben wird, auch wenn sie zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstandes der Hauptversammlung nicht erforderlich ist (§ 131 Abs. 4 Satz 1 AktG).
Voraussetzung dieses Auskunftsanspruchs ist nur, dass außerhalb der Hauptversammlung einem Aktionär wegen seiner Eigenschaft als Aktionär eine Auskunft gegeben worden ist. Auskünfte die dem Aktionär nicht wegen dieser Eigenschaft sondern aufgrund besonderer rechtlicher Beziehungen zur Gesellschaft erteilt wurden, fallen nicht unter § 131 Abs., 4 AktG (BGHZ 86, 1/7; Decher aaO § 131 Rn. 342; Semler in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Band 4 AG § 37 Rn. 19). Dies gilt etwa für Auskünfte, die einem Aktionär in seiner Eigenschaft als Aufsichtsratsmitglied (BGH aaO), Abschlussprüfer, Kreditgeber (vgl. Henn Handbuch des Aktienrechts 7. Aufl. Rn. 877; Semler aaO), Rechtsanwalt, der für die Gesellschaft einen Prozess führt (Geßler/Eckardt AktG § 131 Rn. 142) oder Vertragspartner (Godin/Wilhelmi AktG 4. Aufl. § 131 Anm. 13) gegeben wurde. Hingegen bezieht sich das Auskunftsrecht auch auf Auskünfte, die einem Großaktionär in dieser Eigenschaft erteilt wurden (Nirk in Handbuch der Aktiengesellschaft I Rz. 1229; KK/Zöllner AktG § 131 Rn. 68; Henn aaO; Werner AG 1967, 122/123; a.A. Janberg AG 1965, 191/193), da § 131 Abs. 4 AktG keinen Unterschied zwischen Groß- und Kleinaktionär macht. Eine zeitliche Beschränkung für das Auskunftsbegehren nach dieser Bestimmung besteht grundsätzlich nicht (Decher aaO Rn. 364). Das Gesetz bringt für das Auskunftsbegehren nach § 131 Abs. 4 AktG keinerlei zeitliche Schranken zum Ausdruck (Zöllner aaO Rn. 71). Das Auskunftsbegehren kann daher nicht auf die nächste Hauptversammlung nach der Kenntniserlangung von der außerhalb der Hauptversammlung gegebenen Auskunft beschränkt werden (a.A. Godin/Wilhelmi aao). Es kann entgegen der Auffassung von Zöllner (aaO Rn. 70) auch nicht davon abhängig gemacht werden, dass die erteilte Auskunft mit einem Tagesordnungspunkt der Hauptversammlung in Zusammenhang stehen müsse; für eine derartige Einschränkung geben Wortlaut und Sinn der Vorschrift keine Stütze (vgl. Hüffer AktG 5. Aufl. § 131 Rn. 42; Decher aaO Rn. 365).
b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist dem Beschwerdeführer die Auskunft zu erteilen, die dem Großaktionär im Jahre 1999 gegeben wurde.
aa) Bei dem Antrag handelt es sich um keinen unzulässigen Ausforschungsantrag (vgl. hierzu Hoffmann-Becking, Festschrift für Rowedder S. 155/159 ff.). Daran ändert auch die Formulierung "Welche Informationen und sonstigen Auskünfte ... " nichts. Sie stellt nicht die Frage, ob der Vorstand einschlägige Auskünfte erteilt hat, die allenfalls unter den wegen des regelmäßig fehlenden Bezugs zu einem Gegenstand der Tagesordnung meist nicht gegebenen Voraussetzungen des § 131 Abs. 1 AktG zu beantworten wäre (vgl. OLG Dresden AG 1999, 274/275; Zöllner aaO Rn. 74; Hoffmann-Becking aaO S. 161). Der Fragesteller setzt vielmehr voraus, dass eine solche Auskunft gegeben wurde und er wünscht, diese Auskunft auch selbst zu erhalten.
bb) Der Antrag ist so präzise gefasst, wie es einem Aktionär, der bei der Auskunftserteilung nicht anwesend war, möglich ist (s.a. Zöllner aao). Es ist in ihm der Name des Aktionärs, dem die Auskunft erteilt worden sein soll, genannt (vgl. LG Frankfurt/Main AG 1968, 24). Ferner ist der Gegenstand der Auskunft mit "für die Bewertung der A-AG von Bedeutung" so genau angegeben, dass für den Vorstand zweifelsfrei zu erkennen ist, welche Auskunft, die dem Großaktionär in seiner Eigenschaft als Aktionär erteilt wurde, gemeint ist.
cc) Dahinstehen kann im vorliegenden Fall, ob das Auskunftsverlangen im Einzelfall gegen Treu und Glauben verstoßen kann. Umstände, die eine solche Beurteilung rechtfertigen könnten, liegen jedenfalls hier nicht vor. Das Auskunftsthema war zwar bereits Gegenstand der Hauptversammlung im Jahr 2000 gewesen, die Frage war aber damals von einem anderen Aktionär gestellt und durch den Vorstand nicht beantwortet worden. Dem Auskunftsthema fehlt auch nicht jeder aktuelle Bezug zu gesellschaftsrelevanten Vorgängen.
3. Der Antrag, den Vorstand zu verpflichten, die Richtigkeit seiner Auskünfte bezüglich der Geschäftsjahre 2000 und 2001 an Eides Statt zu versichern, ist nicht begründet.
Die Bestimmungen insbesondere des Aktiengesetzes über das Auskunftsrecht der Aktionäre sehen eine derartige Versicherung nicht vor. Die vom Antragsteller gewünschte Einführung der Versicherung an Eides Statt für Auskünfte, die der Vorstand einer Aktiengesellschaft (im Grundsatz) in der Hauptversammlung zu geben hat, würde die Grenzen überschreiten, die der richterlichen Rechtsfortbildung mit Rücksicht auf den Verfassungsgrundsatz der Rechts- und Gesetzesbindung gezogen sind (vgl. BVerfGE 65, 182/194; 69, 316/317). Für eine analoge Anwendung der § 259 Abs. 2, § 260 Abs. 2 BGB auf das aktienrechtliche Auskunftsrecht besteht kein zwingendes Bedürfnis. Sie ist auch, anders als dies etwa bei anderen Rechtsfortbildungen wie dem Schadensersatz in Geld für immateriellen Schäden der Fall war (vgl. BVerfGE 34, 269/289), nicht zur Durchsetzung allgemeiner Wertvorstellungen erforderlich. Auch allgemeine Gerechtigkeitsvorstellungen zwingen nicht zu einer solchen Rechtsfortbildung.
Nach bis vor kurzem völlig herrschender Meinung ist die Richtigkeit einer erteilten Auskunft nicht Gegenstand der Prüfung im Verfahren nach § 132 AktG. Nach dieser Auffassung kann der Aktionär die Erteilung unrichtiger Auskünfte im Anfechtungsverfahren gemäß § 243 AktG rügen, oder er kann die Erteilung einer richtigen Antwort im allgemeinen Zivilprozess durchsetzen, ganz abgesehen davon, dass sich der Vorstand durch solche Auskünfte nach § 400 Nr. 1 AktG strafbar machen bzw. sich Schadensersatzansprüchen der Aktionäre aussetzen kann (OLG Dresden AG 1999, 274/276; KK/Zöllner § 131 Rn. 5; weitere Nachweise bei GroßKommAktG/Decher § 132 Rn. 6).
Diese Auffassung wird zwar zunehmend in Frage gestellt (so ausführlich Hellwig Festschrift für Budde 1995 S. 265 ff; Quack Festschrift für Beusch 1993 S. 663/669; Decher aaO m. w. N.).,Gleichwohl ist, soweit ersichtlich, bisher die Forderung nach einer eidesstattlichen Versicherung der Richtigkeit der Auskunft, wie sie der Antragsteller erhebt, noch nicht gestellt worden. Eine solche Sanktion erscheint für Auskünfte, die im Grundsatz in der Hauptversammlung zu geben sind (vgl. § 131 Abs. 4 AktG), auch weder erforderlich (vgl. die Strafbewehrung unrichtiger Auskünfte in § 400 Nr. 1 AktG) noch praktikabel.
§ 259 Abs. 2, § 260 Abs. 2 BGB enthalten keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz. Nicht für jede Information, die im Rahmen eines Rechtsverhältnisses zu geben ist, kommt in Anwendung dieser Vorschriften ein Anspruch auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung in Betracht (Erman/Kuckuck BGB 10. Aufl. § 259 Rn. 20). Dies gilt insbesondere für Auskunfts- und Unterrichtungspflichten im Rahmen eines gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnisses, wie es hier in Frage steht (vgl. OLG Hamburg NJW-RR 1993, 868). Der Auskunftsanspruch des Aktionärs und die durch §§ 259, 260 BGB sanktionierten Auskunftspflichten unterscheiden sich nach Sinn und Inhalt. Letztere sollen den Berechtigten in die Lage versetzen, einen Anspruch durchzusetzen (vgl. Palandt/Heinrichs BGB 61. Aufl. § 261 Rn. 25). Der Auskunftsanspruch ist lediglich ein Hilfsanspruch zu dem Hauptanspruch, dessen Durchsetzung er dient (vgl. Staudinger/Bittner BGB 2001 9 260 Rn. 40; Soergel/Wolf BGB 12. Aufl. § 260 Rn. 5,). Seine Sanktionierung durch das Erfordernis einer eidesstattlichen Versicherung gründet sich darauf, dass der Berechtigte eine verlässliche Auskunft benötigt, um seine Rechte wahrnehmen zu können. Dem gegenüber ist der Auskunftsanspruch des Aktionärs wesentlicher Bestandteil des Mitgliedschaftsrechts des Aktionärs (vgl. BVelrfG ZIP 1999, 1798). Er dient der Information des Aktionärs zur Entscheidung darüber, wie er seine gesellschaftlichen Rechte wahrnehmen soll, nicht aber der Durchsetzung eines Anspruchs. Die in einer Hauptversammlung gestellten Fragen betreffen Sachverhalte aus den unterschiedlichsten Bereichen. Entsprechend ist die Zahl der zu erteilenden Auskünfte beträchtlich und zeitaufwändig (vgl. Decher aaO § 131 Rn. 49). Die rechtliche Verpflichtung des Auskunftserteilenden, die Richtigkeit dieser Antworten an Eides Statt zu versichern, könnte zur Folge haben, dass das Schwergewicht der Hauptversammlung in den Gerichtssaal verlagert würde. Dem Aktionär stehen wie dargestellt andere Möglichkeiten der Reaktion zur Verfügung für den Fall, dass er eine ihm erteilte Auskunft für unrichtig hält. Eine analoge Anwendung der Bestimmungen des §§ 259 ff. BGB kommt daher nicht in Betracht (vgl. auch MünchKomm/Krüger BGB 4. Aufl. § 260 Rn. 8).
4. Die Entscheidung über die Gerichtskosten beruht auf § 132 Abs. 5 Satz 7 AktG.
Die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten erscheint nicht angebracht (§ 13a Abs. 1 FGG).
Ende der Entscheidung
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