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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 14.03.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 43/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 18556
BGB § 1397
BGB § 1908b
Bestehen gegenüber einem Bevollmächtigten erhebliche Zweifel an seiner Redlichkeit, so kann ein Vollbetreuer bestellt werden.
BayObLG Beschluss

LG Nürnberg-Fürth 13 T 5812/00; AG Fürth XVII 328/98

3Z BR 43/01

14.03.01

Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Nitsche und Fuchs am 14. März 2001

in der Betreuungssache

auf die sofortige weitere und weitere Beschwerde der Beteiligten

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde und die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 19. Dezember 2000 werden zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Mit Beschluss vom 12.5.1998 bestellte das Amtsgericht für die Betroffene deren Tochter (Beteiligte) zur Betreuerin mit den Aufgabenkreisen "alle Angelegenheiten einschließlich Post- und Fernmeldeangelegenheiten". Am 1.12.1998 entließ das Amtsgericht die Beteiligte als Betreuerin und bestellte eine Rechtsanwältin als neue Betreuerin. Auf die Beschwerde der Beteiligten hat das Landgericht am 13.4.2000 den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen. Am 23.6.2000 entließ das Amtsgericht die Beteiligte erneut und bestellte erneut eine Rechtsanwältin als Betreuerin. Die sofortige Beschwerde gegen die Betreuerentlassung und die Beschwerde gegen die Auswahlentscheidung der neuen Betreuerin hat das Landgericht am 19.12.2000 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Beteiligte mit der sofortigen weiteren Beschwerde und der weiteren Beschwerde.

II.

Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, die Beteiligte sei zu Recht als Betreuerin entlassen worden, weil sie bei ihrer bisherigen Tätigkeit die Interessen ihrer Mutter zu ihren eigenen Gunsten missachtet und sich damit als Betreuerin ungeeignet erwiesen habe. Die Betroffene habe ihrer Tochter das Anwesen in Z. überlassen und dafür ein Nießbraucherecht erhalten, das sie berechtige, die Nutzungen in vollem Umfang unentgeltlich zu ziehen. Die Beteiligte habe am 19.8.1998 ein Sparbuch ihrer Mutter über 154320 DM aufgelöst. Eine entsprechende Minderung des Schuldenstands der Betroffenen sei aber nicht eingetreten. Die Schulden seien nur um etwa 41200 DM gesunken. Außerdem sei bisher nur eine Miete auf das Konto der Betroffenen überwiesen worden, nicht aber die übrigen dem Nießbrauch unterfallenden Mieten. Es handle sich insoweit um Mietzinsen in Höhe von 1150 DM (ohne Nebenkosten), die nicht an die Betroffene gegangen seien. In dem von ihr verfassten Vermögensverzeichnis habe die Beteiligte die Mieten überhaupt nicht aufgeführt, auch nicht die auf dem Konto der Betroffenen eingegangenen Beträge. Die Beteiligte habe vom Konto ihrer Mutter laufend 1500 DM monatlich sowie ihre Krankenversicherung und die Kraftfahrzeugversicherung bezahlt erhalten. Auch jetzt habe die Beteiligte wieder eigenmächtig Räume vermietet, ohne dass die Betreuerin verständigt worden sei und ohne dass die Mieten der Betroffenen zugeleitet worden seien.

Es stehe fest, dass vom aufgelösten Sparbuch der Betroffenen ein Teilbetrag von 51223,77 DM auf ein Konto der Beteiligten bei der Dresdner Bank überwiesen worden sei. Die Beteiligte mache geltend, sie habe hier ein Unterkonto für ihre Mutter gebildet. Nähere Auskünfte habe sie der Betreuerin hierzu nicht gegeben und das Geld auch nach dem Betreuerwechsel weder an die neue Betreuerin noch an die jetzige Betreuerin zurückgegeben. Durch diese massive Missachtung der Rechte der Betroffen en habe sich die Beteiligte als ungeeignet erwiesen und müsse deshalb entlassen werden. Dabei zeige sich die mangelnde Eignung schon in der Verschleierungstaktik der Beteiligten, die in der Vermögensaufstellung die Mietansprüche verschweige, gegenüber der Betreuerin nicht angebe, was mit den übrigen Mieten geschehe und auch zum Verbleib des Betrages aus dem aufgelösten Sparbuch nur pauschal und unzureichend Auskunft gebe und das auf ihr Konto überwiesene Geld weder zurück überweise noch schlüssig begründe, warum sie das Geld auf diesem Konto belassen dürfe.

Die Beteiligte mache geltend, ihre Mutter wolle von ihr betreut werden. In Wirklichkeit sei die Einstellung der Betroffenen der Beteiligten gegenüber aber sehr zwiespältig. Gegenüber dem Amtsrichter habe die Betroffene am 30.l1.1998 erklärt, ihre Tochter habe ihr in ihrer grenzenlosen Habgier alles genommen und kaputt gemacht. Einem Sachverständigen habe die Betroffene gesagt, ihre Tochter habe den Familienbetrieb, den sie ihr überlassen habe, in wenigen Jahren heruntergewirtschaftet. Zuerst habe sie Gegenstände aus der Wohnung der Betroffenen und noch gut erhaltene Kleider verkauft und das Geld selbst verwendet. Die Betroffene hege den Verdacht, dass ihre Tochter einen Sparbrief über 20000 DM an sich genommen habe. Einer Betreuerin gegenüber habe die Betroffene erklärt, ihre Tochter gebe sich nun ganz deutlich erkennbar Mühe. Darüber freue sie sich. Trotzdem wolle sie keinesfalls mehr, dass die Tochter wiederum Betreuer werde. Gegenüber der Verfahrenspflegerin habe sich die Betroffene wiederholt und mit Nachdruck gegen eine Betreuung durch ihre Tochter gewandt. Das Pflegepersonal habe berichtet, wenn die Tochter die Betroffene besucht habe, sei diese nachfolgend stets sehr nervös und teilweise auch gereizt gewesen. Das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter sei sehr angespannt und problematisch. Gegenüber der Betreuungsstelle habe die Betroffene sich widersprüchlich geäußert. Einerseits solle ihre Tochter Belange von ihr wahrnehmen, zum anderen könne sie weder die Tochter noch andere Familienmitglieder als Vertrauensperson benennen und lehne die Tochter als Vertrauensperson ab. Ihre Tochter habe versucht, sie umzustimmen. Sie wünsche jedoch nicht, dass die Tochter oder ein anderer Familienangehöriger Betreuer werde, sondern wolle die neutrale Betreuung durch die neue Betreuerin. Am 5.6.2000 sei die Betroffene noch einmal gehört worden. Sie habe den Richter nicht erkannt und wollte in Ruhe gelassen werden. Es sei nicht gelungen, von ihr eine Äußerung dazu zu erhalten, ob sie ihre Tochter als Betreuerin wünsche oder die neue Betreuerin. Die Haltung der Betroffenen sei immer mehr abwehrend geworden und habe sich bis zur verbalen Aggressivität gesteigert. Damit stehe fest, dass in den Zeiten, in denen die Betroffene nach den Angaben der Sachverständigen noch geschäftsfähig gewesen sei, sie die Betreuung durch ihre Tochter nicht gewünscht habe, allenfalls vorübergehend ihrem Drängen, sich für die Betreuung durch sie zu erklären, nachgegeben habe. Als sie sich dem Sachverständigen gegenüber anders geäußert habe, sei sie bereits nicht mehr geschäftsfähig und nicht mehr in der Lage gewesen, das bisherige Verhalten ihrer Tochter und deren Eignung als Betreuer richtig einzuschätzen. Insgesamt seien die späteren Äußerungen der inzwischen geschäftsunfähigen und in hohem Masse gestörten Betroffenen kein Grund, der es rechtfertigen könne, die Tochter trotz ihrer mangelnden Eignung als Betreuerin zu belassen. Der Eignungsmangel erscheine so schwerwiegend, dass die Beteiligte nicht nur für die Vermögenssorge, sondern auch für die übrigen Aufgabenkreise als ungeeignet anzusehen sei.

Der Sohn der Beteiligten komme als Betreuer nicht in Frage. Jeder Betreuer müsse die Interessen der Betroffenen gegen die hartnäckig Widerstand leistende Beteiligte zu wahren suchen. Auch die von der Beteiligten selbst vorgeschlagenen weiteren Personen kämen nicht in Betracht. Sie seien nicht in der Lage, mit der von der Beteiligten geübten Taktik der Verschleierung, des Hinhaltens und der Abwehr fertig zu werden. Gegen die Auswahl der bestellten Berufsbetreuerin bestünden keine Bedenken. Sie arbeite sorgfältig. Jedem anderen Betreuer, der sich gewissenhaft für die Rechte der Betroffenen einsetze, würde die Beteiligte heftig Widerstand entgegensetzen. Ein Betreuerwechsel würde nur einen weiteren Zeitverlust bedeuten, während möglichst schnell das Geld der Betroffenen unter die Kontrolle der Betroffenen gebracht werden müsse. Die Generalvollmacht vom 28.6.1994 und die Verwaltervollmacht vom 7.12.1992 zugunsten der Beteiligten stünden der Notwendigkeit der Betreuung nicht entgegen. Eine bloße Betreuung zur Überwachung der Bevollmächtigten genüge in diesem Fall nicht, wie der hartnäckige Widerstand der Beteiligten gegen die Nachforschungen der Betreuerinnen Z. und W. zeigten.

2. Die Ausführungen des Landgerichts zur Entlassung der Beteiligten als Betreuerin lassen keinen Rechtsfehler erkennen.

a) Das Vormundschaftsgericht hat den Betreuer zu entlassen, wenn seine Eignung, die Angelegenheiten des Betreuten zu besorgen, nicht mehr gewährleistet ist oder ein anderer wichtiger Grund für die Entlassung vorliegt (§ 1908b Abs. 1 BGB). Ein anderer wichtiger Grund für die Entlassung liegt vor, wenn der Betreuer zwar keine Eignungsmängel aufweist, ein Betreuerwechsel aber dennoch im Interesse des Betreuten liegt, weil es dessen Wohl mehr als nur unerheblich schaden würde, bliebe der Betreuer im Amt (BayObLG FamRZ 1994, 1353). Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn Interessenkollisionen in Vermögensbelangen auftreten (BayObLG FamRZ 1996, 1105; Knittel BtG § 1908b BGB Rn. 5). Im Vordergrund hat das Wohl des Betroffenen zu stehen, wobei für die Auswahl des Betreuers der eigene Wille des Betroffenen den Ausschlag geben muss. Der Rechtsgedanke des § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB gilt auch hier entsprechend (BayObLG FamRZ 1994, 323/324; MünchKomm/ Schwab BGB 3. Aufl. § 1908b Rn. 14).

Die Merkmale Eignung und wichtiger Grund sind unbestimmte Rechtsbegriffe und räumen dem Tatrichter kein Ermessen ein. Ihm steht aber die Würdigung der Tatsachen zu. Sie kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur dahin überprüft werden, ob der Tatrichter den unbestimmten Rechtsbegriff verkannt hat, von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Feststellungen ausgegangen ist, wesentliche Umstände außer Betracht gelassen oder bei der Bewertung relevanter Umstände unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (BayObLG FamRZ 1996, 1105; Jansen FGG 2. Aufl. § 27 Rn. 27).

b) Hiervon ausgehend ist die Entscheidung des Landgerichts nicht zu beanstanden.

aa) Zu Recht hat das Landgericht zu Lasten der Beteiligten berücksichtigt, dass diese ein Sparbuch der Betroffenen in Höhe von 154320 DM aufgelöst, die Schulden der Betroffenen aber nur um 41200 DM zurückgeführt hat und für den Verbleib des Restbetrages keine ausreichende Erklärung abgegeben hat. Ohne Rechtsfehler durfte das Landgericht als gegen die Eignung der Beteiligten sprechend werten, dass die Beteiligte in ihrer Vermögensaufstellung für die Betroffene keinerlei Mieteinnahmen angegeben hat, obwohl der Betroffenen als Nießbrauchsberechtigter sämtliche Mieteinnahmen zustehen. Schließlich durfte es zum Nachteil der Beteiligten dem Umstand Bedeutung beimessen, dass die Beteiligte nur einen Teil der Mieteinnahmen auf das Konto der Betroffenen hat überweisen lassen. Wegen der engen vermögensrechtlichen Beziehung zwischen Betroffener und Beteiligter - die Beteiligte ist Erbbauberechtigte der Grundstücke, an denen der Betroffenen der Nießbrauch eingeräumt ist - besteht ohne strenge Trennung der Vermögen die Gefahr, dass sich die Beteiligte zu Lasten, der Betroffenen bereichert. Soweit die Beteiligte nunmehr zu einzelnen Vorwürfen neue Tatsachen vorbringt, können diese im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht berücksichtigt werden (Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 27 Rn. 43).

bb) Ohne Rechtsfehler und damit für den Senat bindend geht das Landgericht auch davon aus, dass ein Wunsch der Betroffenen, die Beteiligte als Betreuerin zu behalten, nicht festgestellt werden konnte. Eine mündliche Anhörung der Beteiligten durch das Landgericht war insoweit nicht geboten. Nach § 69i Abs. 7 FGG ist sie nur erforderlich, wenn die Betroffene der Entlassung des Betreuers widerspricht. Dahingehende Feststellungen konnte das Landgericht nicht treffen. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters und vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf Rechtsfehler überprüfbar, d.h. dahin, ob der Tatrichter den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend ermittelt und bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Gesichtspunkte berücksichtigt hat, ob seine Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen gesetzliche Beweisregeln oder Denkgesetze oder feststehende Erfahrungssätze verstößt, ferner, ob die Beweisanforderungen vernachlässigt oder überspannt worden sind (BayObLGZ 1993, 18/19 f. m.w.N.). Derartige Verstöße sind nicht ersichtlich. Soweit die Beteiligte gegen die Tatsachenwürdigung des Beschwerdegerichts Einwendungen erhebt, setzt sie damit ihre Sachdarstellung an die Stelle der des Landgerichts. Damit kann sie im Rechtsbeschwerdeverfahren keinen Erfolg haben (BayObLGZ 1997, 213/216).

3. Die Betreuerauswahl durch das Landgericht ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Ohne Rechtsfehler durfte das Landgericht davon absehen, die von der Beteiligten vorgeschlagenen Personen als Betreuer zu ernennen.

a) Ein Verstoß gegen § 1897 Abs. 4 BGB ist schon deshalb zu verneinen, weil es sich hier um Wünsche der Beteiligten handelt. Den Willen der Betroffenen, eine der von der Beteiligten vorgeschlagene Person zu ernennen, konnte das Landgericht - auch insoweit verfahrensfehlerfrei - nicht feststellen. Es liegt kein ausreichender Anhalt dafür vor, dass die Betroffene einer dieser Personen anstelle der vom Amtsgericht bestellten, Berufsbetreuerin den Vorrang gegeben hat.

b) Das Landgericht hat auch § 1897 Abs. 6 BGB ausreichend beachtet, wonach ein Berufsbetreuer nur bestellt werden soll, wenn keine andere geeignete Person zur Verfügung steht, die zur ehrenamtlichen Führung der Betreuung bereit ist. Es hat mit überzeugender Begründung dargelegt, dass hier angesichts der engen vermögensmäßigen Verquickung zwischen der Betroffenen auf der einen Seite und der Beteiligten sowie deren Sohn andererseits ein neutraler Betreuer erforderlich ist, um die Betroffene ausreichend vor Übergriffen zu schützen. Es ist nicht zu beanstanden, wenn das Landgericht bei Bestellung einer der von der Beteiligten vorgeschlagenen Personen einen ausreichenden Schutz für das Vermögen der Betroffenen nicht gewährleistet sieht.

cc) Das Landgericht durfte es auch für erforderlich halten, dem Betreuer alle notwendigen Betreuungsaufgaben zu übertragen. Eine Beschränkung des Betreuers auf die Vermögenssorge würde das Vermögen der Betroffenen nicht ausreichend schützen. Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht auch davon ausgegangen, dass eine Vollmachtsüberwachungsbetreuung gemäß § 1896 Abs. 3 BGB im vorliegenden Fall nicht ausreichend wäre. Der bisherige Umgang der Beteiligten mit dem Vermögen der Betroffenen und der vom Landgericht festgestellte Widerstand der Beteiligten gegen die Nachforschungen der nach ihrer Entlassung eingesetzten Betreuerinnen zeigen die Notwendigkeit einer Vollbetreuung (vgl. Knittel BtG § 1896 Rn. 26; MünchKomm/ Schwab BGB 3. Aufl. § 1896 Rn. 149). Hinzu kommen mehrfache Äußerungen der Betroffenen dahingehend, dass sie gerade nicht mehr von ihrer Tochter vermögensrechtlich betreut werden möchte.

Ende der Entscheidung

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