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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 02.04.2004
Aktenzeichen: 3Z BR 43/03
Rechtsgebiete: FGG, ZPO


Vorschriften:

FGG § 27 Abs. 1 Satz 2
FGG § 56g Abs.5
FGG § 67 Abs. 1
ZPO § 547 Nr. 4
1. Kann sich der Betroffene zu einem Antrag des Betreuers auf Festsetzung der Vergütung aus seinem Vermögen nicht äußern, ist ihm zur Wahrung seiner Rechte grundsätzlich ein Verfahrenspfleger zu bestellen. Es bleibt offen, ob hiervon abgesehen werden kann, wenn ein Interesse des Betroffenen hieran offensichtlich nicht besteht (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 2003, 405).

2. Legt der Betreuer gegen die Festsetzung der Vergütung Beschwerde ein und bestellt das Landgericht dem zu einer Äußerung unfähigen, bereits in erster Instanz nicht beteiligten, Betreuten keinen Verfahrenspfleger, liegt in dessen mangelnder Vertretung ein absoluter Beschwerdegrund, der zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung führen kann.


Gründe:

I.

Der für den nicht vermögenslosen Betroffenen bestellte berufsmäßige Betreuer hatte unter dem Datum des 5.7.2002 erstmals die Bewilligung von Vergütung für den Zeitraum seit seiner Verpflichtung am 14.2.2002 unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 28,76 EURO in der Gesamthöhe von 3508,72 EURO netto beantragt. Das Vormundschaftsgericht bestellte zur Wahrung der Rechte des Betroffenen einen berufsmäßigen Verfahrenspfleger. Dieser regte die Prüfung an, ob "eine Einstufung des Betreuers nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 2 BVormVG zu bejahen" sei.

Mit Beschluss vom 29.8.2002 setzte das Vormundschaftsgericht die aus dem Vermögen des Betroffenen zu zahlende Vergütung antragsgemäß fest.

Am 2.1.2003 beantragte der Betreuer erneut eine Vergütung für Leistungen ab Juli 2002 auf der Grundlage eines Stundensatzes von 28,76 EURO mit insgesamt 2768,15 EURO. Das Vormundschaftsgericht bewilligte wiederum die Vergütung in der beantragten Höhe und bemerkte im Beschluss vom 8.1.2003, dass "das rechtliche Gehör des Betreuten durch den Verfahrenspfleger L. wahrgenommen" worden sei. Auf die Rüge des Verfahrenspflegers, dass er den Antrag des Betreuers nicht erhalten habe, wurde dieser ihm vom Vormundschaftsgericht zugeleitet. Eine Stellungnahme des Verfahrenspflegers hierzu ist den Akten nicht zu entnehmen.

Zu dem folgenden Vergütungsantrag vom 18.4.2003, der wiederum einen Stundensatz von 28,76 EURO sowie eine Gesamtvergütung von 1287,01 EURO auswies, beanstandete der Verfahrenspfleger angeblich fehlende Angaben zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Betroffenen sowie Einzelheiten zu den ebenfalls aufgeführten Aufwendungen.

Wiederum setzte das Vormundschaftsgericht die Vergütung antragsgemäß fest, wobei die Bewilligung sich insoweit fehlerhaft auch - unbeschadet einer geringfügigen Kürzung - auf den Betrag der Aufwendungen bezog.

Mit Antrag vom 28.11.2003 ersuchte der Betreuer um Bewilligung einer Vergütung in Höhe von 1387,25 EURO auf der Grundlage eines Stundensatzes von 31 EURO. Das Vormundschaftsgericht setzte mit Beschluss vom 4.12.2003 die Vergütung auf 1029,25 EURO fest und wies den darüber hinaus gehenden Antrag zurück mit der Begründung, aufgrund seiner fachlichen Qualifikation sei der Betreuer nur mit einem Stundensatz von 23 EURO zu entschädigen.

In dem Beschluss ist weiter ausgeführt: "Eine Anhörung des Betroffenen ist nicht mehr möglich,... insbesondere auch durch die bestehende Postsperre. Von der Anordnung einer Verfahrenspflegschaft wurde abgesehen, da diese nur weitere Kosten verursachen würde und die geltend gemachten Kosten sachlich nicht zu beanstanden sind". Die Entscheidung wurde allein dem Betreuer zugestellt.

Gegen diesen Beschluss legte der Betreuer sofortige Beschwerde ein und beantragte, die Vergütung anhand eines Stundensatzes von 31 EURO zugebilligt zu erhalten. Das Landgericht wies mit Beschluss vom 9. Februar 2004 das Rechtsmittel zurück. Zugleich ließ es die sofortige weitere Beschwerde gegen seine Entscheidung zu. Auch dieser Beschluss wurde nur dem Betreuer zugestellt.

Mit seinem Rechtsmittel verfolgt der Betreuer nach wie vor die Festsetzung einer Vergütung auf der Grundlage eines Stundensatzes von 31 EURO.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und vom Landgericht zugelassen.

1. Sie führt hier deshalb zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung, weil der Betroffene als am Verfahren über die Festsetzung der von ihm selbst zu tragenden Vergütung materiell Beteiligter vor dem Landgericht nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war. Aber auch die fehlende Beteiligung des Betroffenen am Verfahren der ersten Instanz stellt unter den hier gegebenen Umständen einen Verfahrensmangel dar, der zur Aufhebung dieser Entscheidung zwingt.

a) Gem. § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG ist im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Bestimmung des § 547 Nr. 4 ZPO entsprechend anzuwenden. Daher kann es zur Aufhebung der angegriffenen Beschwerdeentscheidung führen, wenn ein Beteiligter, dessen Hinzuziehung zum Beschwerdeverfahren geboten ist, über dieses Verfahren nicht zumindest unterrichtet wird (vgl. BayObLGZ 1988, 356/357 und FamRZ 1997, 685/686; BGH NJW 1984, 494/495, jeweils zur entsprechenden Vorschrift des § 551 Nr. 5 ZPO a. F.).

Hier ist Gegenstand des Verfahrens die gerichtliche Festsetzung einer vom Betroffenen zu tragenden Vergütung gem. § 56g Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 69e FGG, welche zu einem gem. § 56 g Abs. 6 FGG vollstreckbaren Festsetzungsbeschluss führt. In diesem Verfahren ist jedenfalls in der Beschwerdeinstanz aufgrund der oben genannten Vorschrift die Unterrichtung des Betroffenen über einen Vergütungsantrag des Betreuers sowie über das von ihm eingelegte Rechtsmittel zwingend geboten (vgl. auch § 56 Abs. 4 Satz 1 FGG). Ist der Betroffene persönlich nicht mehr in der Lage, seine Rechte wahrzunehmen, d. h. insbesondere die Reichweite eines Antrags zu erfassen und sich zu ihm zu äußern, muss ihm ein Verfahrenspfleger als gesetzlicher Vertreter bestellt werden (vgl. OLG Frankfurt BtPrax 1997, 201; OLG Köln FamRZ 2003, 171; OLG Karlsruhe FamRZ 2003, 405).

b) Ob und unter welchen Voraussetzungen das Vormundschaftsgericht bei der Festsetzung der Vergütung aus dem Vermögen des Betroffenen von der Bestellung eines Verfahrenspflegers wegen mangelnder Erforderlichkeit absehen kann, wenn zwar feststeht oder nicht auszuschließen ist, dass sich der Betroffene selbst nicht differenziert und verständlich äußern kann, andererseits jedoch für ihn ein Interesse an der Bestellung eines Verfahrenspflegers offensichtlich nicht besteht, kann dahinstehen (vgl. auch OLG Karlsruhe aaO). Hier hat das Vormundschaftsgericht entsprechende Überlegungen angestellt. Allerdings erscheint seine Annahme, die Abrechnung sei beanstandungsfrei und deshalb aus Sicht des Betroffenen nicht zusätzlich prüfungsbedürftig, hier deshalb nicht zutreffend, weil - erstmals über die Einstufung des Betreuers nach der Vergütungsvorschrift des § 1 Abs. 1 Satz 2 BVormG zu entscheiden ist und hierbei die gesamte Bandbreite von 18 bis 31 EURO diskutiert wird. Auch überzeugt es nicht, die - als Vorfrage zu prüfende - fehlende Möglichkeit der Anhörung zu dem Vergütungsantrag des Betreuers " insbesondere " mit der "bestehenden Postsperre " zu begründen. Jedenfalls war hier die Bestellung eines Verfahrenspflegers geboten, weil die konkrete Möglichkeit bestimmter und nicht von vornherein von der Hand zu weisender Einwendungen gegen den Vergütungsantrag des Betreuers bestand.

Nachdem der Betroffene in erster Instanz nicht beteiligt worden war, hätte das Landgericht nach Einlegung der Beschwerde durch den Betreuer einen Verfahrenspfleger bestellen müssen, um die ordnungsgemäße Vertretung des Betroffenen gemäß § 27 Abs. 2 FGG, § 547 Nr. 4 ZPO zu gewährleisten. Das Unterbleiben dieser Bestellung stellt einen absoluten Beschwerdegrund dar und zwingt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Der Senat kann auch nicht etwa diesen Fehler durch Bestellung eines Verfahrenspflegers für die weitere Beschwerde heilen. Selbst wenn ein bestellter Verfahrenspfleger die Verfahrensführung durch das Landgericht genehmigen würde, bliebe dem Betroffenen damit der Einwand verwehrt, das Vormundschaftsgericht hätte dem Betreuer nur eine Vergütung auf unter der Grundlage eines Stundensatzes von 18 EURO bewilligen dürfen. Auch wenn dieser Einwand im Hinblick auf die unter Ziffer 2b angeführten Erwägungen voraussichtlich nicht begründet sein dürfte, kann der Senat die gegebenenfalls hierfür erforderlichen Tatsachenfeststellungen nicht selbst treffen.

Vielmehr ist unter Aufhebung beider vorinstanzlicher Entscheidungen die Sache an das Vormundschaftsgericht zu neuer Behandlung und Sachentscheidung zurückzuverweisen.

2. Für den weiteren Ablauf des Verfahrens weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:

a) Die vom Landgericht seiner Entscheidung zu Grunde gelegte Auffassung, dass das von dem Betreuer mit der staatlichen Ingenieurprüfung in der Fachrichtung Hochbau abgeschlossene Fachhochschulstudium an der "Staatsbauschule/Ingenieurschule für Bau- und Vermessungswesen" in Frankfurt am Main keine für Betreuungen nutzbaren Kenntnisse i. S. v. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BVormVG vermitteln konnte, erscheint auf der Grundlage der getroffenen Tatsachenfeststellungen nicht zu beanstanden. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, dass die Voraussetzungen dieser Vorschrift nur durch eine Ausbildung erfüllt werden, die in ihrem Kernbereich auf die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse ausgerichtet ist, wie etwa bei den Studiengängen Rechtswissenschaft/Rechtspflege, Medizin, Sozialarbeit, Sozialpädagogik, Soziologie oder Betriebswirtschaft (BayObLGZ 1999, 339 = FamRZ 2000, 844; vgl. auch Damrau/Zimmermann Betreuungsrecht 3. Aufl. § 1836a Rn. 52, 55; Knittel BtG § 1836 Rn. 13).

Hingegen können in ausschließlich oder ganz überwiegend technisch orientierten Fachrichtungen wie z.B. Maschinenbau oder Architektur grundsätzlich keine für die Führung einer Betreuung nutzbaren Kenntnisse erworben werden (vgl. BayObLGZ aaO und FamRZ 2001,1166 [Ls]; OLG Hamburg BtPrax 2002, 131 [Ls]). Die von dem Betreuer angeführte landgerichtliche Entscheidung gibt keinen Anlass, von den zitierten Grundsätzen abzugehen.

b) Soweit allerdings der an dem Verfahren nicht formell beteiligte Vertreter der Staatskasse in einer Stellungnahme die Meinung geäußert hat, der Betreuer könne mangels betreuungsrelevanter Kenntnisse, die in einer abgeschlossenen Ausbildung erworben wurden, allenfalls Anspruch auf die Grundvergütung nach Maßgabe eines Stundensatzes von 18 EURO erheben, erscheinen bei überschlägiger Prüfung anhand des bisher feststehenden Sachverhalts hieran erhebliche Zweifel angebracht.

Ausweislich einer vom Betreuer vorgelegten Bescheinigung der Regierung von Oberfranken vom 12.2.1985 wurde ihm die fachliche Eignung zur Ausbildung von Auszubildenden im Ausbildungsberuf "Kaufmann/Kauffrau in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft" zuerkannt. Sollte dieser Ausbildungsgang hinreichend fundierte rechtliche und wirtschaftliche Kenntnisse vermitteln, die auch für die Führung von Betreuungen nutzbar sind (vgl. für die Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau LG Saarbrücken BtPrax 2002, 272 [Ls]; zur Industriekauffrau LG Koblenz FamRZ 2000, 181) ist die Zuerkennung der fachlichen Eignung als Ausbilder der abgeschlossenen Lehre selbst vergleichbar (BayObLGZ 1999, 291 = FamRZ 2000, 554).



Ende der Entscheidung

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