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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 21.02.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 45/01
Rechtsgebiete: BVormVG


Vorschriften:

BVormVG § 1
Eine Betreuervergütung in Höhe von 60 DM ist auch nicht bei einem in der Türkei abgeschlossenen Rechtsstudium gerechtfertigt.
BayObLG Beschluss

LG Nürnberg-Fürth 13 T 7180/00; AG Nürnberg XVII 252/98

3Z BR 45/01

21.02.01

Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Nitsche und Fuchs

am 21. Februar 2001

in der Betreuungssache

auf die sofortige weitere Beschwerde des Betreuers

beschlossen.

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichte Nürnberg-Fürth vom 27. Dezember 2000 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Für die Betroffene ist ein Berufsbetreuer bestellt. Dieser beantragte, ihm für den Zeitraum vom 1.1.1999 bis 31.12.1999 aus der Staatskasse bei Zugrundelegung eines Stundensatzes von 60 DM eine Vergütung von 4705,20 DM zuzüglich Mehrwertsteuer zu bewilligen. Mit Beschluss vom 9.8.2000 setzte das Amtsgericht den Stundensatz auf 35 DM fest und gewährte eine Vergütung von 2499 DM zuzüglich Mehrwertsteuer. Auf die sofortige Beschwerde des Betreuers hat das Landgericht am 27.12.2000 eine Vergütung von 2703,17 DM zuzüglich Mehrwertsteuer bewilligt und dabei einen Stundensatz von 35 DM zugrunde gelegt.

Dagegen wendet sich der Betreuer mit der vom Landgericht zugelassenen sofortigen weiteren Beschwerde, mit der er eine Erhöhung des Stundensatzes auf 60 DM erreichen will.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist in der Sache nicht begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, dem Betreuer stehe lediglich ein Stundensatz von 35 DM gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 BVormVG zu. Die erhöhten Stundensätze von 45 bzw. 60 DM setzten voraus, dass der Berufsbetreuer über "besondere Kenntnisse" verfüge, die für die Führung der Betreuung nutzbar seien und die durch eine abgeschlossene Lehre bzw. eine abgeschlossene Hochschulbildung oder durch eine diesen Ausbildungen vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben worden sei (§ 1 Abs. 1 Satz 2 BVormVG). Mit dem Tatbestandsmerkmal "abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule" könne nur ein inländischer Hochschulabschluss gemeint sein. Dies müsse aus Gründen der Rechtssicherheit gelten, da es keinen internationalen allgemeinen Mindeststandard für eine Hochschulausbildung gebe. Ein ausländischer Hochschulabschluss könne nach Auffassung der Kammer einen Stundensatz von 60 DM rechtfertigen, wenn die dadurch vermittelten Fachkenntnisse durch eine einem (inländischen) Hochschulabschluss "vergleichbare abgeschlossene Ausbildung" erworben seien. Einer Hochschulausbildung gleichwertig sei eine Ausbildung, wenn sie staatlich reglementiert oder zumindest staatlich anerkannt sei und der durch sie vermittelte Wissensstand nach Art und Umfang dem durch ein Hochschulstudium vermittelten entspreche; abgeschlossen sei sie, wenn ihr Erfolg durch eine vor einer staatlich oder staatlich anerkannten Stelle abgelegte Prüfung belegt sei. Damit könne aus Gründen der Rechtssicherheit jedenfalls nur eine inländische Stelle gemeint sein. Dem dürfte gleichzustellen sein, dass eine ausländische Prüfung durch eine inländische staatliche Stelle anerkannt sei. Eine solche staatliche Anerkennung des in der Türkei abgeschlossenen Hochschulstudiums der Rechte liege nicht vor.

Die Ausbildung zum Industriemechaniker vermittle derartige Kenntnisse offensichtlich nicht. Das Studium von sechs Semestern Jura in Deutschland sei keine einer abgeschlossenen Lehre vergleichbare Ausbildung. Das gleiche gelte für die vom Betreuer absolvierte Ausbildung zum Krisenhelfer, da der durch eine dreimonatige Ausbildung vermittelte Wissensstand nach Art und Umfang nicht dem durch eine zwei- oder dreijährige Lehre vermittelten entspreche. Die Tätigkeit des Betreuers als Honorarkraft im "ambulanten Krisendienst" führe nicht zu einer höheren Eingruppierung, da der Gesetzgeber nicht auf langjährige Berufserfahrungen, sondern allein auf eine abgeschlossene Ausbildung abstelle.

2. Diese Entscheidung hält - jedenfalls im Ergebnis - der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) stand.

a) Ist der Betreute mittellos, kann der Berufsbetreuer Vergütung aus der Staatskasse verlangen (§ 1836a BGB). Die Grundsätze, nach denen diese zu bemessen ist, sind in § 1 Abs. 1 BVormVG niedergelegt. Die dort genannten erhöhten Stundensätze von 45 bzw. 60 DM setzen voraus, dass der Berufsbetreuer über "besondere Kenntnisse" verfügt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind und die durch eine abgeschlossene Lehre bzw. eine abgeschlossene Hochschulausbildung oder durch eine mit diesen Ausbildungen vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben wurden (§ 1 Abs. 1 Satz 2 BVormVG). Hierzu hat der Senat in seinem Beschluss vom 27.10.1999 (BayObLGZ 1999, 339/342) im einzelnen dargelegt:

(1) "Besondere Kenntnisse" sind Kenntnisse, die - bezogen auf ein bestimmtes Fachgebiet - über ein Grundwissen deutlich hinausgehen, wobei das Grundwissen je nach Bildungsstand bzw. Ausbildung mehr oder weniger umfangreich sein kann.

(2) Für die Führung einer Betreuung "nutzbar" sind diese Fachkenntnisse, wenn sie ihrer Art nach betreuungsrelevant sind und den Betreuer befähigen, seine Aufgaben zum Wohl des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen und somit eine erhöhte Leistung zu erbringen.

(3) Durch eine Ausbildung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 BVormVG erworben sind für eine Betreuung nutzbare Fachkenntnisse, wenn die Ausbildung in ihrem Kernbereich auf deren Vermittlung ausgerichtet ist, wie etwa bei den Studiengängen Rechtswissenschaften/Rechtspflege, Sozialarbeit oder Sozialpädagogik.

Angesichts des Wesens der Betreuung als rechtlicher Betreuung (§ 1901 Abs. 1 BGB) kommt rechtlichen Kenntnissen eine grundlegende Bedeutung zu, insbesondere Kenntnissen im Gesundheits-, Zivil-, Sozialleistungs-, Versorgungs-, Verwaltungs- und Steuerrecht einschließlich des jeweiligen Verfahrensrechts. Dies gilt allerdings in aller Regel nur für Kenntnisse des deutschen Rechts, da sich die Geschäfte, die der Betreuer für den Betroffenen zu besorgen hat, regelmäßig nach deutschem Recht richten. Betreuungsrelevant sind im allgemeinen ferner Kenntnisse in den Bereichen Medizin, Psychologie, Sozialarbeit und Sozialpädagogik, Soziologie und Wirtschaft (BayObLGZ 1999, 339/341).

b) Die durch das abgeschlossene Studium der Rechte in der Türkei erworbenen Kenntnisse rechtfertigen es nicht, dem Antragsteller den erhöhten Stundensatz von 60 DM zuzubilligen.

Es kann offen bleiben, ob als "abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule" nur ein inländischer Hochschulabschluss in Betracht kommt und die einem Hochschulabschluss "vergleichbare abgeschlossene Ausbildung" im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BVormVG nur bejaht werden kann, wenn die Anerkennung durch eine inländische staatliche Stelle erfolgt ist. Die hier für die Betreuung erforderlichen und nutzbaren Fachkenntnisse im deutschen Recht hat der Antragsteller jedenfalls nicht durch seine Hochschulausbildung in der Türkei erworben. Dass die unter a) letzter Absatz genannten Fächer nicht zum Kernbereich der Juristenausbildung in der Türkei gehören, ist naheliegend und kann vom Senat in eigener Sachkunde beurteilt werden.

Eine wie auch immer geartete Anerkennung der juristischen Ausbildung hat nicht stattgefunden. Der Antragsteller ist nicht gemäß § 206 Abs. 2 BRAO in der Bundesrepublik Deutschland zugelassen. Im übrigen wären bei einer Zulassung nach dieser Bestimmung die Befugnisse zur Rechtsberatung auf das Recht des Staates der Türkei und das Völkerrecht beschränkt (§ 206 Abs. 2 Satz 1 BRAO).

c) Zu Recht hat das Landgericht dem Betreuer auch einen Stundensatz von 45 DM versagt. Die Ausbildung zum Industriemechaniker verschafft die für eine Betreuung erforderlichen Fachkenntnisse nicht. Da das Jurastudium in Deutschland nicht abgeschlossen wurde, stellt es keine einer abgeschlossenen Lehre vergleichbare Ausbildung dar. Zutreffend weist das Landgericht insoweit auf die Entscheidung des Senate vom 18.2.2000 (3Z BR 28/00, abgedruckt in BtPrax 2000, 124) hin. Ohne Rechtsfehler durfte das Landgericht auch davon ausgehen, dass eine dreimonatige Ausbildung zum Krisenhelfer nicht einen Kenntnisstand vermittelt, der dem einer zwei- oder dreijährigen Lehre entspricht. Dass die Tätigkeit im "ambulanten Krisendienst" seit 1.2.1998 nicht zu einer höheren Eingruppierung führen kann, weil das Gesetz nicht auf Berufserfahrung, sondern auf eine abgeschlossene Ausbildung abstellt, hat das Landgericht ebenfalls rechtlich zutreffend gesehen.

Ende der Entscheidung

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