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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 29.05.2002
Aktenzeichen: 3Z BR 47/02
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 68b Abs. 3
FGG § 68b Abs. 4
Die Unanfechtbarkeit einer Untersuchungs- und Vorführungsanordnung gemäß § 68b Abs. 3 Satz 2 FGG umfaßt auch auf die damit verbundene Gestattung der Gewaltanwendung.
3Z BR 47/02 3Z BR 48/02

Gründe:

I.

Das Amtsgericht prüft aufgrund behördlicher Hinweise derzeit erneut, ob für den Betroffenen ein Betreuer zu bestellen ist, nachdem es im November 2001 ein solches Verfahren, ohne eine Betreuung anzuordnen, eingestellt hat. Es ordnete am 7.2.2002 die Untersuchung des Betroffenen durch den diensthabenden Arzt im Bezirkskrankenhaus und die Vorführung des Betroffenen zur Untersuchung an. Der Betreuungsbehörde gestattete es, bei der Durchführung der Vorführung erforderlichenfalls Gewalt anzuwenden, die Unterstützung der Polizei in Anspruch zu nehmen und die Wohnung des Betroffenen zum Vollzug der Vorführung zu betreten. Der Betroffene wurde am selben Tag in das Bezirkskrankenhaus eingeliefert.

Am 8.2.2002 ordnete das Amtsgericht mit sofortiger Wirksamkeit die vorläufige Unterbringung des Betroffenen in der geschlossenen Abteilung des Bezirkskrankenhauses zur Untersuchung seines Gesundheitszustandes bis einschließlich 28.2.2002 an.

Diese Entscheidung wurde mit dem Datum 11.2.2002 ausgefertigt. Gegen beide Beschlüsse legte der Betroffene Beschwerde ein. Das Landgericht hat am 18.2.2002 die Beschwerde gegen den Beschluss vom 7.2.2002 verworfen und die gegen den Beschluss vom 8.2.2002, den es mit dem Ausfertigungsdatum bezeichnet hat, zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Betroffene am 20.2.2002 weitere Beschwerde mit dem Ziel seiner sofortigen Entlassung eingelegt. Er wurde am 28.2.2002 nach Abschluß der angeordneten Untersuchung aus dem Bezirkskrankenhaus entlassen. Am 23.5.2002 beantragte der zwischenzeitlich anwaltschaftlich vertretene Betroffene die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Unterbringungsanordnung.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg,

1. Soweit das Landgericht das Rechtsmittel des Betroffenen als unzulässig verworfen hat (Anordnung der Untersuchung und Vorführung), ist entgegen der Rechtsmittelbelehrung des Landgerichts nicht die sofortige weitere, sondern die (einfache) weitere Beschwerde gegeben (vgl. BayObLG FamRZ 2001, 1559). Sie ist unabhängig von der Zulässigkeit der Erstbeschwerde zulässig (BayObLG Z 1993, 253/255), jedoch schon deshalb unbegründet, weil die Erstbeschwerde - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - nach der ausdrücklichen Regelung in § 68b Abs. 3 Satz 2 FGG ausgeschlossen ist. Soweit die Betreuungsbehörde durch die Anordnung ermächtigt wurde, die Unterstützung durch die Polizei in Anspruch zu nehmen (vgl. § 33 Abs. 2 Satz 1 und 3 FGG) und die Wohnung des Betroffenen zum Vollzug der Vorführung zu betreten (vgl. Art. 13 Abs. 2 GG), handelt es sich um die Anordnung unselbständiger Modalitäten zum Vollzug der Vorführungsanordnung, die deshalb ebenfalls unter § 68b Abs. 3 Satz 2 FGG fällt und nicht anfechtbar ist (vgl. BayObLG FamRZ 1994, 1190; OLG Hamm FamRZ 1997, 440/441). Auf die Erledigung der Hauptsache kommt es hier angesichts der Unstatthaftigkeit der Erstbeschwerde nicht mehr an.

2. Soweit sich der Betroffene gegen die Unterbringung wendet, ist entgegen der Rechtsmittelbelehrung des Landgerichts ebenfalls die einfache weitere Beschwerde statthaft (BayObLG FamRZ 2001, 1559; Bassenge/Herbst/Roth FGG/RPflG 9. Aufl. § 68b FGG Rn. 11). Zwar ist mit Ablauf der Unterbringung Erledigung der Hauptsache eingetreten (vgl. Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 19 Rn. 87 "Freiheitsentziehung"). Das eingelegte Rechtsmittel bleibt gleichwohl zulässig, weil der Betroffene, wie sich aus der Beschwerdebegründung vom 23.5.2002 ergibt, die Feststellung begehrt, dass die Unterbringung rechtswidrig war (BVerfG NJW 1998, 2432 und InfAuslR 2002, 132; BayObLGZ 1999, 24 und 2000, 220/221).

3. Das Landgericht hat ausgeführt, die Voraussetzungen des § 68b Abs. 4 FGG lägen vor. Nach Ansicht der Sachverständigen, einer Ärztin des Bezirkskrankenhauses, bestehe der Verdacht auf eine Persönlichkeitsstörung, deren Art derzeit noch nicht klassifiziert werden könne. Zur Untersuchung seien voraussichtlich drei Wochen notwendig.

4. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO n.F.) auch insoweit stand.

a) § 68b Abs. 4 FGG ermöglicht eine befristete Unterbringung des Betroffenen, soweit dies zur Vorbereitung des Gutachtens erforderlich ist. Der Anordnung sind enge Grenzen gesetzt. Voraussetzung ist eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung (vgl. zur ähnlichen Fallgestaltung in einem Strafverfahren BVerfG NJW 2002, 283/284). Neben der persönlichen Anhörung der Betroffenen ist die vorherige Anhörung eines Sachverständigen zur Frage der Erforderlichkeit und Dauer der Unterbringung notwendig (vgl. BayObLG FamRZ 2001, 1559/1560).

b) Diese verfahrensrechtlichen Voraussetzungen sind eingehalten. Die Feststellungen des Landgerichts zur Erforderlichkeit der Unterbringung stehen im Einklang mit dem ärztlichen Zeugnis des Bezirkskrankenhauses vom 8.2.2002, in dem der Verdacht einer querulatorischen Persönlichkeitsstörung mit wahnhaften Zügen bei dem Betroffenen diagnostiziert wird. Dem ärztlichen Zeugnis des Bezirkskrankenhauses vom 21.11.2001, das auf einer kurzen Vorstellung des Betroffenen im Bezirkskrankenhaus gründet, brauchte das Landgericht demgegenüber keine wesentliche Bedeutung mehr beizumessen, da es durch die Beobachtungen anlässlich der Zwangsräumung des Betroffenen, bekundet im Schreiben der Polizeiinspektion I. vom 5.2.2002, im Aktenvermerk der Sachbearbeiterin der Stadt I. vom 5.2.2002 und im Schreiben des Gerichtsvollziehers F. vom 4.2.2002, alle bei den Akten, entkräftet wurde. Die darin geschilderten Umstände, insbesondere das Auffinden einer Waffe nebst Munition und eines erheblichen Geldbetrages in zum Teil nicht mehr gültigen Scheinen sowie die Verwahrlosung der Wohnung des Betroffenen, in Verbindung mit dem ärztlichen Zeugnis vom 8.2.2002 berechtigten das Landgericht zu dem Schluss, dass die Notwendigkeit der Bestellung eines Betreuers für den Betroffenen sehr nahe liegt und die Grundlage für die Entscheidung darüber nur durch eine Beobachtung und Untersuchung des Betroffenen über einen längeren Zeitraum hinweg gewonnen und in ein Gutachten mit aussagekräftigem Inhalt. eingebracht werden kann. Zu einer solchen Untersuchung war der Betroffene freiwillig nicht bereit.

c) Die Anordnung einer Unterbringung zur Beobachtung des Betroffenen auf die Dauer von drei Wochen war angesichts der dargelegten Umstände und des Zieles, vom Betroffenen erheblichen Schaden abzuwenden, nicht unverhältnismäßig. Dabei war zu berücksichtigen, dass der Betroffene einen erheblichen Überschuss des Versteigerungserlöses über die Schulden behalten wird und eine Notwendigkeit der Betreuung zum Wohle des Betroffenen, der schon bisher mit seinen Vermögensangelegenheiten nicht zurecht kam (keine Rentenantragsstellung, kein Verhindern der Zwangsversteigerung), zur Verwaltung dieses Überschusses sehr nahe liegt.



Ende der Entscheidung

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