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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 21.04.2004
Aktenzeichen: 3Z BR 51/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1792 Abs. 2
BGB § 1908i Abs. 2
Zu den Voraussetzungen der Bestellung eines Gegenbetreuers bei erheblicher Vermögensverwaltung.
Gründe:

I.

Für den Betroffenen besteht seit 1980 eine - zunächst als Pflegschaft bzw. Vormundschaft geführte - Betreuung. Der Betreuer hat den Aufgabenkreis der Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge, Fürsorge für die Heilbehandlung, Entscheidung über freiheitsentziehende Maßnahmen und deren Kontrolle, Vertretung gegenüber der Anstaltsleitung und Vertretung gegenüber Behörden.

Mit Beschluss vom 12.7.2001 bestellte das Vormundschaftsgericht die Gegenbetreuerin für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge. Diesen formlos übersandten Beschluss hatte der Betreuer nach seinen Angaben nicht erhalten. Er wurde ihm daraufhin am 5.3.2002 persönlich ausgehändigt.

Mit Schriftsatz vom 9.7.2002 hat der Betreuer im eigenen Namen und im Namen des Betroffenen Beschwerde gegen die vormundschaftsgerichtliche Entscheidung eingelegt.

Das Landgericht hat - nachdem das Beschwerdeverfahren zeitweise auf Wunsch des Betreuers nicht weiterbetrieben worden war - am 7.11.2003 das Rechtsmittel zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Betreuers, mit der er nach wie vor die Aufhebung der Gegenbetreuung anstrebt.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig. Die Bestellung eines Gegenbetreuers betrifft den Aufgabenkreis des Betreuers. Insoweit folgt die Beschwerdeberechtigung des Betreuers sowohl im Namen des Betreuten auch im eigenen Namen aus der hier entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 69g Abs. 2 Satz 1 FGG (vgl. BayObLG FamRZ 1994, 325/326; OLG Hamm FGPrax 2000, 228; Keidel/Kayser FGG 15.Aufl. § 69g Rn. 20).

Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet.

1. Das Landgericht hat in seiner Entscheidung ausgeführt:

Verfahrensrechtlich sei die Bestellung der Gegenbetreuerin nicht zu beanstanden. Eine - ohnehin grundsätzlich hier nicht erforderliche - persönliche Anhörung des Betroffenen sei letztlich deshalb unterblieben, weil nach Überzeugung des Vormundschaftsrichters eine Verständigung mit ihm nicht möglich war. Die Anhörung des Betreuers vor der Bestellung eines Gegenbetreuers sei nicht vorgeschrieben. Die Betreuungsbehörde habe Gelegenheit zur Äußerung gehabt. Von einer Anhörung von Familienangehörigen habe abgesehen werden können, weil wegen der Komplexität der Aufgabe ohnehin nur die Bestellung eines Rechtsanwalts in Frage gekommen und entscheidungserhebliche Erkenntnisse aus dem familiären Umfeld nicht zu erwarten gewesen seien. Eine förmliche Zustellung des Beschlusses an den Betreuer sei gesetzlich nicht vorgeschrieben. Jedenfalls mit der persönlichen Aushändigung durch den Rechtspfleger am 5.3.2002 sei ihm die Entscheidung bekannt gemacht worden.

Die Bestellung eines Gegenbetreuers stehe im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Nach § 1792 Abs. 2 Satz 1 i.V.m § 1908i Abs. 1 Satz 1 BGB solle ein Gegenbetreuer bestellt werden, wenn mit der Betreuung eine Vermögensverwaltung verbunden sei, es sei denn, die Verwaltung sei nicht erheblich.

Im vorliegenden Fall sei der Umfang der vom Betreuer zu leistenden Vermögensverwaltung erheblich und übersteige den Aufwand einer durchschnittlichen Vermögensbetreuung bei weitem.

Nach dem Tod des Vaters des Betroffenen seien höchst komplexe und für die finanzielle Zukunft des Betroffenen bedeutsame erb- und steuerrechtliche Entscheidungen zu treffen. Das Nachlassvermögen betrage nach Angaben des Betreuers jedenfalls mehr als 13 Mio. Schweizer Franken. Vor einem Schweizer Gericht sei ein Rechtsstreit um den Nachlass anhängig. Es gebe ernsthafte Bestrebungen, im Vergleichswege einen Erbteilungsvertrag zu schließen. Die Schwierigkeit dieser anstehenden Entscheidungen und der hieraus folgende Betreuungsaufwand bei der Vermögenssorge rechtfertige bereits für sich genommen die Bestellung eines Gegenbetreuers.

Weiterhin sei der Betroffene Eigentümer zweier wertvoller Immobilien in und bei München sowie an einer Erbengemeinschaft bezüglich eines weiteren, zu verkaufenden, Grundstücks beteiligt. Er verfüge ferner über beträchtliches Wertpapiervermögen, - nach dem Stand von 1999 in Höhe von fast 150 000 EUR -, für das Anlageentscheidungen zu treffen sein. Auch insoweit liege eine erhebliche Vermögensverwaltung vor. Der Einwand des Betreuers, seine Tätigkeit erschöpfte sich insoweit in bloßem Überweisungsverkehr und der Anlage in mündelsicheren Papieren, könne nicht überzeugen.

Den Akten seien seit dem Jahr 2000 keine Abrechnungen des Betreuers mehr zu entnehmen. Das Unterbleiben jeglicher Rechnungslegung und der Erstellung von Vermögensverzeichnissen rechtfertige ebenfalls die Bestellung eines Gegenbetreuers.

Der Betreuer habe im Jahr 2001 umfangreiche Zahlungen u.a. an die beiden Töchter des Betroffenen sowohl als monatlichen Unterhalt von 2700 DM bzw. 4000 DM als auch durch einmalige Beträge geleistet. Zwar sei grundsätzlich zu vermuten, dass dies im Sinne des Betroffenen sei und auch im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit liege. Jedoch bedürfe es hierzu einer genaueren Klärung.

Die Bestellung der Gegenbetreuerin sei auch nicht deshalb entbehrlich, weil hinsichtlich der Erbschaftsangelegenheit ein Verfahrenspfleger bestellt wurde. Denn die Aufgabe der Gegenbetreuerin sei auf die gesamte Vermögenssorge bezogen und damit umfassender. Zudem habe sie weitergehende Befugnisse als ein Pfleger.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) stand.

a) Die verfahrensrechtliche Würdigung der vormundschaftsgerichtlichen Bestellung der Gegenbetreuerin durch das Landgericht begegnet keinen Bedenken.

b) Der Gegenbetreuer ist nicht gesetzlicher Vertreter des Betroffenen, sondern ein Überwachungsorgan, das dem Vormundschaftsgericht Kontrollaufgaben abnehmen soll (BayObLG FamRZ 1994, 325; Zimmermann FamRZ 1991, 270/277 m.w.N.). Die Bestellung eines Gegenbetreuers liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Vormundschaftsgerichts (§ 1792 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1908i Abs. 1 Satz 1 BGB). Dieses Ermessen ist jedoch zugunsten der Bestellung eines Gegenbetreuers eingeschränkt durch die Sollvorschrift des § 1792 Satz 2 BGB die über § 1908i Abs. 1 Satz 1 BGB entsprechend anwendbar ist. Die Vorschrift verlangt die Bestellung eines Gegenbetreuers, wenn der Betreuer ein Vermögen zu verwalten hat, es sei denn dass diese Verwaltung nichterheblich ist. Für die Erheblichkeit ist nicht an den Wert des Vermögens anzuknüpfen (BayObLG aaO). Entscheidend ist der Umfang der zu erbringenden Tätigkeit des Betreuers.

Diese Ermessensentscheidung des Tatrichters ist im Verfahren der weiteren Beschwerde nur in engen Grenzen überprüfbar (vgl. Keidel/Meyer-Holz FGG 15. Aufl. § 27 Rn. 23). Das Landgericht hat weder die tatsächlichen Voraussetzungen einer Gegenbetreuerbestellung noch die Anforderungen an eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung verkannt. Deshalb kann die weitere Beschwerde keinen Erfolg haben.

aa) Im vorliegenden Fall tragen die Feststellungen des Landgerichts die Annahme einer "erheblichen" Vermögensbetreuung. Dass diese einen bedeutenden Umfang hat, stellt der Betreuer wohl selbst nicht in Abrede. Allein die Verwaltung mehrerer Immobilien und kontinuierlich zu treffende Anlageentscheidungen für das Kapitalvermögen gegenüber drei verschiedenen Banken dürften diese Bewertung bereits rechtfertigen. Hinzu kommt die offenbar schwierige Rechtsfragen aufwerfende Auseinandersetzung des in der Schweiz befindlichen Nachlasses. Nicht zu beanstanden ist schließlich auch die Annahme des Landgerichts, die erheblichen Zahlungen an die Töchter des Betroffenen aus dessen Vermögen bedürften einer Überprüfung auf rechtliche Zulässigkeit und Angemessenheit. Dies gilt auch im Hinblick auf das Schenkungsverbot gemäß § 1804, § 1908i Abs. 2 Satz 1 BGB, welches derartigen Zuwendungen entgegenstehen könnte, wenn und so weit die Empfänger hierauf keinen unterhaltsrechtlich begründbaren Anspruch hätten.

Auch konnte das Landgericht den Umstand berücksichtigen, dass die letzte Rechnungslegung des Betreuers vom Dezember 2000 sich auf das Jahr 1999 bezieht. Soweit der Betreuer vorbringt, die zeitnahe Vorlage der nächstfolgenden Abrechnungen sei ihm vom Vormundschaftsgericht erlassen worden, findet sich hierfür in den Akten keine Bestätigung. Der zuständige Rechtspfleger hat lediglich mit Schreiben vom 8.5.2001 mitgeteilt, dass "die Prüfung der Rechnungslegung 1999.... zurückgestellt" sei, weil hierfür die Versendung der Akten an den Rechnungsbeamten für längere Zeit erforderlich sei "und dies erst nach Erledigung der dringenderen vorliegenden Sachen erfolgen" solle. Keinesfalls kann diese Mitteilung dahingehend verstanden werden, dass der Betreuer bis auf weiteres von der Pflicht zur jährlichen Rechnungslegung freigestellt worden sei.

Der Entscheidung des Vormundschaftsgerichts zur Bestellung einer Gegenbetreuerin kann auch nicht entgegengehalten werden, dass die Betreuung über nahezu zwei Jahrzehnte hinweg allein vom Vormundschaftsgericht überwacht wurde. Wenn dieses nunmehr - auch aufgrund neu auftretender Fragen im Zusammenhang mit der Prüfung der Vermögensverwaltung - die Bestellung eines Gegenbetreuers für veranlasst hält, kann hieraus im Hinblick auf die angeführten Gegebenheiten nicht auf einen pflichtwidrigen Ermessensgebrauch geschlossen werden. Denn der Zweck der Gegenbetreuerbestellung, das Gericht in gewissem Umfang von künftigen Kontrollaufgaben zu entlasten, erübrigt sich nicht allein dadurch, dass diese Aufgaben in der Vergangenheit tatsächlich von den jeweils zuständigen Rechtspflegern wahrgenommen wurden.

bb) Auch die mit dem Rechtsmittel gerügte Auswahl der Gegenbetreuerin ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Das Gericht hat eine in Betreuungsangelegenheiten sachkundige Rechtsanwältin bestellt. Es war nicht zwingend geboten, bei der Auswahl auf etwa vorhandene Spezialkenntnisse des Schweizer Erbrechts Bedacht zu nehmen. Solche Kenntnisse mögen zwar im Hinblick auf den in der Schweiz anhängigen Rechtsstreit um den Nachlass dienlich sein. Jedoch dürften erfahrene deutsche Rechtsanwälte mit geeigneter Fachliteratur im Allgemeinen ohne größere Schwierigkeiten in der Lage sein, auch eine nach der Rechtsordnung der Schweiz zu beurteilende Erbfallgestaltung nachzuvollziehen. Vor allem aber sollte das Schwergewicht der Aufgaben der Gegenbetreuerin in diesem Zusammenhang in der Einarbeitung in den Prozessstoff zum Zweck der Beurteilung von Entscheidungen des Betreuers liegen und nicht etwa in der eigenständigen Lösung von Rechtsfragen. Deshalb ist die Annahme nicht fern liegend, dass auch ein Gegenbetreuer mit den in der Beschwerdebegründung geforderten Spezialkenntnissen, sofern er überhaupt zur Verfügung gestanden hätte, wohl nur unwesentlich weniger Zeit zur Informationsgewinnung benötigt hätte als die Betreuerin.

Ende der Entscheidung

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