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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 07.03.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 53/01
Rechtsgebiete: FGG, KostO


Vorschriften:

FGG § 12
KostO § 19
Das Ertragswertverfahren ist maßgeblich, wenn sich der Kostenschuldner darauf beruft und eine fundierte Ertragswertberechnung nebst Unterlagen zur Verfügung stellt
Bayerisches Oberstes Landesgericht BESCHLUSS

Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Fuchs und Dr. Denk

am 7. März 2001

in der Kostensache

betreffend Eintragungen im Grundbuch

pp.

auf die Geschäftswertbeschwerde der Beteiligten

beschlossen:

Tenor:

Auf die weitere Beschwerde wird der Beschluß des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 6. Juli 1999 aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht Kempten (Allgäu) zurückverwiesen.

I.

Mit notariellem Gesellschaftsvertrag vom 18.12.1996 (UR.Nr. 2836/1996 E) übertrug eine Gesellschafterin auf die zu gründende Gesellschaft (Beteiligte) Grundstücke zu Alleineigentum. Dabei handelt es sich ganz überwiegend um Grundstücke, die mit Mietwohnungen bebaut sind. Die Wohnungen unterliegen teilweise der Sozialbindung. Nach dem grundbuchrechtlichen Vollzug der Urkunde setzte das Amtsgericht - Grundbuchamt - mit Beschluß vom 8.9.1998 den Geschäftswert für die Eigentumsüberschreibung auf 16.700.000 DM fest. Die Geschäftswertbeschwerde der Beteiligten hat das Landgericht am 6.7.1999 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Beteiligte mit ihrer vom Landgericht zugelassenen weiteren Beschwerde, mit der sie eine Bewertung nach der Ertragswertmethode erstrebt.

II.

Das zulässige Rechtsmittel (§ 31 Abs. 3 Satz 1, § 14 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 KostO) ist sachlich begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, bei der Bewertung von Grundbesitz solle gemäß § 19 KostO der Verkehrswert zugrunde gelegt werden. Gesetzlich nicht geregelt sei, nach welchen Bewertungsmethoden der Verkehrswert festzustellen sei. Bei den Bewertungen nach § 19 Abs. 2 KostO müsse berücksichtigt werden, daß sie bei den Gerichten in überaus großer Zahl anfallen und zunächst dem Kostenbeamten im Rahmen des Kostenansatzes obliegen. Die Ermittlung des Grundstückswertes dürfe deshalb nicht unnötig kompliziert werden. Eine Feststellung des Grundstückswerts mit letzter Präzision verlange das Gesetz nicht. Da die Wertermittlung nicht unverhältnismäßig erschwert werden dürfe, könne nicht erwartet werden, daß die Gerichte von sich aus auf das Ertragswertverfahren, das auch nach der Kostenordnung nicht von vornherein ausgeschlossen sei, zurückgriffen. Unter Anwendung dieser Grundsätze sei der vom Amtsgericht ermittelte Verkehrswert in Höhe von 16.700.000 DM nicht zu beanstanden. Eine fundierte Ertragswertberechnung habe die Kostenschuldnerin nicht vorgelegt. Insbesondere sei lediglich die Nettomiete abzüglich eines pauschalen Betrages für Bewirtschaftungskosten in Höhe von 30 % errechnet worden. Das Amtsgericht habe den Gebäudewert unter Heranziehung der Brandversicherungswerte ermittelt. In der Indexzahl sei bereits eine altersbedingte, technische Wertminderung berücksichtigt. Diese Berechnungsmethode sei in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt. Soweit die Beteiligte andere Berechnungsmethoden zur Ermittlung des Verkehrswerts erwähne, sei darauf hinzuweisen, daß diese nicht der ständigen Rechtsprechung und herrschenden Meinung entsprächen.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung (§ 31 Abs. 3 Satz 1, § 14 Abs. 3 Satz 3 KostO, § 550 ZPO) nicht stand.

a) Soweit die Beteiligte allerdings meint, die Ermittlung der Gebühren ausschließlich nach einem am Wert des Grundstücks orientierten Geschäftswert verstoße gegen höherrangiges Recht, statt dessen müßten die durch die Eintragung im Grundbuch tatsächlich entstandenen Kosten angesetzt werden oder zumindest eine Begrenzung der Wertgebühren bilden, folgt der Senat dem nicht. Er hat sich in seiner Entscheidung vom 6.12.2000 (BayObLGZ 2000 Nr. 75) mit der Frage befaßt und entschieden, daß diese Art der Gebührenermittlung weder gegen Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft noch gegen das deutsche Verfassungsrecht verstößt. An dieser Auffassung hält der Senat ausdrücklich fest.

b) Soweit die Beteiligte sich dagegen wendet, daß es das Landgericht abgelehnt hat, den Geschäftswert nach den Grundsätzen der Ertragswertmethode festzusetzen, führt die Entscheidung zur Aufhebung und Zurückverweisung.

aa) Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 KostO ist der Wert einer Sache der gemeine Wert. Er entspricht, wie sich aus § 19 Abs. 1 Satz 2 KostO ergibt, dem Verkehrswert. Diese Grundsätze gelten auch für Grundstücke, soweit hinreichende Anhaltspunkte für die Bestimmung des Verkehrswerts vorhanden sind und dieser über dem Einheitswert liegt (§ 19 Abs. 2 Satz 1 KostO). Danach soll der Verkehrswert zugrunde gelegt werden, soweit das ohne unwirtschaftlichen Aufwand und unvertretbare Verzögerungen möglich ist. Jedenfalls soll das aus vorhandenen Anhaltspunkten gewonnene Ergebnis der Bewertung dem Verkehrswert möglichst nahe kommen (BayObLGZ 1979, 69/74).

bb) Das Gesetz regelt nicht näher, nach welcher Bewertungsmethode der gemeine Wert (Verkehrswert) festzustellen ist. § 19 Abs. 1 Satz 2 KostO erläutert lediglich, daß er durch den im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bei der Veräußerung zu erzielenden Preis bestimmt wird. Die Frage, auf welche Unterlagen bei der Wertermittlung zurückzugreifen ist, regelt § 19 Abs. 2 Satz 1 KostO in der Weise, daß einige Anhaltspunkte für die Feststellung des Wertes von Grundbesitz aufgezählt, aber auch andere zugelassen werden ("oder aus sonstigen ausreichenden Anhaltspunkten"). Das Gericht hat seine Überzeugung vom zutreffenden Geschäftswert aus allen Anhaltspunkten zu bilden, die ihm ohne Beweisaufnahme zugänglich sind. In vielen Fällen stellen die Verwendung der Bodenrichtwerte und der Brandversicherungswert von Gebäuden eine brauchbare und mit dem Gesetz zu vereinbarende Art der Wertermittlung bei bebauten Grundstücken dar. Diese - vereinfachte - Sachwertmethode ist in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt (BayObLGZ 1972, 297/300 ff. und 1976, 89; Korintenberg/Bengel KostO 14. Aufl. § 19 Rn. 52).

cc) Nach den Gepflogenheiten des Grundstücksmarktes wird der Verkehrswert von Mietwohngrundstücken meist im Ertragswertverfahren ermittelt, weil bei ihnen der nachhaltig erzielbare Ertrag im Vordergrund der Erwägungen von Kaufinteressenten steht (BayObLGZ 1979, 69/77 und 2000, 189; Simon/Kleiber Schätzung und Ermittlung von Grundstückswerten 7. Aufl. Rn. 1.133 ff.; Zimmermann/Heller Der Verkehrswert von Grundstücken A.5 Rn. 55; vgl. auch Nr. 1.5.5.3 der Wertermittlungsrichtlinie 1991, BAnz. Nr. 182a vom 27.9.1991). In seinem Beschluß vom 8.3.1979 (BayObLGZ 1979, 69) hat der Senat die Ermittlung des Verkehrswerts von Mietwohngrundstücken im Ertragswertverfahren ausdrücklich anerkannt, wenn sich der Kostenschuldner darauf beruft, wenn er eine Ertragswertberechnung vorlegt und etwa erforderliche Unterlagen zur Verfügung stellt (ebenso Korintenberg/Bengel § 19 Rn. 19; Rohs/Wedewer KostO 3. Aufl. § 19 An. 46). Mit Beschluß vom 28.6.2000 (BayObLGZ 2000, 189) hat der Senat diese Rechtsprechung fortgeführt.

dd) Das Landgericht hat eine Bewertung nach der Ertragswertmethode abgelehnt, weil die Kostenschuldnerin keine fundierte Ertragswertberechnung vorgelegt habe, insbesondere lediglich die Nettomiete abzüglich eines pauschalen Betrags für Bewirtschaftungskosten in Höhe von 30 % errechnet habe. Diese Entscheidung ist nicht frei von Rechtsfehlern.

Die Beteiligte hat die erzielte jährliche Nettomiete angegeben und 30 % Bewirtschaftungskosten abgezogen. Sie hat den Abzug damit begründet, daß die Wohnungen in einem einfachen Standard im Sozialwohnungsbau errichtet seien und umfangreiche Sanierungsmaßnahmen im Inneren der Gebäude (Sanitärinstallation, Elektroinstallation, Heizung) anstünden. Den von ihr ermittelten Jahresreinertrag hat die Beteiligte mit dem Faktor 13 multipliziert. Damit hat sie eine Berechnung vorgenommen, die den Bewertungsgrundsätzen der §§ 8 und 12 WertV im wesentlichen entspricht, wie sie der Senat in seiner Entscheidung vom 8.3.1979 (BayObLGZ 1979, 69/78) verlangt hat. Danach hatte das Landgericht eine Ermittlung des Verkehrswerts auf der Grundlage der Ertragswertmethode in Betracht zu ziehen. Ob die Berechnung in allen Einzelheiten zutreffend ist, ist insoweit ohne Bedeutung. Bei dieser Sachlage hätte es fehlende Unterlagen nicht zum Anlaß nehmen dürfen, um die Ertragswertmethode von vornherein abzulehnen. Es hätte jedenfalls auf diesen Mangel hinweisen und der Beteiligten Gelegenheit geben müssen, die von ihr eingereichten Unterlagen zu ergänzen. § 19 Abs. 2 Satz 1, 2. Satzhälfte KostO steht dem nicht entgegen. Die Vorschrift untersagt lediglich eine förmliche Beweisaufnahme. Davon abgesehen sind der Kostenbeamte und die mit einer Kostensache befaßten Tatsachengerichte gehalten, auch im Zusammenhang mit einer Wertfestsetzung den maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen festzustellen und dazu die nach § 12 FGG zugelassenen formlosen Ermittlungen (Freibeweis) anzustellen, soweit diese nicht einen ins Gewicht fallenden Aufwand oder eine erhebliche Verzögerung mit sich bringen (BayObLGZ 1979, 69/75; Rohs/Wedewer § 19 Rn. 49). Diese Einschränkung trifft auf einen bloßen Hinweis nicht zu. Möglicherweise hätte die Beteiligte die vom Landgericht für erforderlich gehaltenen Unterlagen so ergänzen können (zum Gang des Ertragswertverfahrens vgl. z.B. Simon/Kleiber Rn. 4.13 ff.; die für die Kapitalisierung maßgebender Vervielfältiger sind in Rn. 4.79 zusammengestellt), daß eine Bewertung nach der Ertragswertmethode in Betracht gekommen wäre.

ee) Da der Senat die gebotene Aufklärung nicht selbst vornehmen kann (vgl. Keidel/Kayser FGG 14. Aufl. § 12 Rn. 39 und § 27 Rn. 45), ist die Entscheidung aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen. Der Senat weist darauf hin, daß eine Beweisaufnahme nicht in Betracht kommt und eine Festsetzung des Geschäftswerts nach der Ertragswertmethode somit nur möglich ist, wenn die Unterlagen, die die Beteiligte zur Verfügung stellen wird, eine ausreichende Basis für die Feststellung des Geschäftswerts nach der Ertragswertmethode bieten.

3. Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 31 Abs. 3 Satz 2 und 3 KostO nicht zu treffen.

Ende der Entscheidung

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