Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 19.02.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 58/01
Rechtsgebiete: AsylVfG


Vorschriften:

AsylVfG § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr.4
Zur Frage, ob unabhängig von der Dauer des Aufenthaltes Deutschland Die Abschiebungshaft nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr.4 AsylVfG auf der Grundlage von § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 AuslG aufrechterhalten werden kann, wenn der Ausländer entgegen § 13 Abs. 3 Satz 2 AsylVfG nicht unverzüglich um Asyl nachgesucht hat (Vorlage an den Bundesgerichtshof wegen Abweichung von OLG Karlsruhe NVwZ Beilage 2000, 111.und OLG Düsseldorf Report 2000, 108).
BayObLG Beschluss

LG Nürnberg-Fürth 4 T 10972/00; AG Nürnberg 59 XIV 368/00 B

3Z BR 58/01

19.02.01

Der 3.Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Plößl und Dr. Schreieder

am 19.Februar 2001

in der Abschiebungshaftsache

auf den Antrag und die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen

beschlossen:

Tenor:

I. Der Antrag, dem Betroffenen dessen Verfahrensbevollmächtigten beizuordnen, wird abgelehnt.

II. Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 24.Januar 2001 wird dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

Gründe

I.

Die Ausländerbehörde betreibt die Abschiebung des Betroffenen, eines indischen Staatsangehörigen.

Mit Beschluss vom 1.12.2000 verlängerte das Amtsgericht mit sofortiger Wirksamkeit die gegen den Betroffenen zur Sicherung seiner Abschiebung seit 5.9.2000 vollzogene Abschiebungshaft bis längstens 5.3.2001.

Die vom Betroffenen hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht am 24.1.2001 zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Betroffene mit der sofortigen weiteren Beschwerde. Ferner beantragt er, ihm seinen Verfahrensbevollmächtigten als "Pflichtverteidiger" beizuordnen.

II.

Der Antrag des Betroffenen, ihm seinen Verfahrensbevollmächtigten beizuordnen, wird abgelehnt.

Nach der vom Betroffenen als Rechtsgrundlage angeführten strafprozessualen Bestimmung des § 140 Abs. 2 StPO, die sich als Konkretisierung des Rechtsstaatsprinzips in seiner Ausgestaltung als Gebot fairer Verfahrensführung darstellt (BVerfG NJW 1986, 767/771), wird dem Beschuldigten ein Verteidiger unter anderem dann bestellt, wenn ersichtlich ist, dass er sich nicht selbst verteidigen kann.

Um dem Gebot fairer Verfahrensführung in Abschiebungshaftsachen gebührend Rechnung zu tragen, bedarf es keiner analogen Anwendung des § 140 Abs. 2 StPO. Entsprechender Schutz wird bereits durch das Rechtsinstitut der Prozesskostenhilfe gewährt (§ 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG, § 3 Satz 2 FreihEntzG, § 14 FGG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO). Dieses sieht gemäß § 121 Abs. 2 ZPO die Beiordnung eines Rechtsanwalts vor, wenn die Vertretung durch einen solchen erforderlich erscheint. Einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat der Betroffene jedoch nicht gestellt.

Ob bzw. unter welchen Voraussetzungen dem Betroffenen eines Abschiebungshaftverfahrens ein Verfahrenspfleger zu bestellen ist, kann dahinstehen, weil der Betroffene hier in der Person seines Verfahrensbevollmächtigten bereits von einem Rechtsanwalt vertreten wird (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 2 FreihEntzG; § 70b Abs. 3 FGG).

III.

Der Senat hält die sofortige weitere Beschwerde für unbegründet. Er sieht sich an der Zurückweisung jedoch durch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf weitere Beschwerde ergangene Beschlüsse des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 21.1.2000 - 26 Wx 4/00 - (Report 2000, 107 = NVwZ Beilage 2000, 47) und des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 15.6.2000 - 11 Wx 75/00 - (NVWZ Beilag e 2000, 111) gehindert. Die weitere Beschwerde wird daher gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 FGG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass der Haftgrund des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 AuslG gegeben sei. Der Betroffene sei nach dem 17.8.2000, ohne im Besitz eines Passes oder eines Visums gewesen zu sein, aus Frankreich, wo ihm nach seinen Angaben sein Pass von einem Agenten abgenommen worden sei, in die Bundesrepublik eingereist. Sein Asylantrag, den er am 15.9.2000 aus der am 5.9.2000 angeordneten Abschiebungshaft gestellt habe, sei mit dem seit 12.10.2000 bestandskräftigen Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 28.9.2000 als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden. Aufgrund seiner unerlaubten Einreise sei der Betroffene vollziehbar ausreisepflichtig. Der Betroffene habe auch nicht glaubhaft gemacht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen werde. Der Betroffene habe bis zu seiner Festnahme am 4.9.2000 sich im Bundesgebiet aufgehalten, ohne sich bei der Ausländerbehörde zu melden. Die Weitergabe des Passes durch den Betroffenen spreche dafür, dass er seinen Aufenthalt und seinen Reiseweg verschleiern wollte.

2. Nach Meinung des Senats hält die angefochtene Entscheidung im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG, § 3 Satz 2 FreihEntzG, § 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO). Das Landgericht hat den entscheidungserheblichen Sachverhalt verfahrensfehlerfrei festgestellt und ohne Rechtsfehler gewürdigt. Die den Senat bindenden Tatsachenfeststellungen (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 561 ZPO) tragen die vom Betroffenen beanstandete Haftanordnung.

a) Der Haftgrund des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 AuslG ist gegeben. Aufgrund der unerlaubten Einreise ohne Pass und Visum ist der Betroffene vollziehbar ausreisepflichtig (§ 42 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr.1, § 58 Abs. 1 Nrn. 1 und 2, § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1., § 4 Abs. 1 AuslG).

Das Landgericht hat sich zwar nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr.4 AsylVfG der Aufrechterhaltung der vom Amtsgericht angeordneten Abschiebungshaft entgegensteht. Diese Frage ist aber zu verneinen. Unabhängig davon, wie lange sich der Betroffene nach seiner unerlaubten Einreise in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten hat, hindert sein Asylantrag gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr.4 AsylVfG die Aufrechterhaltung von Abschiebungshaft auf der Grundlage von § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 AuslG nicht, weil er entgegen § 13 Abs. 3 Satz 2 AsylVfG nicht unverzüglich um Asyl nachgesucht, sondern den Antrag erst aus der Sicherungshaft heraus gestellt hat.

Der in § 14 Abs. 4 Satz l Nr.4 AsylVfG bezüglich des Haftgrundes des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 AuslG enthaltene Zusatz "weil er (der Ausländer) sich nach der unerlaubten Einreise länger als einen Monat ohne Aufenthaltsgenehmigung im Bundesgebiet aufgehalten hat" steht nicht entgegen. Mit dem Zusatz wird lediglich "klargestellt, dass die Neuregelung nicht die Inhaftnahme von potentiellen Asylsuchenden nach der Einreise und vor der Asylantragstellung bewirkt" (BT-Drucks. 13/4948 S.11). Demnach entfällt der Haftgrund des § 57 Abs. 2 Satz 1, Nr.1 AuslG nicht bei einem unerlaubt eingereisten Ausländer, der sich entgegen § 13 Abs. 3 Satz 2'AsylVfG nicht unverzüglich bei einer Aufnahmeeinrichtung meldet oder bei der Ausländerbehörde oder der Polizei um Asyl nachsucht (BayObLGZ 1999, 97/98f).

b) Die weiteren Darlegungen des Landgerichts zur Begründung seiner Entscheidung treffen zu.

Die Voraussetzungen der Bestimmung des § 5V Abs. 2 Satz 3 AuslG hat das Landgericht ohne Rechtsfehler verneint.

Hinderungsgründe stehen der Haftanordnung nicht entgegen.

Die Aufenthaltsgestattung, die der Betroffene aufgrund seines Asylantrags erworben hatte (§ 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG), ist erloschen (§ 67 Abs. 1 Nr.6 AsylVfG).

Ob die Abschiebung des Betroffenen ansonsten zu Recht betrieben wird, haben die Ausländerbehörde und die Verwaltungsgerichte, nicht die Haftgerichte zu prüfen (vgl. BayObLGZ 1993 311/313; KG NWZ 1997, 516; OLG Karlsruhe InfAuslR 1997, 408/409).

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt. Die Prognose des Landgerichts, dass die Abschiebung des Betroffenen innerhalb der nächsten drei Monate nicht unmöglich sei (§ 57 Abs. 2 Satz 4 AuslG), ist rechtlich nicht zu beanstanden.

c) Der Senat möchte die sofortige weitere Beschwerde zurückweisen. Da der Senat einen Haftgrund im Sinne von § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr.5 AsylVfG nicht für gegeben hält, stehen die im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf sofortige weitere Beschwerde ergangenen Entscheidungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf (aaO) und des Oberlandesgerichts Karlsruhe (aaO) entgegen. Diese Gerichte beantworten die für die Entscheidung erhebliche Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen die Abschiebungshaft gegen einen Ausländer, der aus der Sicherungshaft heraus seinen Asylantrag gestellt hat, aufrecht erhalten werden kann, abweichend. Sie sind der Auffassung, dass der Wortlaut der Bestimmung des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr.4 AsylVfG der Auslegung des Senats entgegenstehe und gehen davon aus, dass die Abschiebungshaft nur dann aufrecht erhalten werden kann, wenn sich der Ausländer länger als einen Monat ohne Aufenthaltsgenehmigung im Bundesgebiet aufgehalten hat. Nach dieser Auffassung müssten der Beschluss des Landgerichts vom 24.1.2001 und der Beschluss des Amtsgerichts vom 1.12.2000 aufgehoben werden, da sich der Betroffene nach seiner Einreise nicht länger als einen Monat ohne Aufenthaltsgenehmigung im Bundesgebiet aufgehalten hat. Das Rechtsmittel wird daher dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

Ende der Entscheidung

Zurück