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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 28.03.2002
Aktenzeichen: 3Z BR 58/02
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 22 Abs. 2
Von einem akademisch vorgebildeten Berufsbetreuer wird erwartet, dass ihm die Zulässigkeitsvoraussetzungen für ein Rechtsmittel im Betreuungsverfahren bekannt sind.
Gründe:

I.

Das Amtsgericht entließ am 12.12.2001 mit sofortiger Wirksamkeit den ehemaligen Betreuer, der die Betreuung berufsmäßig führte, und bestellte statt seiner eine Rechtsanwältin als neue Betreuerin. Die vom ehemaligen Betreuer eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht am 7.1.2002 zurückgewiesen. Der Beschluss des Landgerichts war nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen. Er wurde dem ehemaligen Betreuer am 17.1.2002 zugestellt. Am selben Tag fragte der Betreuer per Fax unter Hinweis auf die fehlende Rechtsmittelbelehrung bei dem Landgericht an, ob gegen den Beschluss Rechtsmittel eingelegt werden könne. Dieses Fax wurde nicht beantwortet.

Mit Fax vom 27.1.2002 legte der ehemalige Betreuer gegen die Entscheidung des Landgerichts weitere Beschwerde ein. Der Senat verwarf diese durch Beschluss vom 19.2.2002 wegen Formmangels. Mit Fax seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 8.3.2002 ließ der ehemalige Betreuer erneut sofortige weitere Beschwerde gegen den landgerichtlichen Beschluss einlegen und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einlegungsfrist beantragen.

II.

Die erneute sofortige weitere Beschwerde ist unzulässig, da sie nach Ablauf der vom Gesetz für sie vorgesehenen Frist eingelegt wurde.

1. Eine Entscheidung, durch die ein Betreuer gegen seinen Willen entlassen worden ist, kann mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden (§ 69g Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FGG). Das Rechtsmittel muss binnen einer Frist von zwei Wochen ab dem Zeitpunkt, in welchem die Entscheidung dem Betreuer bekannt gemacht worden ist, eingelegt werden (§ 22 Abs. 1 Satz 1, § 69g Abs. 4 Satz 2 FGG). Soweit eine Entscheidung der sofortigen Beschwerde unterliegt, findet auch gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts die sofortige weitere Beschwerde statt (§ 29 Abs. 2 FGG), für die in Ansehung der Frist die Regelungen für die Erstbeschwerde gelten (§ 29 Abs. 4 FGG).

Die landgerichtliche Entscheidung wurde dem ehemaligen Betreuer (vgl. OLG Stuttgart FGPrax 1996, 148) am 17.1.2002 durch Zustellung (§ 16 Abs. 2 Satz 1 FGG) bekannt gemacht. Die erneute sofortige weitere Beschwerde ging am 8.3.2002 bei Gericht ein. Zu diesem Zeitpunkt war die Frist von zwei Wochen abgelaufen. Der Umstand, dass der Entscheidung eine Rechtsmittelbelehrung nicht beigefügt war, hindert den Beginn der Frist nicht (vgl. BayObLGZ 1999, 232; 2001, 297/301).

2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist ist nicht zu gewähren. Voraussetzung hierfür ist, dass der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten (§ 22 Abs. 2 Satz 1 FGG). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt.

Wird eine wie hier gesetzlich nicht vorgeschriebene Rechtsmittelbelehrung (vgl. BayObLGZ 1999, 232) nicht erteilt, kann zwar ein hierauf beruhender Irrtum eines anwaltschaftlich nicht vertretenen und juristisch nicht vorgebildeten Beteiligten über die Voraussetzungen für die Einlegung eines befristeten Rechtsmittels unverschuldet im Sinne von § 22 Abs. 2 Satz 1 FGG sein (vgl. BayObLGZ 2001, 297/301). Die Annahme fehlenden Verschuldens liegt nahe, wenn dem Beteiligten seine Rechtsunkenntnis nicht vorgeworfen werden kann. Dadurch wird dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch des Bürgers auf wirkungsvollen Rechtsschutz Rechnung getragen (vgl. BayObLG aaO). Ist von dem Beteiligten jedoch zu erwarten, dass er aufgrund seiner Vorbildung und Erfahrung in gerichtlichen Verfahren oder aufgrund anwaltlicher Beratung die Voraussetzungen für die Einlegung des Rechtsmittels kennt oder ohne weiteres ermitteln kann, reicht in aller Regel das Unterbleiben einer Belehrung nicht aus, um fehlendes Verschulden zu begründen. Der ehemalige Betreuer ist hier hinreichend juristisch vorgebildet und als Berufsbetreuer ständig im Bereich des Betreuungsrechts tätig. Unter diesen Umständen ist von ihm zu erwarten, dass er im Stande ist, sich Klarheit über die Möglichkeit, Form und Frist einer Anfechtung der seine Entlassung betreffenden Beschwerdeentscheidung zu verschaffen. Er hat sich nach dem bei den Akten befindlichen Zeugnis mit Erfolg der Diplomprüfung für Sozialwirte (wirtschaftswissenschaftliche Richtung) unterzogen, wobei sich diese Prüfung auf die wirtschaftlich und sozialpolitisch wesentlichen Teile der Rechtswissenschaft erstreckte. Insoweit hat er auch im vorliegenden Verfahren "besondere Kenntnisse" geltend gemacht, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind und die durch eine abgeschlossene Hochschulausbildung erworben wurden (§ 1 Abs. 1 Satz 2 BVormVG). Die Betreuung einer Betroffenen mit großem Vermögen wie hier bringt es mit sich, dass der Betreuer in die Lage kommen kann, namens der Betroffenen Rechtsbehelfe ergreifen zu müssen. Von einem Betreuer, der die Qualifikation für eine solche Betreuung für sich in Anspruch nimmt, ist zu erwarten, dass er die Zulässigkeitsvoraussetzungen von Rechtsmitteln kennt oder sich diese Kenntnisse aus dem Gesetz oder anhand entsprechender Hilfsmittel verschaffen kann. Im übrigen war der Betreuer zumindest im vorliegenden Betreuungsverfahren wiederholt mit Rechtsmitteln befasst und hatte einschlägige Rechtsmittelbelehrungen erhalten. Die eigene Untätigkeit des Betreuers begründet sein Verschulden bezüglich der Fristversäumung. Dieses wird nicht durch die Nichtbeantwortung seines Fax vom 17.1.2002 seitens des Landgerichts beseitigt. Wenn das Gericht jedenfalls aufgrund der dargelegten Besonderheiten des Einzelfalles nicht verpflichtet war, eine Rechtsmittelbelehrung zu erteilen, kann eine solche Pflicht auch nicht durch eine darauf abzielende Anfrage begründet werden.

Ende der Entscheidung

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