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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 21.02.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 60/01
Rechtsgebiete: AuslG
Vorschriften:
AuslG § 57 Abs. 3 Satz 2 |
BayObLG Beschluss
LG Kempten (Allgäu) 4 T 7/01; AG Kempten (Allgäu) 2 XIV 42/00 B
21.02.01
Der 3.Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Plößl und Dr. Schreieder
am 21.Februar 2001
in der Abschiebungshaftsache
auf die sofortige weitere Beschwerde der Ausländerbehörde
beschlossen:
Tenor:
I. Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 19. Januar 2001 wird zurückgewiesen.
II. Die dem Betroffenen im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen werden der Stadt Kempten (Allgäu) auferlegt.
Gründe
I.
Die Ausländerbehörde betreibt die Abschiebung des Betroffenen, eines syrischen Staatsangehörigen.
Mit Beschluss vom 13.12.2000 verlängerte das Amtsgericht mit sofortiger Wirksamkeit die gegen ihn zur Sicherung seiner Abschiebung seit 15.3.2000 vollzogene Abschiebungshaft erneut um längstens drei Monate.
Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht am 19.1.2001 diesen neuerlichen Haftverlängerungsbeschluss aufgehoben und den ihm zugrunde liegenden Antrag der Ausländerbehörde abgelehnt.
Hiergegen wendet sich die Ausländerbehörde mit der sofortigen weiteren Beschwerde.
II.
Das zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass weitere Abschiebungshaft unverhältnismäßig sei. Es bestünden keine sinnvollen und konkreten Möglichkeiten mehr, die Identität des Betroffenen ohne dessen Mitwirkung festzustellen. Es sei davon auszugehen, dass der Betroffene hinsichtlich seiner Identität keine bzw. keine sachdienlichen Angaben machen werde. Seine bisherigen Angaben hätten sich als falsch herausgestellt. Die Anfragen an das syrische Außenministerium bzw. bei der syrischen Botschaft seien ergebnislos gewesen. Eine Vorführung des Betroffenen bei der syrischen Botschaft erscheine nicht sinnvoll.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hat im Ergebnis Bestand.
a) Zwar begegnet deren Begründung durchgreifenden rechtlichen Bedenken (§ 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG, § 3 Satz 2 FreihEntzG, § 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO). Das Landgericht hat nicht hinreichend dargelegt, weshalb es die Angaben des Betroffenen zu seiner Identität für falsch und aufgrund welcher Erwägungen es die Bemühungen der Ausländerbehörde um die Erlangung eines Heimreisescheins für endgültig gescheitert hält (vgl. hierzu BayObLGZ,1997, 350/352; OLG Hamm InfAus1R 1998, 351). Der Akteninhalt bietet für diese Schlussfolgerungen keine ausreichende tatsächliche Grundlage.
b) Gleichwohl besteht kein Anlass, die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen. Vielmehr kann der Senat selbst entscheiden, weil er, ohne dass es weiterer Ermittlungen bedarf, die für die Beurteilung der Zulässigkeit weiterer Abschiebungshaft erforderlichen Feststellungen aus den Akten treffen kann (vgl. BGHZ 35, 135/142 f6; BayObLGZ 1985, 63/66).
aa) Sicherungshaft kann über sechs Monate hinaus nur verlängert werden, wenn der Betroffene die Ausländerbehörde durch ein von ihm zu vertretendes pflichtwidriges Tun oder Unterlassen daran gehindert hat, ihn innerhalb der grundsätzlichen Hafthöchstdauer von sechs Monaten abzuschieben (§ 57 Abs. 3 Satz 2 AuslG; vgl. hierzu OLG Hamm FGPrax 1997, 77/78; KG FGPrax 1995, 128/129; Saarl. OLG FGPrax 1999, 243). Ein pflichtwidriges Unterlassen in diesem Sinne kann darin bestehen, dass der Betroffene sich entgegen § 15 Abs. 2 Nr.6 AsylVfG weigert, in dem erforderlichen Maß an der Beschaffung der notwendigen Heimreisedokumente mitzuwirken (vgl. BT-Drucks. 12/4450 S.18; OLG Braunschweig Nds.Rpfl. 1995, 394; OLG Düsseldorf InfAus1R 1995, 209 und 1995, 367/368; OLG Hamm FGPrax 1997, 77/78; SchlHOLG AuAS 1999, 16). Das Unterbleiben der Abschiebung in dem genannten Zeitraum muss maßgeblich auf das zurechenbare pflichtwidrige Verhalten des Betroffenen zurückzuführen sein (vgl. OLG Düsseldorf aao; KG FGPrax 1995, 128/ 129; Saarl. OLG FGPrax 1999, 243/244). Die Voraussetzungen des § 57 Abs. 3 Satz 2 AuslG müssen feststehen. Verbleiben Zweifel, darf der Betroffene nicht über sechs Monate hinaus in Haft gehalten werden (vgl. KG FGPrax 1995, 128/129).
bb) So liegt der Fall hier. Es fehlen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die vom Betroffenen angegebenen Personalien falsch sind. Ob ihm zum Vorwurf gemacht werden kann, seine in Aleppo/Syrien bzw. in der Bundesrepublik lebenden Verwandten nicht um die Übermittlung eines Identitätsnachweises gebeten zu haben, kann dahinstehen. Der Senat vermag sich nämlich keine Überzeugung dahin zu bilden, dass ein - unterstellt erfolgreiches - Tätigwerden des Betroffenen in dieser Richtung seine Abschiebung innerhalb von sechs Monaten ermöglicht hätte. Die Behandlung der Sache durch die syrischen Behörden rechtfertigt es, hieran ernsthaft zu zweifeln. Die Ausländerbehörde hat der syrischen Botschaft die bei der Festnahme des Betroffenen vorgefundene Kopie des syrischen Reisepasses bzw. syrischen Personalausweises seines nach wie vor in Aleppo lebenden Vaters vorgelegt. obwohl die Identifizierung des Betroffenen mit Hilfe dieses Dokuments ohne weiteres möglich erscheint, hat die syrische Botschaft auf den Antrag der Ausländerbehörde vom 13.4.2000 seit nunmehr über zehn Monaten nicht reagiert. Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der Kopie um eine Fälschung handelt, liegen nicht vor, insbesondere wird solches von den syrischen Behörden bislang nicht geltend gemacht. Die verzögerliche Sachbehandlung durch die Heimatbehörden ist dem Betroffenen in diesem Zusammenhang nicht zuzurechnen (vgl. OLG Düsseldorf InfAuslR 1995, 367/368).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG (vgl. BayObLGZ 1993, 177/179).
Ende der Entscheidung
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