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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 23.05.2000
Aktenzeichen: 3Z BR 61/00
Rechtsgebiete: KostO


Vorschriften:

KostO § 44 Abs. 2 a
KostO § 25 Abs. 1 Satz 2
KostO § 25
KostO § 25 Abs. 1
Es besteht jedenfalls in kostenrechtlicher Hinsicht ein Mietvertrag von unbestimmter Dauer, wenn eine der Parteien bis zum Beginn der Mietzeit ohne Angabe von Gründen zurücktreten kann.
3Z BR 61/00 LG München 1 13 T 16396/99

Bayerisches Oberstes Landesgericht

BESCHLUSS

Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Fuchs und Dr. Schmid

am 23. Mai 2000

in der Kostensache

auf die weitere Beschwerde der Beteiligten

beschlossen:

Tenor:

I. Der Beschluß des Landgerichts München I vom 27. Januar 2000 wird aufgehoben.

II. Die Kostenrechnung des Notars Dr. Bernhard Schaub vom 30. Juni 1999, Kostenregister-Nr. 1552/99 wird aufgehoben.

Einer neuen Kostenrechnung darf nur ein 8 183 954 DM nicht übersteigender Geschäftswert zugrundegelegt werden.

Gründe:

I.

Am 28.6.1999 beurkundete der weitere Beteiligte den Verkauf von Grundstücken nebst einem Vorkaufsrecht an die Beteiligte zum Kaufpreis von 3 255 000 DM zuzüglich 529 914 DM darauf entfallende Umsatzsteuer. Die Beteiligte sollte die Grundstücke bebauen und anschließend an die Käufer vermieten. Ziffer XV der Kaufvertragsurkunde lautet:

"Zwischen dem Käufer und dem Verkäufer wird, aufschiebend bedingt mit Eintritt des Tages der Besitzübergabe, der Mietvertrag geschlossen, der niedergelegt ist in der Anlage I zu dieser Urkunde."

Die Präambel des Mietvertrags lautet:

"1. Der Vermieter wird in Vollzug des in der Haupturkunde und des erforderlichen Nachtrags zur Messungsanerkennung und Auflassung Eigentümer der mit der Haupturkunde erworbenen Grundstücke bzw. Teilflächen (nachfolgend "Mietgrundstück" genannt).

Das Grundstück wird vom Vermieter bebaut, sobald die Baugenehmigung erteilt wurde. Eine Vermietung ist nur möglich, wenn diese Voraussetzungen vorliegen.

2. Der Mietvertrag tritt deshalb nur in Kraft, wenn alle nachfolgend genannten Bedingungen vorliegen:

a) Abschluß und Sicherstellung des Vollzuges des Grundstückserwerbsvertrages.

b) Erteilung der Baugenehmigung einschließlich Genehmigung der vorgesehenen Nutzung und Eintritt der Rechtsbeständigkeit.

c) Die öffentlich-rechtlichen Genehmigungen enthalten keine Abweichungen, Änderungen oder Auflagen, die einer wirtschaftlich sinnvollen Durchführung der Baumaßnahme aus der Sicht eines ordentlichen Grundstücksentwicklers als Vermieter entgegenstehen.

Der Vermieter ist verpflichtet, den Mieter unverzüglich schriftlich zu unterrichten, wenn die Bedingungen gemäß litt a)-c) eingetreten sind.

3. Nachdem die schriftliche Mitteilung gemäß Ziff. 2 vorliegt, kann sich keine Partei mehr darauf berufen, der Mietvertrag sei wegen Nichteintritts einer oder mehrerer der vereinbarten Bedingungen noch nicht wirksam geworden. Insoweit hat die Mitteilung konstitutive Wirkung; sie setzt den Vertrag zu den nachfolgenden Bestimmungen und rechtsverbindlich für alle Vertragsschließenden in Kraft."

In § 6 des Mietvertrags ist folgende Mietdauer/Option vereinbart:

"1. Die Mietzeit beträgt 20 Jahre.

Sie beginnt mit der Nutzung des Mietobjektes durch den Mieter, spätestens bei Übernahme gemäß § 5.

2. Die Mietzeit verlängert sich automatisch 2 mal um 5 Jahre, es sei denn, der Mieter widerspricht 3 Monate vor dem Verlängerungseintritt durch eingeschriebenen Brief.

3. Nach Ablauf der Mietzeit gemäß Ziff. 2 verlängert sich das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit. Es kann jetzt von jeder Seite mit einer Frist von 12 Monaten gekündigt werden. Die Kündigung bedarf der Schriftform."

In § 24 enthält der Mietvertrag ein Rücktrittsrecht für den Mieter wie folgt:

"1. Der Mieter ist bis zur Übergabe des Mietobjekts jederzeit ohne Angabe von Gründen zum Rücktritt von diesem Vertrag berechtigt.

2.....

3. Im Falle eines Rücktritts gemäß Absatz 1.... sind gegenseitige Rückabwicklungsansprüche ausgeschlossen. Die Parteien sind sich darüber einig, daß die Wirksamkeit des Kaufvertrages von einem Rücktritt oder einer Kündigung dieses Mietvertrages nicht berührt wird."

Seiner Kostenberechnung vom 30.6.1999 legte der Notar folgende Bewertung zugrunde:

Kaufvertrag, Kaufpreis + Mehrwertsteuer =|3 784 914 DM |Vorkaufsrecht an der Restfläche, Wertbestimmung gem. S 20 Abs. 2 KostO = 1/2 des Verkehrswertes =|850 000 DM|Mietvertrag - Bruttomiete + Nebenkosten x 12 x 20 = 21 993 600 DM - Wertsicherungsklausel, 10 % aus kapitalisierter Nettomiete =|1 668 000 DM|Gesamtwert, § 44 Abs. 2a KostO =|28 296 514 DM.

Mit ihrer Beschwerde gegen den Wertansatz der Kostenberechnung machte die Beteiligte geltend, gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 KostO sei nur der dreifache Jahresmietzins und nicht ein Mietzins von 20 Jahren anzusetzen. Der Geschäftswert für den Kaufvertrag und den Mietvertrag belaufe sich demnach auf 8 183 954 DM. Mit Beschluß vom 27.1.2000 hat das Landgericht die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beteiligte mit ihrer weiteren, vom Landgericht zugelassenen Beschwerde, mit der sie weiter geltend macht, daß lediglich ein Mietzins für drei Jahre angesetzt werden dürfe.

II.

Die zulässige weitere Beschwerde (§ 156 Abs. 2 KostO) ist in der Sache begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, die Beteiligte wende sich ausschließlich gegen die Bewertung des Mietvertrages. Der Wert des Mietvertrages bestimme sich gemäß § 25 KostO. Bei Verträgen von bestimmter Dauer oder Mindestdauer sei der Wert aller Leistungen des Mieters während der ganzen Vertragsdauer maligebend. Der hier vorliegende Mietvertrag sei von bestimmter Dauer. Dies folge zum einen aus Ziffer XV des notariellen Kaufvertrages vom 28.6.1999, in dem niedergelegt sei, daß der als Anlage beigefügte Mietvertrag aufschiebend bedingt mit dem Eintritt des Tages der Besitzübergabe geschlossen werde. Die Wirksamkeit des Vertrages sei in der Schwebe bis zum Eintritt der Bedingung. Gemäß § 24 bestehe für den Mieter ein freies Rücktrittsrecht bis zur Besitzübergabe, d. h. mit Eintritt der Bedingung - Besitzübergabe - sei der Mietvertrag fest für die vereinbarte Dauer von 20 Jahren geschlossen. Eine Rücktrittsmöglichkeit bestehe danach nie, weil der Mietvertrag nach der Regelung im Kaufvertrag erst mit der Besitzübergabe Rechtswirkungen erzeuge. Das freie Rücktrittsrecht sei deshalb ohne Einfluß auf die bestimmte Mietzeit. Selbst wenn der aufschiebend bedingte Mietvertrag gleichwohl gewisse Vorwirkungen erzeuge, so daß der Mieter bereits mit dem Vertragsschluß das Recht erhalte, bis zur Besitzübergabe vom Mietvertrag ohne Angabe von Gründen zurückzutreten, ändere dies nichts an der Feststellung, daß der Mietvertrag für eine bestimmte Zeit abgeschlossen worden sei. Seien die Bedingungen gemäß Ziffer 2 der Präambel des Mietvertrags erfüllt, gelte dieser als rechtsverbindlich geschlossen. Die vereinbarte Festdauer des Mietvertrags beginne jedoch erst mit der Besitzübergabe, so daß das bis zu dem Zeitpunkt eingeräumte freie Rücktrittsrecht auf die Dauer keinen Einfluß ausübe. Insoweit bestehe durch die Auflösungsmöglichkeit keine Ungewißheit, weil vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses an feststehe, daß mit der Besitzübergabe die Mietzeit 20 Jahre betrage, was durch keine der Parteien willkürlich beeinflußt werden könne. Das Rücktrittsrecht habe nur Bedeutung für den Bestand des Vertrages als solchen bis zu dessen tatsächlichem Vollzug, nicht aber für die Dauer der erst danach beginnenden Mietzeit. § 25 KostO stelle jedoch auf die vereinbarte Dauer des Mietvertrages ab und nicht darauf, ob der Vertrag aus anderen Gründen keinen Bestand habe.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 FGG, § 550 ZPO) nicht stand.

Nach § 25 Abs. 1 KostO bemißt sich der Wert eines Mietrechtes nach dem Wert aller Leistungen des Mieters während der ganzen Vertragszeit. Bei Mietrechten von unbestimmter Vertragsdauer ist der Wert dreier Jahre maßgebend; ist jedoch die Auflösung des Vertrags erst nach einem längeren Zeitraum zulässig, so ist dieser maßgebend. Ob ein Vertrag von bestimmter oder unbestimmter Dauer im Sinne des § 25 KostO vorliegt, ist eine Frage der Auslegung (Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann - folgend Korintenberg - KostO 14. Aufl. § 25 Rn. 9).

a) Maßgebend für die Bewertung ist der Zeitpunkt, in dem die Gebühr fällig wird (§ 18 Abs. 1 KostO). Dies ist in der Regel der Zeitpunkt, in dem das gebührenpflichtige Geschäft beendet ist (§ 7 KostO). Für die Bewertung eines Vertrages hat die spätere Entwicklung des Rechtsverhältnisses kostenrechtlich keine Bedeutung; vielmehr ist der Inhalt des Geschäfts maßgebend. Es ist daher insbesondere ohne Bedeutung, ob der von den Beteiligten beabsichtigte Erfolg tatsächlich eintritt, ob das beurkundete Rechtsverhältnis erfüllt, aufgehoben oder angefochten wird (Rohs/Wedewer KostO 3. Aufl. § 18 Rn. 4; Korintenberg § 18 Rn. 5).

b) Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses war die Dauer des Mietvertrages unbestimmt, weil der Mieter berechtigt war, bis zur Übernahme des Mietobjektes vom Mietvertrag zurückzutreten.

aa) In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, daß ein Mietvertrag von unbestimmter Dauer vorliegt, wenn der Vertrag zwar auf bestimmte Zeit geschlossen ist, eine der Vertragsparteien den Vertrag aber ohne Vorliegen besonderer Voraussetzungen kündigen kann (OLG Hamm Rpfleger 1959, 289; Rohs/Wedewer § 25 Rn. 7; Korintenberg § 25 Rn. 7; Hartmann Kostengesetze 29. Aufl. § 25 KostO Rn. 6). In diesen Fällen ist die Vertragsdauer letztlich ungewiß, weil bei Vertragsschluß nicht feststeht, ob vom Kündigungsrecht Gebrauch gemacht wird. Dieser Ungewißheit wird bewertungsmäßig dadurch Rechnung getragen, daß der Vertrag als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen angesehen wird.

bb) Es besteht kein überzeugender Grund, das hier gegebene Mietverhältnis mit vertraglichem Rücktrittsrecht unter Bewertungsgesichtspunkten anders zu behandeln als ein Mietverhältnis mit voraussetzungsfreiem Kündigungsrecht einer Mietvertragspartei. Der für die bewertungsmäßige Einordnung eines Mietverhältnisses mit voraussetzungsfreiem Kündigungsrecht als Mietverhältnis mit unbestimmter Vertragsdauer maßgebende Umstand liegt darin, daß eine Vertragspartei ohne jede Bindung darüber entscheiden kann, ob das Mietverhältnis bis zu dem vorgesehenen Endzeitpunkt durchgeführt wird. Die zu erbringenden Leistungen sind daher, weil das Vertragsverhältnis wie ein unbefristetes jederzeit beendet werden kann, nicht abzuschätzen. Für diesen Fall bewertet das Gesetz das Mietverhältnis mit dem Wert der Leistungen dreier Jahre. Insoweit unterscheiden sich jedoch die hier in Frage stehenden Gestaltungsmöglichkeiten nicht. Die Kündigung beendet das Mietverhältnis für die Zukunft (Palandt/ Heinrichs BGB 59. Aufl. Einf. von § 346 Rn. 8). Der hier bis zum Austausch der vertraglich geschuldeten Leistung zulässige Rücktritt hat zur Folge, daß es zum Leistungsaustausch nicht mehr kommt und die beiderseitigen Erfüllungsansprüche erlöschen (Palandt/Heinrichs § 346 Rn. 2). Das Rücktrittsrecht ist wie das Kündigungsrecht an keine Voraussetzungen gebunden. Es kann bis zur Übergabe der Mietsache mit der Folge ausgeübt werden, daß es zum Leistungsaustausch nicht mehr kommt. Bei Kündigung wie Rücktritt ist es letztlich dem Belieben des Mieters überlassen, welche Leistungen aufgrund des Vertrages zu erbringen sind. Es wäre ein nicht gerechtfertigter Wertungswiderspruch, würde das hier gegebene voraussetzungsfreie Rücktrittsrecht zu einer anderen Bewertung führen als ein voraussetzungsfreies Kündigungsrecht.

cc) Dem steht nicht entgegen, daß die Wirksamkeit des Mietvertrages von verschiedenen Bedingungen abhängig ist. Aufschiebende oder auflösende Bedingungen sind zwar für die Bewertung, soweit es um die Begründung eines Rechtsverhältnisses geht, grundsätzlich unbeachtlich (BayObLGZ 1986, 235/240 f.; Korintenberg § 18 Rn. 30; Hartmann § 18 Rn. 7). Dies ändert jedoch nichts daran, daß die einseitige freie Gestaltungsmöglichkeit einer Vertragspartei hinsichtlich der im Rahmen eines Mietverhältnisses zu erbringenden Leistungen wenn auch nicht für dessen Begründung, so doch im Rahmen des § 25 Abs. 1 KostO für dessen Einordnung als Mietverhältnis mit bestimmter oder unbestimmter Vertragsdauer von Bedeutung ist.

Der Auffassung des Landgerichts, das Rücktrittsrecht habe neben der in Ziffer XV des Vertrages genannten Bedingung keine Bedeutung, vermag der Senat nicht zu folgen. Die Vertragsparteien haben in § 24 des Mietvertrages, der Bestandteil der notariellen Urkunde ist, ausführlich geregelt, unter welchen konkreten Voraussetzungen sich jede Partei, auch die Beteiligte als Vermieterin, vor Übergabe des Mietobjekts von dem Vertrag soll lösen können. Daraus ergibt sich, daß die Vermieterin, wenn die Voraussetzungen des Rücktrittsrechts nicht gegeben sind, zur Übergabe der Mietsache verpflichtet sein soll. Daher entspricht es nicht dem Willen der Vertragsparteien, wenn die Übergabe als selbständige aufschiebende Bedingung für alle mietvertraglichen Bindungen angesehen wird. Vielmehr ist Ziffer XV des Kaufvertrags dahin auszulegen, daß der Beginn der Mietzeit und damit die konkreten mietrechtlichen Verpflichtungen der Vertragsparteien unter der Voraussetzung der Übergabe stehen und erst mit dieser beginnen sollen, wie dies auch in § 6 des Mietvertrages festgelegt ist. Daß die Mietvertragszeit nicht bereits mit Vertragsschluß, sondern erst mit Übergabe der Mietsache beginnt und ab diesem Zeitpunkt weder Rücktritt noch Kündigung möglich ist, ist unbeachtlich, da für die Bewertung nicht auf den Beginn der Mietzeit, sondern auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abgestellt werden muß.



Ende der Entscheidung

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