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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 26.03.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 65/01
Rechtsgebiete: BGB, BVormVG


Vorschriften:

BGB § 1836
BVormVG § 1
Zur Frage, der Vergütung eines Rechtsanwaltes, der seinen Kanzleibetrieb wirtschaftlich überwiegend auf die Tätigkeit als Berufsbetreuer ausgerichtet hat.
BayObLG Beschluss

LG München I - 13 T 1589/01; AG München 715 XVII 585/93

3Z BR 65/01

26.03.01

Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts ha unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Nitsche und Fuchs am 26. März 2001

in der Betreuungssache

auf die sofortige weitere Beschwerde des Betreuers

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 30. Januar 2001 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 4.4.1998 bestellte das Amtsgericht für die vermögende Betroffene einen Rechtsanwalt als Berufsbetreuer für die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge sowie Betreuung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern. Für seine Tätigkeit bis 31.12.1999 wurde dem Betreuer aus dem Vermögen der Betroffenen eine Vergütung auf der Basis eines Stundensatzes von 200 DM zuzüglich Mehrwertsteuer bewilligt.

Auf seinen Antrag vom 20.11.2000, ihm für die Zeit vom 1.1. bis 31.10.2000 eine Vergütung von 2590,60 DM, wiederum auf der Basis eines Stundensatzes von 200 DM zuzüglich Mehrwertsteuer, zu bewilligen, setzte das Amtsgericht einen Betrag von 1746,51 DM fest. Dabei legte es für den Zeitraum vom 1.1. bis 31.8.2000 einen Stundensatz von 200 DM und für die Zeit vom 1.9. bis 31.10.2000 einen Stundensatz von 60 DM zugrunde.

Die sofortige Beschwerde des Betreuers hat das Landgericht am 4.1.2001 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betreuer mit der vom Landgericht zugelassenen sofortigen weiteren Beschwerde, mit der er auch für die Monate September und Oktober 2001 einen Stundensatz von 200 DM anstrebt.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig, insbesondere vom Landgericht zugelassen (§ 69e Satz 1, § 56g Abs. 5 Satz 2 FGG), bleibt jedoch ohne Erfolg.

1. Das Landgericht hat die Bemessung des Stundensatzes wie folgt begründet: Die Vergütung richte sich gemäß der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 31.8.2000 nach § 1 BVormVG. Nach dieser Entscheidung sei eine Abweichung vom bereits zuerkannten Höchstsatz von 60 DM nur möglich, wenn sich - gemessen an der Qualifikation des Betreuers - besondere Schwierigkeiten ergeben hätten. Dafür lägen keine Anhaltspunkte vor. Auch aus Gründen des Vertrauensschutzes könne der Beschwerdeführer keine höhere Vergütung verlangen. Nach der neuen Rechtslage sei die Betreuung bemittelter und mittelloser Betroffener nach den gleichen Kriterien zu vergüten. Bereits in einem am 15.3.1999 erschienenen Aufsatz sei darauf hingewiesen worden, dass sich ein höherer Vergütungsanspruch gegen einen vermögenden Betreuten nach der Neuregelung des Vergütungsrechts zum 1.1.1999 durch das Betreuungsrechtsänderungsgesetz vom 25.6.1998 nur schwer begründen lasse.

Dementsprechend habe das Oberlandesgericht Zweibrücken in einem Beschluss vom 22.9.1999 die Auffassung vertreten, die Vergütung des Berufsbetreuers bestimme sich nach Inkrafttreten der Neuregelung bei bemittelten und mittellosen Betreuten grundsätzlich nach den gleichen Kriterien. Das Bayerische oberste Landesgericht habe die Frage mit Beschluss vom 15.12.1999 dem Bundesgerichtshof vorgelegt. Dies habe zu der Entscheidung vom 31.8.2000 geführt. Vor diesem Hintergrund könne sich der Beschwerdeführer nicht auf den Schutz vor Rückwirkung in der Rechtsprechung berufen. Vielmehr habe sich nach der Gesetzesänderung zum 1.1.1999 die Rechtsprechung im Fluss befunden. Auch innerhalb Bayerns habe keine einheitliche Beurteilung der neuen Rechtslage bestanden. Aus dem Umstand, dass die bayerischen Gerichte überwiegend bis zum Bekanntwerden des Beschlusses des Bundesgerichtshofs vom 31.8.2000 Vergütungsanträge für die Betreuung vermögender Betroffener nicht ausschließlich am Maßstab des § 1 BVormVG gemessen hätten, könne der Beschwerdeführer nichts herleiten. Die Rechtslage habe sich am 1.1.1999 grundlegend geändert. Der Beschwerdeführer könne sich auch nicht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz berufen. Dieser sei Ausdruck des Willkürverbotes und besage, dass gleichgelagerte Sachverhalte nur aus sachlichen Gründen unterschiedlich behandelt werden dürften. Sachlicher Grund für eine Änderung der Rechtsprechung sei die obergerichtliche Entscheidung gewesen, dass bei der Anwendung von § 1836 BGB maßgebliches Kriterium die Vorschrift des § 1 BVormVG sei. Es sei auch zu bedenken, dass es bei der Vergütung der Betreuung vermögender Betroffener letztlich darum gehe, eine Vergütung zu Lasten des Vermögens der Betroffenen anzuordnen. Diese hätten Anspruch darauf, dass die Höhe der Vergütung nach Recht und Gesetz bemessen werde. Der Betreuer könne sich auch nicht darauf berufen, dass die Betroffene der beantragten Vergütung zugestimmt habe. Eine solche Zustimmung befinde sich nicht in den Akten. Auf ein Schreiben der Rechtspflegerin habe die Betroffene nicht reagiert.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) stand.

a) Soweit der Beschwerdeführer generell die Verfassungsmäßigkeit des Betreuungsrechtsänderungsgesetzes und dessen Auslegung durch den Bundesgerichtshof bezüglich der Vergütung von Berufsbetreuern vermögender Betreuter anzweifelt, greifen die erhobenen Einwände nicht durch. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 16.3.2000 (BtPrax 2000, 120/123) die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes in diesem Bereich ausdrücklich bejaht. Der Bundesgerichtshof hat am 31.8.2000 (BtPrax 2001, 30/32) entschieden, dass sich die Betreuervergütung für vermögende Betreute an § 1 Abs. 1 BVormVG zu orientieren habe, und dies, auch unter Würdigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben, ausführlich begründet. Der Senat hat sich dem angeschlossen (BayObLGZ 2000, 316 und 331). Das Vorbringen des Beschwerdeführers enthält zu diesen Fragen keine wesentlichen neuen Argumente. Der Senat sieht daher unter Hinweis auf die vorgenannten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs von einer näheren Begründung ab.

b) Auch soweit der Beschwerdeführer geltend macht, ihm hätte im Rahmen einer Übergangsregelung für die Monate September und Oktober 2000 ein über 60 DM liegender Stundensatz zugebilligt werden müssen, kann der Senat dem nicht folgen.

aa) Der Beschwerdeführer weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ein Rechtsanwalt, der seinen Kanzleibetrieb wirtschaftlich auf eine Tätigkeit als Berufsbetreuer ausgerichtet habe, durch das Betreuungsrechtsänderungsgesetz in der Auslegung des Bundesgerichtshofs in seiner Existenz betroffen werde. Erziele er einen erheblichen Teil seines Einkommens durch die Führung von Betreuungen, so könne er nicht sofort sämtliche Betreuungen aufgeben und sich neue. Einkommensmöglichkeiten suchen, da in solchen Fällen kein anderer Mandantenstamm aufgebaut worden sei. Er habe auch, da er in größeren Zeitabständen abrechne, erhebliche Vorleistungen erbracht. Die neue Vergütungsregelung wirke deshalb in die Vergangenheit. Insoweit stehe ihm, auch im Hinblick auf die nach dem 1.1.1999 fortbestehende Rechtsprechungspraxis des Bayerischen Obersten Landesgerichts, aus verfassungsrechtlichen Gründen unter dem Gesichtspunkt verbotener (echter oder unechter) Rückwirkung ein Vertrauensschutz bis mindestens 31.12.2000 zu.

bb) Das Landgericht hat in Kenntnis dieser Erwägungen für die Zeit ab 1.9.2000 nur einen Stundensatz von 60 DM zugebilligt. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

(1) Führt der Betreuer die Betreuung berufsmäßig, ist ihm eine Vergütung zu bewilligen. Deren Höhe bestimmt sich nach den für die Führung der Betreuung nutzbaren Fachkenntnissen des Betreuers sowie nach dem Umfang und der Schwierigkeit der Geschäfte des Betreuers (§ 1908i Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1836 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB). Sie errechnet sich aus der für die Betreuung aufgewandten und erforderlichen Zeit und dem zugrunde zu legenden Stundensatz (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 BVormVG). § 1836 Abs. 2 Satz 2 BGB enthält keine betragsmäßige Konkretisierung des Stundensatzes. Jedoch stellen die in § 1 BVormVG vorgesehenen Sätze eine Orientierungshilfe und Richtlinie für die Festsetzung der Vergütung auch bei bemittelten Betreuten dar (BGH BtPrax 2001, 30/32). Im Einzelfall hat der Tatrichter den Stundensatz unter Beachtung dieser Kriterien nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen (BayObLGZ 1999, 375/378). Seine Entscheidung ist als Ermessensentscheidung im Verfahren der weiteren Beschwerde nur eingeschränkt überprüfbar (vgl. BayObLGZ 2000, 136/138).

(2) Das Landgericht hat den entscheidungserheblichen Sachverhalt verfahrensfehlerfrei und damit für den Senat bindend festgestellt (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 561 ZPO). Auch seine Überlegungen zur Ausübung des Ermessens sind frei von Rechtsfehlern.

Der Senat braucht im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden, ob es, wie der Beschwerdeführer meint, aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten ist, berufsmäßig tätigen Betreuern, die ihr Einkommen überwiegend durch die Führung von Betreuungen erzielen, für einen Übergangszeitraum einen die Regelsätze des § 1 Abs. 1 BVormVG übersteigenden Stundensatz zu bewilligen. Selbst wenn man die Ermessensbestimmung des § 1836 Abs. 2 Satz 2 BGB dahin auslegt, dass zwar im Regelfall die wirtschaftliche Situation des Betreuers für die Ermessensausübung nicht mehr von Bedeutung sein kann (BGH BtPrax 2001, 30 ff.), diese aber für eine Übergangszeit aus Gründen des Vertrauensschutzes berücksichtigt werden darf, ist die Entscheidung des Landgerichts, jedenfalls für die Zeit ab dem 1.9.2000 einen höheren Stundensatz nicht zu bewilligen, nach den dargelegten Grundsätzen nicht zu beanstanden.

Das Landgericht durfte annehmen, dass ein Vertrauensschutz im September 2000 nicht mehr gegeben war. Spätestens mit der Verkündung des Betreuungsrechtsänderungsgesetzes am 25.6.1998 mussten sich die als Betreuer tätigen Rechtsanwälte auf die Neuregelung einstellen. Mit überzeugender Begründung hat das Landgericht dargelegt, dass die Berufsbetreuer nicht damit rechnen durften, § 1 Abs. 1 BVormVG werde lediglich für die Betreuungen mittelloser Personen Anwendung finden. Dafür gab es nach dem Gang des Gesetzgebungsverfahrens keinen hinreichenden Grund (vgl. BGH BtPrax 2001, 30/31; Karmasin FamRZ 1999, 348/349). Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht auch für die Zeit nach Inkrafttreten des Betreuungsrechtsänderungsgesetzes das Entstehen eines solchen Vertrauenstatbestandes verneint. Auch wenn bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs bei den Berufsbetreuern immer wieder Hoffnung aufkeimte (vgl. Walter BtPrax 1998, 125/128), die Rechtsprechung könnte sich dahin entwickeln, § 1 BvormVG auf die Betreuung Bemittelter nicht anzuwenden, so konnte sich doch kein ausreichender Vertrauensschutz entwickeln. Jedenfalls nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 22.9.1999 (FamRZ 2000, 180) war offenkundig, dass die Rechtslage zumindest unklar war. Auch das Bayerische Oberste Landesgericht hatte zum neuen Recht keine Entscheidungen mehr getroffen, in denen dem Betreuer eines bemittelten Betreuten ein über 60 DM hinausgehender Stundensatz zuerkannt wurde. Es hat vielmehr die Rechtsfrage bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit mit Beschluss vom 15.12.1999 (BtPrax 2000, 85) dem Bundesgerichtshof vorgelegt. Das Landgericht durfte daher ein schützenswertes Vertrauen des Betreuers für die Zeit nach dem 31.8.2000 verneinen.

Darauf, dass der Beschwerdeführer sein Einkommen überwiegend aus der Führung von Betreuungen bezieht und bisher hierfür bei bemittelten Betreuten einen Regelstundensatz von 200 DM zugebilligt erhielt, musste das Landgericht nicht entscheidend abstellen. Dieser Gesichtspunkt kann allenfalls dazu führen, dem Betreuer im Rahmen der Ermessensausübung für eine gewisse Übergangszeit einen über 60 DM hinausgehenden Stundensatz zuzubilligen, um ihm eine Anpassung an die geänderte Rechtslage zu ermöglichen. Für die Bemessung dieser Übergangsfrist wäre die Übergangsregelung, die der Gesetzgeber im Betreuungsrechtsänderungsgesetz gerade auch unter diesen Aspekten für die Vergütung bei mittellosen Betreuten geschaffen hat, ein gewisser Anhaltspunkt. Danach kann das Vormundschaftsgericht dem Betreuer für seine Tätigkeit bis 30.6.2000 eine erhöhte Vergütung zubilligen (vgl. § 1 Abs. 3 BVormVG in seiner ursprünglichen Fassung). Jedenfalls für die Zeit nach dem 31.8.2000 war es daher nicht ermessensfehlerhaft, einen erhöhten Stundensatz unter diesem Gesichtspunkt zu versagen.

c) Dahinstehen kann, ob und in welchem Umfang eine Vereinbarung zwischen dem Beschwerdeführer als Betreuer und der Betreuten über die Höhe der Vergütung im Vergütungsfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen ist. Das Landgericht hat eine solche Vereinbarung nicht festgestellt. Daraus, dass die Betreute dem Vergütungsantrag des Beschwerdeführers nicht widersprochen hat, musste es keine Folgerungen für die Höhe des Stundensatzes ziehen.

Ende der Entscheidung

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