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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 08.05.2002
Aktenzeichen: 3Z BR 68/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1836 Abs. 2 Satz 2
Die Höhe der Honorare, die für die private Verwaltung eines über 9 Mio. Euro betragenden Vermögens des Betroffenen üblicherweise zu zahlen sind, sind kein Maßstabist für die Bemessung der Betreuervergütung.
Gründe:

I.

Für die Betroffene sind Betreuer bestellt. Die Sorge für ihr Vermögen obliegt gemäß Beschlüssen des Amtsgerichts vom 22.4. und 12.8.1999 einem Rechtsanwalt als Berufsbetreuer. Diesem bewilligte das Amtsgericht für die bis 15.12.2000 wahrgenommenen Betreuergeschäfte Vergütungen aus dem Vermögen der Betroffenen unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von jeweils 300 DM.

Auf dieser Basis setzte das Amtsgericht am 25.10.2001 auch die Vergütung für den Abrechnungszeitraum 18.12.2000 bis 18.6.2001 fest. Auf die sofortige Beschwerde der Verfahrenspflegerin der Betroffenen hat das Landgericht dem Betreuer mit Beschluss vom 22.2.2002 dagegen nur noch einen Stundensatz von 150 DM zuerkannt.

Hiergegen wendet sich der Betreuer mit der vom Landgericht zugelassenen sofortigen weiteren Beschwerde.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat die Reduzierung des Stundensatzes wie folgt begründet:

Gemäß der Funktion des § 1 BVormVG als Orientierungshilfe bei der Bemessung des Stundensatzes für die Betreuung bemittelter Betreuter stehe dem Betreuer aufgrund seiner Qualifikation grundsätzlich ein Stundensatz von 60 DM zu. Hier rechtfertige die aus der Art und dem Umfang des zu verwaltenden Vermögens resultierende Schwierigkeit der Betreuergeschäfte jedoch eine Erhöhung dieses Regelstundensatzes. Das Vermögen belaufe sich auf über 9 Mio. Euro und bestehe im wesentlichen aus einem Anwesen in Bad Reichenhall, aus Schmuck und aus Kapitalvermögen, das auf diversen Bankkonten, in Rentenpapieren und in Aktienfonds angelegt sei. Hieraus beziehe die Betroffene erhebliche laufende Einkünfte. Die Erhaltung des Fondsvermögens trotz der anhaltenden Schwäche auf dem Aktienmarkt sei auf das außergewöhnliche Engagement des Betreuers zurückzuführen. In den verfahrensgegenständlichen Abrechnungszeitraum falle die Überwachung des umfangreichen und mit Steuervorteilen für die Betroffene verbundenen Umbaus ihres Anwesens, nicht dagegen das Ausfindigmachen von Auslandsvermögen. Angemessen sei unter diesen Umständen eine Erhöhung des Stundensatzes auf 150 DM. Eine weitere Erhöhung komme dagegen auch aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht in Betracht.

2. Die Entscheidung des Landgerichts lässt Rechtsfehler nicht erkennen (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO n.F.).

a) Die Höhe der Vergütung des Berufsbetreuers ist durch das Vormundschaftsgericht gemäß § 1908i Abs. 1 Satz 1, § 1836 Abs. 2 Satz 2 BGB nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen (vgl. BT-Drucks.13/7158 S.55 f.; BGHZ 145, 104/109; OLG Frankfurt a.Main Rpfleger 2000, 498).

aa) Die Vergütung ist nach den für die Führung der Betreuung nutzbaren Fachkenntnissen des Betreuers sowie nach dem Umfang und der Schwierigkeit der Betreuungsgeschäfte zu bemessen (§ 1836 Abs. 2 Satz 2 BGB). Hierbei geht das Gesetz vom Stundensatzsystem aus, d.h. die Vergütung ist aus der für die Tätigkeit aufgewendeten Zeit und einem Stundensatz zu berechnen (vgl. auch § 1 Abs. 1 BVormVG). Dem Umfang der Geschäfte wird dadurch Rechnung getragen, dass der erforderliche Zeitaufwand mit den entsprechenden Stundensätzen abgegolten wird. Für die Bestimmung des angemessenen Stundensatzes sind die beiden anderen Kriterien entscheidend (BGHZ 145, 114 f.; BayObLGZ 1999, 375). Dem Vermögen des Betreuten kommt nur insoweit eine indirekte Bedeutung zu, als es Umfang und Schwierigkeit der Betreuungsgeschäfte beeinflussen kann (BGH aaO; ebenso OLG Düsseldorf FGPrax 2000, 196; OLG Brandenburg FGPrax 2001, 73). Den Erfolg der Tätigkeit des Betreuers nennt das Gesetz nicht als Bemessungskriterium. Vielmehr geht es davon aus, dass das Gericht einen Betreuer auswählt, der über die den Bedürfnissen der konkreten Betreuung entsprechenden Fähigkeiten verfügt und dann auch einen diesen Fähigkeiten entsprechenden Stundensatz erhält.

bb) Bei der Bemessung des Stundensatzes kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den in § 1 Abs. 1 BVormVG für die Vergütung von Betreuern mittelloser Betreuter festgelegten Stundensätzen für die Vergütung von Betreuern bemittelter Betreuter Richtlinienfunktion zu. Der Tatrichter darf sie nur überschreiten, wenn die Schwierigkeit der im Abrechnungszeitraum angefallenen Betreuungsgeschäfte dies im Einzelfall ausnahmsweise gebietet (vgl. BGHZ 145, 104). Eine entsprechende Schwierigkeit kann sich sowohl aus der Höhe und Zusammensetzung des verwalteten Vermögens als auch aus anderen Umständen tatsächlicher oder rechtlicher Art in der Person oder in den Lebensumständen des Betreuten ergeben (vgl. OLG Frankfurt a. Main Rpfleger 2000, 498/499). Sie rechtfertigt einen erhöhten Stundensatz, wenn die Anforderungen der Betreuung im Abrechnungszeitraum über den Regelfall einer Betreuung mit entsprechendem Aufgabenkreis deutlich hinausgegangen sind und die Vergütung des Betreuers mit dem seiner Qualifikation nach § 1 Abs. 1 BVormVG entsprechenden Stundensatz zu der von ihm erbrachten gesteigerten Leistung in einem klaren Missverhältnis stünde (vgl. BayObLGZ 2000, 316; 2001, 122/124).

cc) Von diesen Grundsätzen ist das Landgericht zutreffend ausgegangen. Ihnen folgt in ständiger Rechtsprechung auch der Senat (vgl. BayObLGZ 2000, 316, 331/333; BayObLG BtPrax 2001, 164/165; BayObLGZ 2001, 122/124; BayObLG NJW-RR 2001, 1446). Entgegen der Rechtsbeschwerde verstößt diese Auslegung des § 1836 Abs. 2 Satz 2 BGB durch den Bundesgerichtshof nicht gegen das Grundgesetz. Die von Glade (FamRZ 2001, 479) und dem Amtsgericht Starnberg (Rpfleger 2001, 421) an der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 31.8.2000 geübte Kritik gibt keinen Anlass, diesen mit der Frage der Bemessung des Stundensatzes für die Vergütung von Betreuern vermögender Betreuter erneut zu befassen. Der Festlegung der Stundensätze für die Vergütung von Betreuern mittelloser Betreuter in § 1 Abs. 1 BVormVG liegt eine mit dem Grundgesetz vereinbare (vgl. BVerfG BtPrax 2000, 120/122 f.) Bewertung des Gesetzgebers bezüglich der von Betreuern im Normalfall zu erbringenden Leistung und der Angemessenheit der ihnen hierfür zu gewährenden Entlohnung zugrunde. Der Senat teilt die Ansicht des Bundesgerichtshofs, dass die Stundensätze des § 1 Abs,1 BVormVG im Regelfall auch für die von Betreuern vermögender Betreuter erbrachten Leistungen ein angemessenes Entgelt darstellen (vgl. BGHZ 145, 104/114; vgl. auch BVerfG BtPrax 2000, 120/122 f.). Der Umstand, dass diese Stundensätze insoweit nicht zwingend sind, lässt Raum, besonderen Schwierigkeiten der konkreten Betreuung im Rahmen der Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens Rechnung zu tragen, insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betreuten, soweit sie sich in der Schwierigkeit der Betreuungsgeschäfte niederschlagen, bei der Bemessung der Vergütung individuell zu berücksichtigen (vgl. BT-Drucks.13/7158 S.55 f.; Engers MDR 2001, 92/93). Erkenntnisse, dass infolge der dargelegten Grundsätze die wirtschaftliche Existenz des Berufszweiges Betreuer nicht mehr gewährleistet wäre, liegen dem Senat nicht vor (vgl. auch SchlHOLG MDR 2001, 994/995). Schließlich werden diese Grundsätze auch von anderen Oberlandesgerichten angewendet (vgl. OLG Frankfurt a. Main FGPrax 2001, 73; OLG Hamm FamRZ 2001, 655 [LS]; OLG Karlsruhe FGPrax 2001, 72; SchlHOLG MDR 2001, 994 und BtPrax 2001, 259; Thür. OLG Rpfleger 2001, 127/128; OLG Zweibrücken BtPrax 2001, 78).

dd) Ist der Stundensatz, der sich danach ergibt, niedriger als der Stundensatz, der dem Berufsbetreuer nach dem bis zum 31.12.1998 geltenden Recht zuerkannt wurde, hat der Tatrichter in seine Erwägungen mit einzubeziehen, ob und gegebenenfalls inwieweit im Wege des Härteausgleichs eine (weitere) Erhöhung des Stundensatzes in Betracht kommt (vgl. BayObLGZ 2000, 331/334; 2001, 122/125).

ee) Die tatrichterliche Bemessung des Stundensatzes ist rechtsfehlerhaft, wenn das Tatgericht sich des ihm zustehenden Ermessens nicht bewusst war, von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Feststellungen ausgegangen ist, wesentliche Umstände außer Betracht gelassen, der Bewertung relevanter Umstände unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt, gegen Denkgesetze verstoßen oder Erfahrungssätze nicht beachtet, von seinem Ermessen einen dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Gebrauch gemacht oder die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hat (vgl. BayObLGZ 1996, 47/49 m.w.N.).

b) Die Ermessensausübung des Landgerichts ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Bei der Prüfung, ob dem Betreuer wegen der Schwierigkeit der zu bewältigenden Aufgaben ein den Regelstundensatz von 60 DM (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr.2 BVormVG) übersteigender Stundensatz zuzubilligen ist, hat das Landgericht zu Recht darauf abgestellt, welchen Anforderungen der Betreuer sich in den sechs Monaten vom 18.12.2000 bis zum 18.6.2001 bei der Verwaltung des Vermögens der Betroffenen gegenübersah. Hierüber gaben die mit dem Vergütungsantrag vorgelegte detaillierte "Zeiterfassung für Honorarabrechnung" und die Erwiderungen des Betreuers auf die Stellungnahmen und das Beschwerdevorbringen der Verfahrenspflegerin anschaulich Aufschluss. Anhaltspunkte dafür, dass die Kammer wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen oder den Einsatz des Betreuers unvertretbar unterbewertet hat, liegen nicht vor. Sie hat beachtet, dass der Betreuer im Hinblick auf den Umfang und die Struktur des zu verwaltenden Vermögens eine große Verantwortung trägt, die mit einem beträchtlichen Haftungsrisiko korrespondiert, und die an ihn gestellten Anforderungen deshalb ungewöhnlich hoch sind. Ungeachtet dessen, dass die werterhaltende Umschichtung des Kapitalvermögens der Betroffenen durch die weitgehende Auflösung der Aktien- und Aktienfondsanlage und die mündelsichere Wiederanlage der Erlöse nicht mehr in den Abrechnungszeitraum fiel, hat der Betreuer den Kapitalmarkt ständig gewissenhaft zu beobachten, um bezüglich der Anlageformen des Vermögens rechtzeitig reagieren und anstehende Anlageentscheidungen sachgerecht treffen zu können. Was das Auslandsvermögen angeht, war die Regelung von Ansprüchen der Betroffenen gegen den Raiffeisenverband Salzburg bereits im Februar 2000 abgeschlossen. Nachforschungen nach Vermögen in der Schweiz haben in der Zeit vom 18.12.2000 bis 18.6.2001 nicht stattgefunden. Maßgeblich geprägt war diese Zeitspanne vielmehr von der Inanspruchnahme des Betreuers für die Renovierung und den Umbau des Anwesens der Betroffenen in Bad Reichenhall, das der Betreuer nunmehr für sich und seine Familie anzumieten beabsichtigt.

Unter diesen Umständen begegnet die Bemessung des Stundensatzes auf 150 DM für den konkreten Zeitraum keinen rechtlichen Bedenken. Der Vorwurf der Rechtsbeschwerde, mit dieser Ermessensausübung verstoße das Landgericht gegen das Willkürverbot, ist unberechtigt. Die Kammer hat die für die Ermessensausübung maßgeblichen Grundsätze beachtet und sich noch im Rahmen des Ermessensspielraums gehalten, der dem Tatrichter für die Bewertung der bei Verwaltung eines derart hohen Vermögens konkret erbrachten Leistungen zusteht. Darin, dass das Gericht eine Reihe der vom Betreuer für die weitere Zubilligung eines Stundensatzes von 300 DM vorgebrachten Argumente nicht hat durchgreifen lassen, liegt kein Rechtsfehler. Angesichts des klaren Gesetzeswortlauts ist für die Bemessung des Stundensatzes des Betreuers die Höhe der Honorare oder Gebühren, die für eine private Verwaltung eines solchen Vermögens üblicherweise vereinbart werden, nicht von maßgebender Bedeutung. Die Größe des Vermögens und der unbestreitbare Verwaltungserfolg, den der Betreuer erzielt hat, rechtfertigen als solche die Zubilligung des bisherigen Stundensatzes ebenso wenig wie der Umstand, dass eine weitere Vergütung auf der Basis eines Stundensatzes von 300 DM nach dem Vortrag des Betreuers dem Willen der Betroffenen und ihrer Angehörigen entsprechen würde (vgl. BayObLG BtPrax 2001, 164/166; FamRZ 2002, 130/131).

Auch mit der Frage eines Härteausgleichs hat sich das Landgericht rechtsfehlerfrei auseinandergesetzt.

Ende der Entscheidung

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