Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 29.04.2003
Aktenzeichen: 3Z BR 68/03
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 13a
Erledigt sich eine öffentlich-rechtliche Unterbringung während des Beschwerdeverfahrens und war die Anordnung nicht rechtmäßig ergangen, so sind die notwendigen Auslagen des Betroffenen der zuständigen Behörde aufzuerlegen.
Gründe:

I.

Der Betroffene wurde am 27.9.2001 von der Polizei in ein psychiatrisches Krankenhaus eingeliefert, nachdem er sich in der Öffentlichkeit gegenüber ihm unbekannten Personen sowie Polizeibeamten psychisch auffällig verhalten hatte. Noch am selben Tag ordnete das zuständige Vormundschaftsgericht auf Grund eines schriftlichen Antrags der ärztlichen Leitung des Krankenhauses durch einstweilige Anordnung die vorläufige öffentlichrechtliche Unterbringung des Betroffenen in der Klinik bis zum 7.11.2001 an. Der Beschluss wurde zwar dem Landratsamt S., nicht aber der an sich zuständigen Behörde der Stadt S. mitgeteilt. Dieser war allerdings - ausweislich des Verteilers - der Einlieferungsbericht der tätig gewordenen Polizeiinspektion, der auch die Anschrift des Betroffenen im Bereich der zuständigen Behörde enthielt, zur Kenntnis gebracht worden.

Mit Schreiben vom 2.10.2001 legte der Betroffene gegen den Unterbringungsbeschluss Beschwerde ein. Mit Schriftsatz vom 10.10.2001 zeigten seine Verfahrensbevollmächtigten ihre Vertretung an und begründeten die Beschwerde. Am 11.10.2001 wurde der Betroffene aus der stationären Behandlung nach Hause entlassen. Auf die daraufhin auf die Kostenfrage beschränkte Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 12.2.2003 festgestellt, dass die Hauptsache seit 11.10.2002 erledigt sei. Die dem Beschwerdeführer im ersten und zweiten Rechtszug erwachsenen notwendigen Auslagen wurden der zuständigen Behörde auferlegt.

Hiergegen richtet sich das am 10.3.2003 bei Gericht eingegangene Rechtsmittel der zuständigen Behörde.

II.

1. Die sofortige weitere Beschwerde ist gemäß § 20a Abs. 2, § 27 Abs. 2 FGG statthaft, weil hier das Landgericht erstmals über den Kostenpunkt entschieden hat.

Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt den in § 20a Abs. 2 FGG vorausgesetzten Betrag von 100 Euro, nachdem die angefochtene Entscheidung die Auslagen des Betroffenen im ersten und im zweiten Rechtszug des Unterbringungsverfahrens betrifft und der Betroffene im zweiten Rechtszug anwaltlich vertreten war (vgl. § 112 Abs. 1, 5 BRAGO).

Die sofortige weitere Beschwerde wurde auch fristgerecht eingelegt.

2. Sie ist aber in der Sache nicht begründet.

a) Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

Es entspreche hier der Billigkeit im Sinne von § 13a Abs. 1 Satz 1 KostO, die dem Betroffenen entstandenen Auslagen der zuständigen Behörde aufzuerlegen. Hätte sich das Rechtsmittel nicht durch die Entlassung des Betroffenen erledigt, wäre die Beschwerde voraussichtlich erfolgreich gewesen. Die vom Vormundschaftsgericht angeordnete vorläufige Unterbringung des Betroffenen habe nicht den Voraussetzungen der Art. 1 und 10 UnterbrG i.V.m. § 70h Abs. 1 FGG entsprochen, weil weder dem Einlieferungsbericht der Polizei noch dem Antrag der Klinik eine Tatsachengrundlage für die Annahme einer Selbst- oder Fremdgefährdung des Betroffenen entnommen werden könnte.

Die außergerichtlichen Kosten des Betroffenen seien nicht der Staatskasse aufzuerlegen, weil eine solche Entscheidung in § 13a Abs. 2 Satz 1 FGG nur für zivilrechtliche Unterbringungsmaßnahmen vorgesehen sei. Auch die Voraussetzungen einer zwingenden Auferlegung der Auslagen des Betroffenen auf die Verwaltungsbehörde nach § 13a Abs. 2 Satz 3 FGG seien nicht erfüllt, weil der Antrag auf eine öffentlich-rechtliche Unterbringungsmaßnahme weder abgelehnt noch zurückgenommen worden sei.

Die letztgenannte Vorschrift biete aber einen Auslegungsmaßstab auch für die Fälle einer nach § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG zu treffenden Billigkeitsentscheidung nach Erledigung der Hauptsache.

Habe die Behörde - wie hier - keinen Unterbringungsantrag gestellt, sondern der Leiter einer Einrichtung, in der sich der Betroffene befunden habe, diesen festgehalten, weil auf Grund einer Untersuchung des Betroffenen begründete Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Unterbringung des Betroffenen bestünden, und habe daraufhin das Gericht eine vorläufige Unterbringung des Betroffenen angeordnet, so seien, wenn diese Anordnung zu Unrecht ergangen sei, mangels vom Betroffenen verschuldeten Anlasses die ihm erwachsenen, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Körperschaft aufzuerlegen, deren Behörde für die Stellung eines Unterbringungsantrags zuständig gewesen wäre.

Denn die Einrichtung habe als "beliehener Unternehmer" im Sinne des Sicherheitsrechts den der Behörde obliegenden Schutz der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung wahrgenommen. Ihr Leiter sei verpflichtet gewesen, nicht nur das Gericht, sondern auch die Behörde zu benachrichtigen. Diese trage die Verantwortung für die Entscheidung, ob der Betroffene auch weiterhin festgehalten werden müsse. In erster Linie sei sie für die Durchführung des Unterbringungsverfahrens verantwortlich und deshalb auch in jeder Lage des Verfahrens an diesem zu beteiligen. Verständige der Leiter der Einrichtung die Behörde nicht oder bleibe diese trotz Benachrichtigung untätig, so könne dies nicht dazu führen, dass der Betroffene seine Auslagen selbst tragen müsse (vgl. BayObLGZ 1990, 350/355).

b) Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO).

Die Annahme des Landgerichts, dass das seiner Unterbringung vorausgehende Verhalten des Betroffenen ausweislich des Akteninhalts die Anordnung einer vorläufigen öffentlich-rechtlichen Unterbringung nicht rechtfertigen konnte, ist nicht zu beanstanden. Ungeachtet seines psychisch auffälligen Betragens waren weder Anhaltspunkte einer Selbstgefährdung noch einer von ihm ausgehenden Gefahr für Dritte im Sinne von Art. 1 Abs. 1 UnterbrG feststellbar.

Gemäß § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG kann das Gericht anordnen, dass die Kosten, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, von einem Beteiligten ganz oder teilweise zu erstatten sind, wenn dies der Billigkeit entspricht. Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass diese Vorschrift auch dann anwendbar ist, wenn die besonderen Verfahrensbeendigungsgründe gemäß § 13a Abs. 2 Satz 3 FGG nicht gegeben sind (vgl. Keidel/Zimmermann FGG 15.Aufl. § 13a Rn. 511).

Ebenso zutreffend ist die Wertung des Landgerichts, dass die zuständige Behörde hier als Beteiligte im Sinne von § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG anzusehen war, obwohl sie selbst keinen Antrag auf Unterbringung gestellt hat. Die Kammer hat insoweit die Grundsatze der Senatsentscheidung vom 20.12.1990 (BayObLGZ 1990, 350/355) herangezogen, von denen abzuweichen kein Anlass besteht.

Unabhängig hiervon trifft der Einwand der zuständigen Behörde, sie habe keinen Einfluss auf das Verfahren nehmen können, deshalb nicht zu, weil sie laut Verteiler des Einlieferungsberichts der tätig gewordenen Polizeiinspektion über den Vorgang informiert worden war. Sie hätte hierdurch sowohl ihre Zuständigkeit erkennen als auch gegebenenfalls die Entlassung des Betroffenen veranlassen können, bevor diesem durch Beauftragung seiner Verfahrensbevollmächtigten die verfahrensgegenständlichen Kosten entstanden waren.

Ende der Entscheidung

Zurück