Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 20.07.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 69/01
Rechtsgebiete: GG, UnterbrG


Vorschriften:

GG Art. 2 Abs. 2 Satz 2
UnterbrG Art. 1 Abs. 1
Zur Frage der Verhältnismäßigkeit einer vorläufigen Unterbringung wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, wenn die paranoiden Eltern ihren volljährigen Sohn gewaltsam aus dem Familienbereich seiner Freundin holen wollen.
Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Plößl und Dr. Denk

am 20. Juli 2001

in der Unterbringungssache

auf die sofortigen weiteren Beschwerden der Betroffenen

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen zu 1 gegen den Beschluss des Landgerichts Bayreuth vom 24. Januar 2001 wird zurückgewiesen.

II. Der Beschluss des Landgerichts Bayreuth vom 24. Januar 2001 wird aufgehoben, soweit er die Betroffene zu 2 betrifft.

III. Es wird festgestellt, dass die Anordnung der vorläufigen Unterbringung der Betroffenen zu 2 gemäß Beschluss des Amtsgerichts Bayreuth vom 20. August 2000 nicht rechtmäßig erfolgt ist.

IV. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Betroffenen zu 2 werden der Stadt Bayreuth auferlegt.

V. Der Geschäftswert für die Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf jeweils 5000 DM festgesetzt.

VI. Die durch die vorläufige Unterbringung entstandenen Unterbringungs- und Heilbehandlungskosten für die Betroffene zu 2 werden der Stadt Bayreuth auferlegt, soweit nicht ein Träger der Sozialversicherung leistungsverpflichtet ist oder die Betroffene Kostenersatz von einer privaten Krankenversicherung erlangen kann.

Gründe:

I.

Der damals 21 Jahre alte Sohn der beiden Betroffenen hatte sich während seines Studiums in Schweden sehr stark von seinen Eltern entfremdet. Diese entwickelten deswegen wahnhafte Vorstellungen. Sie meinten, der Sohn stehe unter dem hypnotischen Einfluss fremder Kräfte.

Als sich der Sohn während der Ferien in seiner Heimatstadt bei den Eltern seiner Freundin, den Eheleuten B., aufhielt, versuchten die Betroffenen mehrfach vergebens, Kontakt zu ihm herzustellen. Am 19.8.2000 begab sich zunächst der Betroffene zu 1 zum Anwesen der Familie B. Um einen Eklat zu vermeiden, begleitete der Sohn den Betroffenen auf die Straße, um dort ein Gespräch zu führen. In dessen Verlauf gab der Betroffene dem Sohn eine Ohrfeige und umklammerte ihn mit den Armen. Ein Anwohner und herbeigerufene Polizeibeamte trennten die beiden. Der Sohn begab sich zurück in das Anwesen B. Dort erschienen kurze Zeit später auch die beiden Betroffenen. Als auf ihr Klingeln nicht geöffnet wurde, entriegelte die Betroffene zu 2 das Gartentor. Beide Betroffene betraten das Anwesen und, nachdem die Haustüre von einem Bewohner geöffnet wurde, auch das Haus. Dort kam es zu einer körperlichen Auseinandersetzung mit dem Sohn, die sich im Garten fortsetzte. Die hinzugekommenen Polizeibeamten trennten die Betroffenen gewaltsam von ihrem Sohn und drängten sie auf die Straße. Der Betroffene zu 1 leistete Widerstand und rangelte mit den Beamten. Diese überwältigten ihn und verbrachten ihn in das Bezirkskrankenhaus. Die Betroffene zu 2 begab sich nach Hause. Als sie bemerkte, dass sie keinen Hausschlüssel dabei hatte, wollte sie diesen von ihrem Mann holen. Im Bezirkskrankenhaus wurde sie auf Grund ihrer Äußerungen einbehalten.

Das Amtsgericht ordnete am 20.8.2000 nach Anhörung beider Betroffener mit sofortiger Wirksamkeit deren vorläufige Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus längstens bis 1.10.2000 an. Bei der Betroffenen zu 2 wurde zudem die parenterale Gabe von Medikamenten nach Anordnung des Arztes für zulässig erklärt. Für beide Betroffene wurde ein Verfahrenspfleger bestellt. Der Betroffene zu 1 wurde am 23.8., die Betroffene zu 2 am 29.8.2000 aus dem Bezirkskrankenhaus entlassen.

Die Betroffenen legten jeweils gegen die sie betreffende Entscheidung des Amtsgerichts sofortige Beschwerde ein mit dem Ziel, die Rechtswidrigkeit der jeweiligen Maßnahme festzustellen. Das Landgericht hat die beiden Verfahren verbunden und die Rechtsmittel zurückgewiesen.

Hiergegen wenden sich die Betroffenen jeweils mit der sofortigen weiteren Beschwerde.

II.

Die sofortigen weiteren Beschwerden sind zulässig. In der Sache hat nur das Rechtsmittel der Betroffenen zu 2 Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, dass die sofortigen Beschwerden der Betroffenen trotz zwischenzeitlicher Hauptsacheerledigung zulässig seien. Die Anordnung der vorläufigen Unterbringung durch das Amtsgericht sei in beiden Fällen rechtmäßig gewesen. Beide Betroffene litten unter paranoiden Störungen, die im Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation ICD 10 unter F 22.0 und F 24.0 beschrieben seien. Diese Störungen beträfen das Verhältnis zu ihrem Sohn. Obwohl sie im übrigen über einen gut entwickelten Verstand verfügten, seien die Betroffenen nicht in der Lage, das dem Außenstehenden ohne weiteres erklärbare Verhalten ihres Sohnes realistisch zu begreifen und als normalen Abnabelungsprozess gefühlsmäßig zu verarbeiten. Sie glaubten in diesem Zusammenhang an den Einfluss fremder, übernatürlicher Kräfte, die im Wege der Fernhypnose auf ihren Sohn einwirkten.

Das Verhalten der Betroffenen am 19.8.2000 sei darauf angelegt gewesen, ihren Sohn mit Gewalt vom Grundstück der Familie B. zu holen, wobei sie sich auch den herbeigerufenen Polizeibeamten widersetzt hätten. Diese massiven objektiven Rechtsverletzungen stellten eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar, deren Wiederholung aufgrund der Umstände zu befürchten gewesen sei. Die Unterbringung der Betroffenen in einem psychiatrischen Krankenhaus sei daher im öffentlichen Interesse geboten gewesen.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) nur stand, soweit sie den Betroffenen zu 1 betrifft.

a) Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die sofortigen Beschwerden gegen die Anordnungen des Amtsgerichts zulässig sind.

Ungeachtet der Hauptsacheerledigung durch die Entlassung beider Betroffener fehlt den sofortigen Beschwerden nicht das Rechtsschutzbedürfnis. In Fällen, in denen der durch die geschlossene Unterbringung bewirkte tiefgreifende Eingriff in das Grundrecht der Freiheit nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt ist, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Überprüfung in den nach der Rechtsordnung gegebenen Instanzen kaum erlangen kann, ist sein Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der beanstandeten Maßnahme auch bei zwischenzeitlichem Wegfall der direkten Belastung schutzwürdig (Art. 19 Abs. 4 GG; vgl. BVerfG NJW 1998, 2432). Ein solcher Fall liegt hier vor, da der Zeitraum für die verfahrensgegenständliche geschlossene Unterbringung der Betroffenen auf längstens sechs Wochen begrenzt war (vgl. BVerfG aaO; BayObLGZ 1999, 24; 2000, 220/ 221; OLG Karlsruhe FGPrax 2000, 165/166; OLG Zweibrücken FamRZ 2000, 303).

b) Gegen oder ohne seinen Willen kann in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden, wer psychisch krank oder infolge Geistesschwäche oder Sucht psychisch gestört ist und dadurch in erheblichem Maß die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 UnterbrG). Bestehen dringende Gründe für die Annahme, dass diese Voraussetzungen gegeben sind und mit dem Aufschub der Unterbringung Gefahr verbunden wäre, kann das Vormundschaftsgericht gemäß Art. 9 UnterbrG, § 70h FGG die Unterbringung vorläufig anordnen. Hierfür sind folgende Grundsätze maßgebend (vgl. BayObLGZ 1999, 216/217 f.):

aa) Inhalt und Reichweite dieser freiheitsbeschränkenden Norm sind so zu bestimmen, dass sie der Bedeutung der Freiheitsgarantie des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gerecht werden (vgl. BVerfG NJW 1998, 1774; BayObLGZ 1998, 116/118). Die Freiheit der Person ist ein so hohes Rechtsgut, dass sie nur aus besonders gewichtigem Grund angetastet werden darf (vgl. BVerfG NJW 1998, 1774/1775), d.h. wenn überwiegende Belange des Gemeinwohls dies zwingend gebieten (vgl. BVerfG NJW 1984, 1806). Der dem gemäß streng zu beachtende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfG NJW 1998, 1774/1775; BayVerfGH 45, 125/132) ist zentrales Auslegungskriterium für die einzelnen Unterbringungsvoraussetzungen (vgl. Marschner/Volckart Freiheitsentziehung und Unterbringung 4. Aufl. Rn. B 42), setzt den Maßstab für die Aufklärung des Sachverhalts (vgl. BVerfGE 70, 297/308) und verlangt eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles, bei der die vom Betroffenen ausgehenden Gefahren zur Schwere des mit der Unterbringung verbundenen Eingriffs in seine persönliche Freiheit ins Verhältnis zu setzen sind (vgl. BVerfGE 70, 297/313; BayObLGZ 1998, 116/118).

bb) Der Begriff der psychischen Krankheit im Sinne des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 UnterbrG erfasst alle Arten geistiger Abnormität, alle psychischen Abweichungen von der Norm, gleichgültig, welche Ursache sie haben oder wie sie zustande gekommen sind (vgl. BayLT-Drucks. 9/2431 S. 16; Zimmermann Bayerisches Unterbringungsgesetz Art. 1 Rn. 2). Es muss nicht eine Geisteskrankheit oder echte Psychose im medizinischen Sinn vorliegen (vgl. Zimmermann aaO), vielmehr fallen unter den genannten Begriff auch die sog. Psychopathien, d.h. Störungen des Willens-, Gefühls- und Trieblebens, welche die bei einem normalen und geistig reifen Menschen vorhandenen, zur Willensbildung befähigenden Vorstellungen und Gefühle beeinträchtigen (vgl. BayLT-Drucks. 9/2431 S. 16; Zimmermann aaO).

In Anbetracht des hohen Ranges der Freiheit der Person erfordert der Begriff der psychischen Krankheit als Voraussetzung der Unterbringung jedoch einen die Freiheitsentziehung rechtfertigenden Schweregrad der Persönlichkeitsstörung, mithin eine sorgfältige Prüfung, ob dieser Störung Krankheitswert im Sinne des Gesetzes zukommt (vgl. BVerfG NJW 1984, 1806).

cc) Gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss auch die Schutzwürdigkeit der vom psychisch Kranken gefährdeten Rechtsgüter der Schwere des Eingriffs in die persönliche Freiheit entsprechen (vgl. BayObLGZ 1989, 17/20). Die gefährdeten Rechtsgüter müssen von erheblichem Gewicht, die den geschützten Rechtsgütern drohende Gefahr muss erheblich sein.

Letzteres erfordert, dass mit einer Beeinträchtigung der Rechtsgüter zum einen mit hoher Wahrscheinlichkeit und zum anderen jederzeit zu rechnen sein muss (vgl. BayObLGZ 1998, 116/118 m.w.N.).

dd) Die Unterbringung darf nur angeordnet werden, wenn die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht durch weniger einschneidende Mittel abgewendet werden kann (Art. 1 Abs. 1 Satz 3 UnterbrG).

ee) Für den Erlass einer vorläufigen Anordnung müssen konkrete Umstände mit erheblicher Wahrscheinlichkeit (vgl. BayObLGZ 1997, 142/145) darauf hindeuten, dass die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 UnterbrG gegeben sind. Zudem müssen konkrete Tatsachen nahe legen, dass mit dem Aufschub der Unterbringung Gefahr für den Betroffenen bzw. die öffentliche Sicherheit und Ordnung bestünde (vgl. BayObLGZ 1999, 269/272 f.).

c) Die Beurteilung, ob der ermittelte medizinische Sachverhalt den gesetzlichen Begriff der psychischen Krankheit ausfüllt, ob der Betroffene infolge der Krankheit die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und ob seine zwangsweise Unterbringung deshalb erforderlich ist, obliegt dem Tatrichter. Das Rechtsbeschwerdegericht kann dessen Beurteilung nur auf Rechtsfehler überprüfen, d.h. dahin, ob der Tatrichter die betreffenden unbestimmten Rechtsbegriffe verkannt hat, von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Feststellungen ausgegangen ist, wesentliche Umstände außer Acht gelassen, der Bewertung maßgeblicher Umstände unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt, gegen Denkgesetze verstoßen oder Erfahrungssätze nicht beachtet hat (BayObLGZ 1999, 216/218 f.). Auf der Grundlage des vom Landgericht verfahrensfehlerfrei festgestellten und damit für den Senat bindenden Sachverhalts (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 561 Abs. 2 ZPO) ist nach diesen Grundsätzen nur die rechtliche Würdigung des Landgerichts, soweit sie den Betroffenen zu 1 betrifft, nicht zu beanstanden.

aa) Die Feststellung des Landgerichts, die Betroffenen litten an paranoiden Störungen, die als erhebliche psychische Krankheit anzusehen seien, beruht auf den Darlegungen eines erfahrenen psychiatrischen Sachverständigen und dem eigenen Eindruck, den die Kammer im Rahmen der Anhörung gewonnen hat. Sie lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

bb) Das Landgericht durfte von einer erheblichen und konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit durch den Betroffenen zu 1 ausgehen.

Nach den Feststellungen haben sich die Ereignisse am 19.8.2001 so zugetragen wie sie im Polizeibericht geschildert sind. Danach sind die Betroffenen, veranlasst durch ihre Wahnvorstellungen, in das Haus der Eheleute B. eingedrungen und haben versucht, ihren Sohn mit Gewalt vom Grundstück der Eheleute B. zu zerren. Gegenüber den inzwischen eingetroffenen Polizeibeamten hat der Betroffene zu 1 aktiven Widerstand geleistet.

Das Landgericht durfte davon ausgehen, dass, aus der Sicht des über die Anordnung der Unterbringung befindenden Richters, die konkrete Gefahr einer Wiederholung eines derartigen Verhaltens des Betroffenen zu 1 nahe lag, solange sein Sohn noch in der Stadt war. Immerhin war der Betroffene zu 1 bereits einmal, wenn auch einige Wochen vorher, widerrechtlich in das Anwesen der Eheleute B. eingedrungen. Auch war er kurze Zeit vor dem Vorfall am 19.8.2000 in eine tätliche Auseinandersetzung mit seinem Sohn verwickelt, die ebenfalls durch die Wahnvorstellungen charakterisiert war. Das Einschreiten der Polizei im Rahmen dieser Auseinandersetzung hatte ihn nicht davon abgehalten, unmittelbar danach weitere Rechtsbrüche zu begehen, insbesondere in das Anwesen der Eheleute B. einzudringen. Die tatsächliche Entwicklung bis zur Entscheidung über die Unterbringung wies also eine Kette sich steigernder Rechtsverletzungen durch ihn auf. Die behandelnden Ärzte hatten ausdrücklich die Gefahr weiterer Rechtsbrüche bestätigt. Die bevorstehende Abreise sowohl des Sohnes wie auch des Betroffenen zu 1 legte die Befürchtung nahe, der Betroffene zu 1 würde, veranlasst durch seine Wahnvorstellungen, weitere mit erheblichen Rechtsbrüchen verbundene Versuche unternehmen, seinen Sohn vor den Einflüssen der Familie B. zu "retten".

In den danach drohenden Handlungen des Betroffenen zu 1 durfte das Landgericht eine erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit sehen. Sein zu erwartendes Verhalten hat die Qualität erheblicher Straftaten, weil er nicht nur einen Hausfriedensbruch und eine Nötigung begangen hat, sondern sein Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB) von nicht geringem Gewicht war und daher eine neuerliche Anwendung von Gewalt zu befürchten stand. Darin liegt nicht mehr nur eine von den angegriffenen Personen unter Würdigung der Krankheit des Betroffenen hinzunehmende Beeinträchtigung ihrer Rechtsgüter.

cc) Hingegen bestanden keine hinreichenden konkreten Anhaltspunkte dafür, dass auch von der Betroffenen zu 2 nach der Festnahme ihres Mannes eine derartige Gefahr weiterhin ausgehen würde. Das Landgericht hat insoweit die durch die Festnahme des Betroffenen zu 1 eingetretene Veränderung der Situation nicht hinreichend beachtet. Die Betroffene zu 2 hatte bis dahin nur zusammen mit ihrem Mann gehandelt. Ihr Widerstand gegen die Polizeibeamten war passiver Art. Diese hatten keinen Anlass gesehen, auch die Betroffene zu 2 in Gewahrsam zu nehmen, die den Schauplatz nach der Festnahme ihres Mannes verließ. Unter diesen Umständen gab es keine deutlichen Anhaltspunkte dafür, dass die Betroffene zu 2 eigenständig erneute Straftaten von erheblichem Gewicht begehen werde. Auch die behandelnden Ärzte im Bezirkskrankenhaus haben solche konkreten Anhaltspunkte nicht genannt.

dd) Das Landgericht durfte annehmen, dass die Unterbringung des Betroffenen zu 1 zur Abwehr der Gefahr erforderlich war, insbesondere ein milderes Mittel als die Unterbringung nicht zur Verfügung stand. Der Umstand, dass ihn ein vorangehendes Einschreiten der Polizei nicht davon abgehalten hatte, entsprechend seinen Wahnvorstellungen zu handeln, rechtfertigt den Schluss, dass eine bloße vorübergehende Sistierung oder andere mildere Mittel der Einwirkung auf ihn nicht ausgereicht hätten, die drohende Gefahr weiterer Straftaten zu bannen.

ee) Nach dem vom Landgericht festgestellten Grad der Gefährdung und der Art der zu schützenden Rechtsgüter musste die Unterbringung des Betroffenen zu 1 nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit unterbleiben. In die Ereignisse war nicht nur der Sohn der Betroffenen eingebunden, sondern es waren nach dem vorangehenden Geschehen und dem Urteil der behandelnden Ärzte in Person der Eheleute B. auch dem Betroffenen fernstehende Dritte, sowie im Fall der Notwendigkeit erneuten Eingreifens, Polizeibeamte in wesentlichen Rechtsgütern konkret gefährdet. Das drohende Verhalten des Betroffenen zu 1 überschritt den Grad der bloßen Belästigung oder leichten Beeinträchtigung deutlich.

Die Anordnung der vorläufigen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus war damit hinsichtlich des Betroffenen zu 1, nicht aber hinsichtlich der Betroffenen zu 2 rechtmäßig.

3. Die Entscheidung über die Tragung der notwendigen Auslagen der Betroffenen zu 2 beruht auf § 13a Abs. 2 Satz 3 FGG. Die Eilmaßnahme des Bezirkskrankenhauses ist der Kreisverwaltungsbehörde, in deren Bezirk das Bedürfnis für die Unterbringung hervortritt (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayUnterbrG), also der Stadt Bayreuth, zuzurechnen. Sie ersetzt deren Antrag (vgl. BayObLGZ 1992, 208/209). Wie oben dargelegt, war sie bezüglich der Betroffenen zu 2 von Anfang an unberechtigt.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 31 Abs. 1 Satz 1, § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 KostO.

Die Entscheidung über die Tragung der Unterbringungs- und Heilbehandlungskosten beruht auf Art. 25 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 2 Satz 2 des Bayerischen Unterbringungsgesetzes. Diese Vorschrift wird durch die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht verdrängt (vgl. Keidel/Kayser FGG 14. Aufl. § 70 Rn. 8). Auch hier gilt die Zurechnung gegenüber der Kreisverwaltungsbehörde (BayObLG aaO).

Ende der Entscheidung

Zurück