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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 16.05.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 70/01
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 1836 Abs. 2 Satz 2 |
Der 3.Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr.Plößl und Dr.Schreieder
am 16.Mai 2001
in der Betreuungssache
auf die sofortige weitere Beschwerde der ehemaligen Betreuerin
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 24.Januar 2001 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Mit Beschluss vom 30.6.2000 bestellte das Amtsgericht für die nicht mittellose Betroffene eine Rechtsanwältin zur Betreuerin, verbunden mit der Feststellung, dass diese die Betreuung berufsmäßig führe. Der Aufgabenkreis der Betreuerin umfasste die Aufenthaltsbestimmung, die Gesundheitsfürsorge, die Vermögenssorge, den Abschluß, die Änderung und Kontrolle der Einhaltung des Heim- und Pflegevertrages, die Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, die Wohnungsangelegenheiten sowie die Entgegennahme, das Öffnen und das Anhalten der Post. Am 1.8.2000 verstarb die Betroffene.
Auf den Antrag der Betreuerin, ihr für die vom 11.7. bis 17.8.2000 geleistete Tätigkeit auf der Basis eines Stundensatzes von 200 DM eine Vergütung in Höhe von 2383,33 DM zu bewilligen, setzte das Amtsgericht die Vergütung mit Beschluss vom 23.11.2000 auf lediglich 759,80 DM einschließlich Mehrwertsteuer fest, da 60 Minuten des geltend gemachten Zeitaufwands nicht vergütungsfähig seien und der Betreuerin nur ein Stundensatz von 60 DM zustehe.
Die auf die Höhe des Stundensatzes beschränkte sofortige Beschwerde der Betreuerin ist gemäß Beschluss des Landgerichts vom 24.1.2001 ohne Erfolg geblieben.
Hiergegen wendet sich die Betreuerin mit der sofortigen weiteren Beschwerde.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig, erweist sich aber als unbegründet.
1. Das Landgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass sich der dem Betreuer zustehende Stundensatz gemäß der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 31.8.2000 auch bei vermögenden Betreuten grundsätzlich nach § 1 des Gesetzes über die Vergütung von Berufsvormündern richte. Eine Erhöhung des der Betreuerin danach bereits zuerkannten Höchstsatzes von 60 DM sei nicht veranlasst. Gemessen an der Qualifikation der Betreuerin sei die Betreuung nicht besonders schwierig gewesen. Die von der Betreuerin angeführten Erschwernisse hätten sich allenfalls im Zeitaufwand niedergeschlagen. Schließlich könne die Betreuerin auch nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes oder der Gleichbehandlung einen höheren Stundensatz verlangen. Sie habe nicht davon ausgehen können, dass die Stundensätze, die Rechtsanwälten als Betreuern vermögender Betreuter in der Vergangenheit zuerkannt worden seien, nach dem Inkrafttreten des Betreuungsrechtsänderungsgesetzes auf Dauer weiterhin gewährt würden. Mit diesem am 1.1.1999 in Kraft getretenen Gesetz habe sich die Rechtslage hinsichtlich der Vergütung der Betreuer grundlegend geändert, wobei schon vor der betreffenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs die Meinung vertreten worden sei, dass sich die Vergütung für die Betreuung bemittelter und mittelloser Betreuter grundsätzlich nach denselben Kriterien richte.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO).
a) Das Verfahren zur Festsetzung der Betreuervergütung gemäß § 56g FGG konnte auch noch nach dem Tod der Betroffenen durchgeführt werden (vgl. BayObLGZ 2001 Nr.15).
b) Der Berufsbetreuer hat gegen den Betreuten Anspruch auf Vergütung seiner Amtsführung (§ 1908i Abs. 1 Satz 1, § 1836 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BGB). Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach den für die Führung der Betreuung nutzbaren Fachkenntnissen des Betreuers sowie nach dem Umfang und der Schwierigkeit der ihm übertragenen Geschäfte (§ 1836 Abs. 2 Satz 2 BGB). Sie errechnet sich aus der für die Betreuung aufgewandten und erforderlichen Zeit und dem zugrundezulegenden Stundensatz (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 BVormVG). Letzterer ist in § 1836 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht betragsmäßig konkretisiert.
c) Für die Fälle, in denen die Vergütung wegen Mittellosigkeit des Betreuten aus der Staatskasse zu leisten ist (§ 1836a BGB), hat der Gesetzgeber den Stundensatz je nach der Qualifikation des Betreuers in einer typisierten dreistufigen Skala verbindlich auf 35, 45 bzw. 60 DM festgelegt (§ 1 Abs. 1 BVormVG; vgl. BT-Drucks.13/7158 S. 27).
Ist der Betreute nicht mittellos bzw. die Vergütung vom Erben zu erbringen, bemißt sich diese nicht zwingend nach den Stundensätzen des § 1 Abs. 1 BVormVG (vgl. BGH NJW 2000, 3709). Vielmehr hat der Tatrichter den Stundensatz nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen (vgl. BT-Drucks.13/7158 S.55 f.; BGH NJW 2000, 3709/3710; BayObLGZ 1999, 375/378).
aa) Hierbei ist zu beachten, dass der vom Gesetzgeber mit der Regelung des § 1 Abs. 1 BVormVG vorgenommenen Bewertung der Leistung des Betreuers für die Festsetzung der Vergütung bei vermögenden Betreuten die Funktion einer Orientierungshilfe und Richtlinie zukommt (vgl. BGH NJW 2000, 3709/3711, 3712). Die in der genannten Bestimmung festgelegten Stundensätze stellen im Regelfall auch für die von Betreuern vermögender Betreuter erbrachten Leistungen ein angemessenes Entgelt dar und dürfen deshalb nur überschritten werden, wenn die Schwierigkeit der Betreuungsgeschäfte dies im Einzelfall ausnahmsweise gebietet (vgl. BGH NJW 2000, 3709/3712). Dies setzt voraus, dass die Anforderungen der konkreten Betreuung, etwa wegen des vom Betreuer geforderten außergewöhnlichen, durch den Zeitaufwand nicht abgegoltenen Engagements oder wegen anderer - gemessen an der Qualifikation des Betreuers - besonderer Schwierigkeiten im Abrechnungszeitraum über den Regelfall einer Betreuung mit entsprechendem Aufgabenkreis deutlich hinausgegangen sind und die Vergütung des Betreuers mit dem seiner Qualifikation nach § 1 Abs.,1 BVormVG entsprechenden Stundensatz zu der von ihm erbrachten gesteigerten Leistung in einem klaren Mißverhältnis stünde (vgl. BayObLGZ 2000, 316). Für eine Berücksichtigung der Sach- und Personalkosten des Betreuers ist nach dem neuen Recht dagegen kein Raum mehr (vgl. BGH NJW 2000, 3709/3712; BayObLGZ 2001 Nr.7).
bb) Der Tatrichter hat in seine Erwägungen ferner einzubeziehen, ob bzw. inwieweit es für den Berufsbetreuer eine besondere Härte bedeuten würde, die neue Bemessungsgrundlage bereits ab ihrem Inkrafttreten am 1.1.1999 ohne Einschränkung anzuwenden.
Für den Fall, dass die Vergütung wegen Mittellosigkeit des Betreuten aus der Staatskasse zu leisten ist, kann das Gericht dem Betreuer, falls er Betreuungen schon seit mindestens 1.1.1997 berufsmäßig geführt hat, gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BVormVG für den Zeitraum bis zum 30.6.2001 einen über 35 bzw. 45 DM hinausgehenden Stundensatz zubilligen. Die Bestimmung des § 1 Abs. 3 BVormVG stellt eine Härteregelung dar. Sie will unzumutbare Nachteile vermeiden, die sich für Berufsbetreuer aus dem Wechsel der für die Vergütung ihrer Tätigkeit maßgeblichen Bemessungskriterien ergeben können (vgl. BayObLGZ 2000, 136/138 f.). Sie dient der Besitzstandswahrung und gewährt Vertrauensschutz im Hinblick darauf, dass die auf den bisher erzielten Einnahmen beruhenden Einkommenserwartungen in der Regel einen wesentlichen Faktor finanzieller Dispositionen und wirtschaftlicher Kalkulation darstellen. Die seit mindestens zwei Jahren tätigen Berufsbetreuer, denen bisher höhere Stundensätze bewilligt wurden als ihnen nach der Neuregelung zustünden, sollen Gelegenheit erhalten, sich der veränderten Vergütungssituation anzupassen, z.B. indem sie durch die in § 2 BVormVG vorgesehene Umschulung und Fortbildung eine zu einem höheren Stundensatz führende Qualifikation erreichen oder die Unkosten in einer Weise reduzieren, dass ihnen ihre Tätigkeit auch bei geringerer Vergütung eine ausreichende Existenzgrundlage verschafft (vgl. BayObLGZ 2001 Nr.10 m.w.N.; 2000, 136/138 f. und 2000, 331/334).
Der mit § 1 Abs. 3 BVormVG verfolgte Zweck rechtfertigt es, den Betreuern grundsätzlich auch in den Fällen einen Härteausgleich zu gewähren, in denen die von ihnen betreuten Personen vermögend sind (vgl. BayObLGZ 2000, 331/334). Das Anliegen, aus der veränderten Vergütungssituation resultierende unzumutbare Nachteile zu vermeiden, besteht auch hier. Die neuen Vergütungsregeln wirken sich in diesem Bereich in der Regel besonders negativ aus, da die Gerichte für die Betreuung bemittelter Betreuter bis 31.12.1998 gewöhnlich deutlich höhere Stundensätze zugebilligt haben als für die Betreuung mittelloser Personen (vgl. BayObLGZ 2000, 331/334 f.). Nach der Rechtsprechung zum früheren Recht war der Stundensatz so zu bemessen, dass die Vergütung dem Berufsbetreuer über den Ersatz von Kosten hinaus ein angemessenes Honorar erbrachte (vgl. BayObLGZ 1999, 375/379). Bei Rechtsanwälten hat der Senat einen Stundensatz von 200 DM einschließlich Mehrwertsteuer als in der Regel angemessen angesehen (vgl. BayObLGZ 1997, 44). Die gravierende Reduzierung der Vergütung für die Betreuung vermögender Betreuter gestattet es dem Tatrichter, dem vom Gesetzgeber anerkannten Gesichtspunkt der Vermeidung besonderer Härten auch in diesem Bereich Geltung zu verschaffen und Berufsbetreuern für eine angemessene Übergangszeit über die Beträge des § 1 Abs. 1 BVormVG hinausgehende Stundensätze auch dann zu bewilligen, wenn dies mangels besonderer Schwierigkeit der Betreuung an sich nicht möglich wäre. Dahingestellt bleiben kann insoweit, ob, wogegen einiges spricht (vgl. Senatsbeschluß vom 26.3.2001 - 3Z BR 65/01), auch verfassungsrechtliche Gründe Vertrauensschutz gebieten würden.
Entsprechend § 1 Abs. 3 BVormVG ist Voraussetzung für einen Härteausgleich, dass der Betreuer bereits vor dem 1.1.1999 über einen erheblichen Zeitraum hinweg Betreuungen berufsmäßig geführt hat.
Was den Zeitraum betrifft, für den Härteausgleich zugestanden werden kann, vermögen die Gesichtspunkte der Besitzstandswahrung und der Ermöglichung einer Anpassung der Organisation des Büro- bzw. Kanzleibetriebs an die veränderte Einkommenssituation erhöhte Stundensätze in der Regel allenfalls bis zum 30.6.2000 zu rechtfertigen. Diesen Zeitraum von 1 1/2 Jahren hat der Gesetzgeber in der ursprünglichen Fassung des § 1 Abs. 3 BVormVG als ausreichend angesehen. Die nachfolgende Verlängerung um ein Jahr durch Art.7 Abs. 10 des Gesetzes vom 27.6.2000 (BGBl. 1 897) erfolgte allein deshalb, weil in den meisten Ländern die durch § 2 BVormVG ermöglichten Nachqualifizierungen von Betreuern und Anerkennungsmaßnahmen nach § 2 Abs. 3 Satz 3 BVormVG nicht bis zum 30.6.2000 abgeschlossen werden konnten (BT-Drucks. 14/2920 S.11 und 14/3195 S.37).
Was schließlich das Aus maß des Härteausgleichs angeht, soll der Tatrichter sich entsprechend § 1 Abs. 3 Satz 2 BVormVG an der bisherigen Vergütung orientieren. Diese stellt also einen besonders wichtigen Orientierungspunkt dar (BayObLGZ 2001 Nr.10). In diesem Zusammenhang kann auch von Bedeutung sein, dass der Betreuer Geschäfte, für deren Wahrnehmung er an sich gemäß § 1835 Abs. 3 BGB Aufwendungsersatz verlangen könnte (vgl. auch BVerfG FamRZ 2000, 1280/1282), im Vertrauen auf den bisherigen Stundensatz nur im Rahmen der Vergütung geltend macht, weil er hierüber Einzelaufzeichnungen nicht geführt hat. Soweit § 1 Abs. 3 Satz 1 BVormVG bestimmt, dass bei der Bemessung des Stundensatzes nicht über 60 DM hinausgegangen werden dürfe, gilt diese Beschränkung bei der Vergütung von Betreuern nicht mittelloser Betreuter angesichts des wesentlich höheren Ausgangsniveaus der früher bewilligten Vergütung naturgemäß nicht.
d) Das Gericht der weiteren Beschwerde kann die Ermessensentscheidung des Tatrichters nur auf Rechtsfehler überprüfen (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO; vgl. BayObLGZ 2000, 136/138). Ein solcher liegt vor, wenn das Tatgericht sich des ihm zustehenden Ermessens nicht bewußt war, von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Feststellungen ausgegangen ist, wesentliche Umstände außer Betracht gelassen, der Bewertung relevanter Umstände unrichtige Maßstäbe zugrundegelegt, gegen Denkgesetze verstoßen oder Erfahrungssätze nicht beachtet, von seinem Ermessen einen dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Gebrauch gemacht oder die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hat (vgl. BGH NJW 2000, 3709/3711; BayObLGZ 1998, 65/69 m.w.N.).
e) Im vorliegenden Fall läßt die Ermessensausübung des Landgerichts einen Rechtsfehler nicht erkennen. Die Kammer hat den entscheidungserheblichen Sachverhalt verfahrensfehlerfrei und damit für den Senat bindend festgestellt (§ 27 Abs. 1, Satz 2 FGG, § 561 ZPO). Auch seine Erwägungen zur Höhe des Stundensatzes sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Kammer hat hierbei die dargelegten Grundsätze beachtet. Anhaltspunkte dafür, dass es die aus den Berichten und der dem Vergütungsantrag beigegebenen Aufstellung ersichtlichen Tätigkeiten der Betreuerin nicht umfassend berücksichtigt hat, sind nicht ersichtlich. Mit den von der Betreuerin vorgebrachten Argumenten, insbesondere dem Grundsatz des Vertrauensschutzes, hat sich das Landgericht rechtsfehlerfrei auseinandergesetzt. Es durfte, wie dargelegt, für die erst nach dem 1.7.2000 erbrachten Betreuungsleistungen einen Bestandsschutz verneinen. Soweit die Betreuerin mit ihrem Rechtsmittel neue Tatsachen vorträgt, ist für deren Berücksichtigung im Rechtsbeschwerdeverfahren gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG i.V.m. § 561 ZPO kein Raum (vgl. Keidel/Kahl FGG 14.Aufl. § 27 Rn.43). Davon abgesehen könnten auch sie die Zubilligung eines höheren Stundensatzes nicht rechtfertigen.
Ende der Entscheidung
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