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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 07.05.2003
Aktenzeichen: 3Z BR 71/03
Rechtsgebiete: KostO


Vorschriften:

KostO § 38 Abs. 2
KostO § 156 Abs. 1
Das Landgericht muß im Verfahren der Notarkostenbeschwerde die dem Notar vorgesetzte Dienstbehörde anhören.
Gründe:

I.

Zwischen der Beteiligten und ihrem mittlerweile von ihr geschiedenen Ehemann bestand Gütergemeinschaft. Im Zuge der Auseinandersetzung derselben sollte die Beteiligte eine dieser Gemeinschaft gehörende Immobilie zu Alleineigentum erhalten. Am 24.1.2000 schlossen die ehemaligen Eheleute vor dem Oberlandesgericht Nürnberg einen Vergleich, wonach sich der Mann verpflichtete, spätestens innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt der Mitteilung über die Hereinnahme einer von der Beteiligten beizubringenden Bürgschaft das Grundstück als Gesamtberechtigter an die Beteiligte zu Alleineigentum aufzulassen und die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch zu bewilligen. Aufgrund des Vergleichs wurde der Mann am 21.3.2001 durch ein Amtsgericht verurteilt, diese Erklärungen abzugeben.

Der beteiligte Notar beurkundete am 7.12.2001, nachdem das Urteil zwischenzeitlich rechtskräftig geworden war, die entsprechenden Auflassungserklärungen der Beteiligten. Er erstellte hierfür am selben Tag eine Kostenrechnung über 2013,76 DM, die der Beteiligten mitgeteilt wurde. Hiergegen erhob die Beteiligte Beschwerde, welche das Landgericht am 29.11.2002 zurückgewiesen hat.

Gegen den Beschluss des Landgerichts, durch persönliche Übergabe der Beteiligten zugestellt am 7.12.2002, richtet sich deren am 24.3.2003 per Fax eingegangene weitere Beschwerde. Die Beteiligte versichert an Eides statt, sie habe die weitere Beschwerde am 17.12.2002 geschrieben, noch vor Weihnachten 2002 zur Hauptpoststelle ihres Wohnorts gebracht und als normalen Brief, adressiert an das Bayerische Oberste Landesgericht in 80797 München aufgegeben. Sie habe erst durch eine telefonische Anfrage ihres Lebenspartners bei dem Bayerischen Obersten Landesgericht am 24.3.2003 erfahren, dass ihre weitere Beschwerde dort nicht eingegangen sei. Die Beteiligte beantragte mit Fax-Schreiben vom 24.3.2003, eingegangen am selben Tag, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsmittelfrist.

II.

1. Die weitere Beschwerde ist zulässig.

Sie wurde vom Landgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen (§ 156 Abs. 2 Satz 2 KostO), ist formgerecht eingelegt (§ 156 Abs. 4 Satz 1 KostO) und nicht verfristet (§ 156 Abs. 2 Satz 1 KostO).

Zwar war am 24.3.2003, als das Rechtsmittel per Fax bei dem Bayerischen Obersten Landesgericht einging, die Rechtsmittelfrist von einem Monat, welche durch die Zustellung des landgerichtlichen Beschlusses an die Beteiligte am 7.12.2002 in Lauf gesetzt worden war (§ 156 Abs. 4 Satz 4 KostO, § 22 Abs. 1 Satz 2, § 16 Abs. 2 Setz 1 FGG), längst abgelaufen.

Der Beteiligten ist jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Fristversäumung zu erteilen (§ 22 Abs. 2 Satz 1 FGG). Die Beteiligte hat, wie sie an Eides statt versichert, bereits vor Weihnachten 2002 ein Schreiben, das eine weitere Beschwerde enthielt und an das Bayerische Oberste Landesgericht adressiert war, zur Post gegeben. Bei ordnungsgemäßem Postlauf wäre ein solches Schreiben innerhalb der Rechtsmittelfrist bei Gericht eingegangen. Die Beteiligte hat nach ihren Angaben erst am 24.3.2003 erfahren, dass ihre weitere Beschwerde bei dem Bayerischen Obersten Landesgericht nicht eingegangen ist. Sie hat am selben Tag das Rechtsmittel per Fax an dieses Gericht geschickt und gleichzeitig die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Die in § 22 Abs. 2 Satz 1 und 4 FGG aufgeführten Fristen sind gewahrt. Der Vortrag der Beteiligten steht im Einklang mit den Erkenntnissen, die sich aus den Akten gewinnen lassen. Danach hat der Lebensgefährte der Beteiligten am 16.12.2002 mit einem Rechtspfleger des Bayerischen Obersten Landesgerichts telefoniert und sich nach den Voraussetzungen eines Rechtsmittels gegen die Entscheidung des Landgerichts erkundigt. Da der Entscheidung des Landgerichts keine Rechtsmittelbelehrung beigefügt war, erscheint dies plausibel. Der Rechtspfleger bat um Zusendung einer Abschrift der landgerichtlichen Entscheidung, um nähere Auskunft geben zu können. Das Journal der Fax-Eingänge enthält für den 16.12.2002 um 15.01 Uhr ein Eingang mit der selben Gegenstellen-Rufnummer, die das Fax der Beteiligten vom 24.3.2003 trägt. Daraus gewinnt der Senat die Überzeugung, dass am 16.12.2002 die landgerichtliche Entscheidung dem Bayerischen Obersten Landesgericht zugefaxt wurde und der Rechtspfleger daraufhin die im Wiedereinsetzungsantrag vom 24.3.2003 erwähnte Auskunft gab. Weitere Fax-Eingänge mit der genannten Gegenstellen-Rufnummer sind zwischen 16.12.2002 und 24.3.2003 nicht feststellbar. Der Senat glaubt daher dem an Eides statt versicherten Vortrag der Beteiligten. Bei Zugrundelegung der vorgetragenen Umstände liegt eine unverschuldete Fristversäumung vor (vgl. BVerfG NJW 1995, 2546 f.; BayObLG ZMR 2001, 362).

2. In der Sache führt das Rechtsmittel zur Aufhebung der Entscheidung und zur Zurückverweisung.

a) Das Landgericht hat ausgeführt, es sei ein dinglicher Vertrag beurkundet worden, wofür gemäß § 36 Abs. 2 KostO eine 20/10-Gebühr anzusetzen sei. Die Ausnahmevorschrift des § 38 Abs. 2 Nr. 6 Buchst. a KostO, nach der nur eine 5/10-Gebühr anfällt, greife nicht ein, da in dem vor dem Oberlandesgericht Nürnberg geschlossenen Vergleich lediglich die Verpflichtungserklärung des Mannes, nicht aber eine solche der Beteiligten enthalten sei. Die Beschwerde bleibe daher ohne Erfolg.

b) Dies hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 156 Abs. 2 Satz 3 KostO, § 546 ZPO) schon aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht stand.

Das Landgericht durfte nicht davon absehen, vor seiner Entscheidung den zuständigen Präsidenten des Landgerichts als vorgesetzte Dienstbehörde des Notars zu hören (§ 156 Abs. 1 Satz 2 KostO, § 92 Nr. 1 BNotO). Diese Anhörung ist nicht in das Ermessen des Gerichts gestellt, sondern stellt eine Verpflichtung dar (BayObLG JurBüro 1988, 1533/1534 m. w. N.). Die Entscheidung beruht auch auf der unterbliebenen Anhörung. Es ist nicht auszuschließen, dass sie aufgrund der Stellungnahme des Präsidenten des Landgerichts anders ausgefallen wäre. Der Senat hat dies zwar in einer früheren Entscheidung für den Fall verneint, dass sich eine Stellungnahme der Notarkasse bei den Akten befindet, in der alle maßgeblichen Gesichtspunkte umfassend erörtert sind (BayObLGZ 1963, 141/148). So liegt es aber hier nicht. Zwar befinden sich Stellungnahmen der Notarkasse bei den Akten (deren Schreiben vom 12.4.2002 und 5.9.2002). Diese Stellungnahmen sind jedoch auf Eingabe der Beteiligten und ohne Kenntnis der Akten abgegeben worden. Es ist nicht auszuschließen, dass sie unter Beachtung weiterer rechtlicher und tatsächlicher Aspekte anders ausgefallen wären, hätte der Präsident des Landgerichts die Stellungnahme der Notarkasse eingeholt, deren Vorliegen im Bereich der Ländernotarkasse (§ 113a BNotO) von einigen dortigen, Obergerichten als zwingend erachtet wird (vgl. OLG Brandenburg NJW-RR 2000, 1380; ThürOLG FGPrax 2000, 251; OLG Rostock NotBZ 2003, 38 mit Anmerkung Lappe). Dies hätte wiederum zu einer anderen Entscheidung des Landgerichts führen können.

3. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass im Rahmen der Auseinandersetzung einer Gütergemeinschaft, bei der ein Ehegatte ein Grundstück der Gemeinschaft zu Alleineigentum erhalten soll, eine Auflassung notwendig ist (vgl. RGZ 57, 432/ 433; Staudinger/Pfeifer BGB 13. Aufl. § 925 Rn. 18 und 23; Staudinger/Thiele § 1474 Rn. 3; MünchKomm/Kanzleiter BGB 3. Aufl. § 925 Rn. 10). Dabei müssen auf Veräußererseite beide Ehegatten die Auflassung gegenüber dem erwerbenden Teil erklären (vgl. KGJ 33 B 35/37; Staudinger/Pfeifer aaO Rn. 53). Das Landgericht hat daher zu Recht hervorgehoben, dass die Annahme der fingierten Auflassungserklärung des Mannes (§ 894 Abs. 1 Satz 1 ZPO) durch die Beteiligte nur ein Teil der dinglichen Einigung (§ 873 Abs. 1, § 925 Abs. 1 Satz 1 BGB) ist und daneben eine Auflassungserklärung der Beteiligten als Gesamtberechtigter sich selbst (als Erwerberin) gegenüber, wie das auch beurkundet wurde, notwendig war. Nicht zu beanstanden ist des Weiteren, dass das Landgericht den vor dem Oberlandesgericht Nürnberg geschlossenen Prozessvergleich im Grundsatz als Beurkundung des der Auflassung zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts (§ 38 Abs. 2 Nr. 6 Buchst. a KostO) angesehen hat (vgl. OLG München DNotZ 1943, 29/30; Korintenberg/Schwarz KostO 15. Aufl. § 38 Rn. 50b). Dass aus dem Vergleich auf Abgabe der Auflassungserklärung geklagt werden musste, steht dem nicht entgegen. Vielmehr wird dadurch deutlich, dass in dem Vergleich tatsächlich ein unmittelbarer, klagbarer Anspruch auf das Verfügungsgeschäft begründet wurde, wie dies § 38 Abs. 2 Nr. 6 KostO fordert (vgl. Korintenberg/Schwarz aaO Rn. 51).

Weiterer Prüfung bedarf jedoch die Annahme des Landgerichts, der Vergleich enthalte nicht das der Auflassung zugrunde liegende Rechtsgeschäft in seiner Gesamtheit. Es spricht einiges dafür, in dem Vergleich, der hinsichtlich des Verpflichtungsgeschäfts entgegen der Ansicht des Landgerichts der Auslegung zugänglich ist (§§ 133, 157 BG B; OLG München aaO "in genügender Weise dadurch zum Ausdruck gekommen... "), eine schuldrechtliche (Teil-)Auseinandersetzungsvereinbarung zu sehen mit dem Inhalt, dass nach dem Willen der Parteien die betreffende Immobilie, den Eintritt der in dem Vergleich erwähnten Bedingungen vorausgesetzt, im Zuge der Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft der Beteiligten zu Alleineigentum zu übertragen ist. Dafür könnte auch angeführt werden, dass die entsprechende Mitwirkung der Beteiligten an dem Verfügungsgeschäft, die sowohl auf der Veräußerer- wie auch auf der Erwerberseite tätig zu werden hat, wohl als selbstverständlich unterstellt werden kann und deshalb keiner ausdrücklichen vertraglichen Erwähnung bedarf. Eine solche Teilauseinandersetzungsvereinbarung wäre jedenfalls ein geeignetes Grundgeschäft für die abgegebenen Auflassungserklärungen (vgl. Korintenberg/Schwarz § 38 Rn. 49). Das Landgericht wird sich, gegebenenfalls unter Beiziehung der Akten des familiengerichtlichen Verfahrens, in dem der Vergleich geschlossen wurde, Gewissheit über den dortigen Verfahrensgegenstand und damit den Inhalt des Vergleichs verschaffen können.

Ende der Entscheidung

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