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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 22.05.2002
Aktenzeichen: 3Z BR 74/02
Rechtsgebiete: BRAGO


Vorschriften:

BRAGO § 6 Abs. 1 Satz 2
Der vom Erblasser mandatierte Rechtsanwalt kann gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO eine erhöhte Geschäftsgebühr verlangen, wenn eine Erbengemeinschaft in ein vom Erblasser beantragtes aktienrechtliches Spruchverfahren eintritt.
3Z BR 74/02 3Z BR 75/02

Gründe:

I.

Die Antragsteller sind Aktionäre der Antragsgegnerin zu 1, die mit der Antragsgegnerin zu 2 einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsabtrag geschlossen hat. Das Landgericht setzte mit Beschluss vom 22.4.1999 eine Barabfindung und einen Ausgleich für die Aktionäre der Antragsgegnerin zu 1 fest. Die Antragsgegnerinnen wurden ferner verpflichtet, den Antragstellern die ihnen entstandenen notwendigen Kosten zu erstatten. Die Antragsgegnerinnen legten gegen diesen Beschluss sofortige Beschwerde ein, die sie später aber wieder zurücknahmen. Mit Senatsbeschluss vom 13.12.2000 wurde den Antragsgegnerinnen hierauf auferlegt, den Antragstellern auch die im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Kosten zu erstatten. Den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für die Antragsteller in erster Instanz setzte das Landgericht mit Beschluss vom 12.2.2001 auf jeweils 3335.000 DM fest. Der Senat hatte bereits zuvor mit Beschluss vom 13.12.2000 den Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren auf jeweils 6670000 DM festgesetzt.

Auf Grundlage dieser Beschlüsse hat das Landgericht unter dem 18.5.2001 und dem 21.5.2001 Kostenfestsetzungsbeschlüsse zugunsten der Antragsteller zu 1 bis, 15 erlassen. Gegen diese Beschlüsse zugunsten der Antragsteller zu 2 bis 8, 10, 11 und 13 bis 15 haben die Antragsgegnerinnen ein zunächst als Erinnerung bezeichnetes Rechtsmittel eingelegt. Sie haben dieses Rechtsmittel mit Schriftsatz vom 17.4.2002, ergänzt durch Schriftsatz vom 23.4-2002, eingeschränkt und im übrigen begründet.

II.

Den Erklärungen der Antragsgegnerinnen zufolge ist gegen die Kostenfestsetzungsbeschlüsse zugunsten der Antragsteller zu 1, 9 und 12 ein Rechtsmittel von vornherein nicht eingelegt worden. Die Kostenfestsetzungsbeschlüsse zugunsten der Antragsteller zu 2, 4, 7, 10 und 11 sind von den Antragsgegnerinnen zunächst angefochten worden. Die Antragsgegnerinnen haben nunmehr aber klargestellt, dass das Rechtsmittel insoweit nicht mehr weiterverfolgt, also zurückgenommen wird. Auch diese Kostenfestsetzungsbeschlüsse sind damit bereits rechtskräftig. Zu entscheiden bleibt über die Kostenfestsetzungsbeschlüsse zugunsten der Antragsteller zu 3, 5, 6, 8 und 13 bis 15.

III.

Die sofortigen Beschwerden der Antragsgegnerinnen sind insoweit zulässig, aber unbegründet.

1. Die sofortigen Beschwerden sind gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, 13a Abs. 3 FGG i.V.m. § 104 Abs. 3 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt. Zur Entscheidung ist das Bayerische Oberste Landesgericht berufen, weil es auch in der Hauptsache (Spruchverfahren) zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerinnen berufen war (vgl. BGH MDR 1978, 737).

Der Senat hat dabei die hier zulässige Beschränkung des Rechtsmittels durch die Antragsgegnerinnen zu beachten (vgl. Bassenge/Herbst/Roth FGG/RPflG 9. Aufl. § 21 FGG Rn. 10 m.w.N.). Hiernach ist vorliegend zu entscheiden

- über die Zulässigkeit einer Gebührenerhöhung gemäß § 6 Abs. 1 BRAGO hinsichtlich der Antragsteller zu 3, 13 und 14 sowie

- über die Zulässigkeit einer Ausschöpfung des Gebührenrahmens von § 118 Abs. 1 BRAGO im Beschwerdeverfahren der Hauptsache hinsichtlich aller noch nicht rechtskräftigen Kostenfestsetzungsbeschlüsse.

2. In beiden Punkten bleibt den Rechtsmitteln der Antragsgegnerinnen der Erfolg versagt. Der Senat folgt den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidungen.

a) Das Landgericht hat den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin zu 3 zu Recht eine erhöhte Gebühr gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO zuerkannt, weil die Verfahrensbevollmächtigten nach dem Tode der ursprünglichen Antragstellerin im Spruchverfahren für eine Erbengemeinschaft und damit für mehrere Auftraggeber tätig geworden sind.

aa) § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO findet grundsätzlich auch im FGG-Verfahren Anwendung. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift, der u.a. ausdrücklich auf § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO verweist, also einen Gebührentatbestand, der im FGG-Verfahren anfallen kann. Dementsprechend lauten auch die Kommentierungen zu § 118 BRAGO (vgl. dazu Gerold/Madert BRAGO 15. Aufl. 9 118 Rn. 15 und 20; vgl. ferner Gerold/von Eicken 6 Rn. 28 ff.). Unanwendbar ist § 6 BRAGO im Insolvenzverfahren und im schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren (vgl. Riedel/Sußbauer BRAGO 8. Aufl. § 6 Rn. 3).

bb) Eine Erbengemeinschaft besteht schon begrifflich aus mehreren Personen und stellt deshalb eine Auftraggebermehrheit dar (Gerold/von Eicken § 6 Rn. 9). Allerdings wird teilweise die Auffassung vertreten, eine Gebührenerhöhung nach § 6 BRAGO sei nicht veranlasst, wenn die Erbengemeinschaft lediglich einen noch vom Erblasser beauftragten Rechtsanwalt bitte, den Prozess fortzuführen. In diesem Fall liege ein Auftrag des Erblassers vor, in dessen Vertrag die Erben als Rechtsnachfolger eingetreten seien (vgl. Gerold/von Eicken aaO; Hartmann Kostengesetze 31. Aufl. § 6 BRAGO Rn. 9). Dem ist jedoch mit der herrschenden Rechtsprechung (vgl. Nachweise bei Gerold/von Eicken aaO; vgl. ferner Riedel/Sußbauer § 6 Rn. 14 m.w.N.).entgegenzuhalten, dass mit dem Erbfall die Erben als Auftraggeber gelten müssen; jeder einzelne Miterbe wird durch den noch vom Erblasser beauftragten Rechtsanwalt vertreten. Es kann daher auch im vorliegenden Fall keine Rolle spielen, wenn das Mandat zum Zeitpunkt des Ablebens der ursprünglichen Antragstellerin bereits erteilt war.

b)Entgegen der Darstellung der Antragsgegnerinnen hat das Landgericht dem Antragsteller zu 13 und ,Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin zu 14 eine erhöhte Gebühr im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO nicht zugesprochen. Ausweislich des einschlägigen Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 21.5.2001 wurde die Gebühr aus einem zusammengesetzten Streitwert gemäß § 7 Abs. 2 BRAGO, jedoch ohne Erhöhungsgebühr berechnet. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerinnen geht in diesem Punkt ins Leere. Lediglich der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass das Landgericht mit der Zusammenrechnung rechtskonform verfahren ist, da der Verfahrensbevollmächtigte in der Hauptsache selbständige Rechte sowohl in eigener Sache als auch bezüglich der Antragstellerin zu 14 geltend zu machen hatte (vgl. dazu Gerold/von Eicken 9 6 Rn. 25; zur Vergütung des Rechtsanwalts für eine Tätigkeit in eigener Sache vgl. Hartmann § 1 BRAGO Rn. 26 ff., 28; BVerfG NJW 1980, 1677).

c) Zu Recht hat das Landgericht schließlich in allen angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschlüssen für das Beschwerdeverfahren in der Hauptsache eine 10/10-Gebühr gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO angesetzt.

aa) Der Senat ist wie das Landgericht befugt, insoweit ohne ein Gutachten der Rechtsanwaltskammer über die Ausschöpfung des gesetzlichen Gebührenrahmens zu entscheiden. Das Gebot, im Rechtsstreit über Rahmengebühren ein Gutachten einzuholen (§ 12 Abs. 2 Satz 1 BRAGO), gilt nicht für das Kostenfestsetzungsverfahren (Gerold/Madert § 12 Rn. 20). Der Senat sieht sich im vorliegenden Fall auch in der Lage, von weiteren Ermittlungen abzusehen. Eine rasche Entscheidung ist nicht zuletzt mit Blick auf die bereits überlange Dauer des vorliegenden Spruchverfahrens angezeigt.

bb) Ausgangspunkt der Überlegungen ist, dass der Rechtsanwalt im aktienrechtlichen Spruchverfahren auch für die zweite Instanz Gebühren nach § 118 Abs. 1 BRAGO abrechnen kann (vgl. Gerold/Madert § 118 Rn. 17; Hartmann § 118 BRAGO Rn. 4). Die Gebühr ist innerhalb des gesetzlichen Rahmens von 5/10 bis zu 10/10 unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltschaftlichen Tätigkeit sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen anzusetzen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu erstatten, so ist die vom Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (vgl. § 12 Abs. 1 BRAGO; Gerold/Madert § 118 Rn. 20).

Das Landgericht hat im vorliegenden Fall (auch) für das Beschwerdeverfahren die Höchstgebühr für gerechtfertigt gehalten. Es hat festgestellt, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse des jeweiligen Auftraggebers überdurchschnittlich seien und dass Umfang und Schwierigkeit der anwaltschaftlichen Tätigkeit hier weit über den Normalfall hinausgegangen seien, zumal sich die Verfahrensbevollmächtigten mit komplexen Wertgutachten auseinander zu setzen gehabt hätten. Auch die überaus lange Verfahrensdauer von mehr als zehn Jahren lasse auf ein sehr schwieriges und arbeitsintensives Verfahren schließen. Die Höhe des Geschäftswertes als solche spreche nicht gegen den Ansatz der Höchstgebühr.

Dem schließt sich der Senat an. Auch für das Beschwerdeverfahren gilt, dass die Verfahrensbevollmächtigten sich im vorliegenden Spruchverfahren mit einer äußerst komplexen Materie auseinander zu setzen hatten, die in der Schwierigkeit der Problemdurchdringung jedem Vergleich mit einem Berufungsverfahren der streitigen Gerichtsbarkeit standhält. Es kann dabei keine Rolle spielen, ob und gegebenenfalls in welcher Form ein "Substrat" dieser Auseinandersetzung zu den Gerichtsakten gelangt ist. Da das Beschwerdeverfahren schon relativ schnell nach Vorlage der Beschwerdebegründung durch Beschwerderücknahme seitens der Antragsgegnerinnen endete, bestand für die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller kein Anlass mehr, sich schriftsätzlich weiter zur Sache zu äußern. Dies allein ist schon von daher weder Indiz noch Beleg dafür, dass die Verfahrensbevollmächtigten im Beschwerdeverfahren nicht (hinreichend) tätig geworden sind. Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin zu 3 hat dies durch Vorlage eines im Entwurf bereits vorbereiteten Schriftsatzes, der nicht mehr zur Versendung gelangte, eindrucksvoll bekräftigt.

Richtig ist natürlich, dass das Beschwerdeverfahren im Vergleich etwa zum Verfahren erster Instanz noch relativ zügig beendet werden konnte. Dies allein rechtfertigt einen "Gebührenabschlag" aber nicht, da für das Beschwerdeverfahren der gesamte bisherige Sach- und Streitstand nochmals durchzuarbeiten war (vgl. Bassenge vor §§ 19 bis 30 FGG Rn. 4), weshalb sich der Umfang des Verfahrens erster Instanz naturgemäß bereits in der "Vorbereitungsphase" auch auf die zweite Instanz auswirken musste. Im übrigen haben die Antragsgegnerinnen ihr Rechtsmittel umfangreich begründet; für die Antragsteller war eine Auseinandersetzung mit den zahlreich vorgebrachten Argumenten geboten.

Die Antragsgegnerinnen prangern schließlich vor allem ein wirtschaftliches Missverhältnis zwischen den (angeblichen) wirtschaftlichen Interessen mancher Antragsteller am Verfahren und den nunmehr an die Verfahrensbevollmächtigten zu entrichtenden Gebühren an. Dieses angebliche Missverhältnis ist aber in erster Linie nicht Folge des Gebührenansatzes innerhalb des Gebührenrahmens nach § 118 Abs. 1 BRAGO, sondern Folge des vom Senat mit Beschluss vom 13.12.2000 nach Kopfteilen festgesetzten Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit im Beschwerdeverfahren bzw. der entsprechenden Festsetzung des Landgerichts für das Verfahren erster Instanz. Insoweit aber sieht der Senat keinen Anlass, in eine (erneute) Prüfung einzutreten. Bei dem ausführlich begründeten Senatsbeschluss vom 13.12.2000 muss es sein Bewenden haben.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG (vgl. Bassenge § 13a FGG Rn. 25; Jansen FGG 2. Aufl. § 13a Rn. 43). Auch hinsichtlich der zurückgenommenen Rechtsmittel ist Kostenerstattung angemessen (vgl. Keidel/Zimmermann FGG 14. Aufl. § 13a Rn. 42).

Ende der Entscheidung

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