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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 17.05.2000
Aktenzeichen: 3Z BR 78/00
Rechtsgebiete: BVormVG


Vorschriften:

BVormVG § 1 Abs. 1 Satz 2
BVormVG § 1 Abs. 3
BVormVG § 2
BVormVG § 1
BVormVG § 2 Abs. 2 Satz 2
BVormVG § 1 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
3Z BR 78/00 LG Regensburg 7 T 79/00 AG Regensburg XVII 455/94

Bayerisches Oberstes Landesgericht

BESCHLUSS

Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Nitsche und Fuchs

am 17. Mai 2000

in der Betreuungssache

auf die sofortige weitere Beschwerde der Betreuerin

beschlossen:

Tenor:

Der Beschluß des Landgerichts Regensburg vom 14. Februar 2000 wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht Regensburg zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Für die mittellose Betroffene ist Betreuung angeordnet. Die für sie bestellte Berufsbetreuerin erhielt bis 31.12.1998 als Vergütung einen Stundensatz von 75 DM. Auf ihre Anträge, mit denen sie Vergütungs- und Aufwendungsersatz in Höhe von 7 381,69 DM verlangte, setzte das Amtsgericht den Stundensatz auf 45 DM fest und gewährte für die Zeit vom 1.1.1999 bis 30.9.1999 lediglich einen Betrag von 5 667,19 DM. Als Begründung führte das Amtsgericht aus, daß die Betreuerin nicht über eine Hochschul- oder Fachhochschulausbildung oder eine gleichwertige Ausbildung verfüge und somit die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 2 BVormVG nicht vorlägen. Die Härteregelung in § 1 Abs. 3 BVormVG greife nicht ein, da sich die Betreuerin konkret um eine Nachqualifikation bemüht habe.

Die sofortige Beschwerde, mit der die Betreuerin die Anhebung des Stundensatzes auf 60 DM begehrte, hat das Landgericht mit Beschluß vom 14.2.2000 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Betreuerin mit ihrer vom Landgericht zugelassenen sofortigen weiteren Beschwerde, mit der sie ihren Beschwerdeantrag weiter verfolgt.

II.

Das zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und zur Zurückverweisung.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Der Betreuerin stehe nach ihrer Qualifikation lediglich ein Stundensatz von 45 DM zu. Auf die Übergangsregelung des § 1 Abs. 3 BVormVG könne sie sich nicht berufen. Es handle sich insoweit um eine Ermessensvorschrift. Voraussetzung für die Anwendung dieser Härteregelung sei, daß sich die Betreuerin einer Nachqualifikation unterziehen wolle. Die Vorschrift sei als Übergangsregelung im Zusammenhang mit § 2 BVormVG zu sehen und solle es einem weiterbildungswilligen Betreuer ermöglichen, auch in der Übergangszeit bis zum Abschluß seiner neuen Ausbildung einen gleich hohen Stundensatz wie bisher zu erhalten. Das Gesetz habe nicht bestimmt, daß jeder Betreuer bis zum 30.6.2000 seinen ursprünglichen Stundensatz geltend machen könne. Es sei vielmehr ein Ermessensspielraum gewährt worden. Die neue an der Ausbildung des Betreuers orientierte Vergütungsregelung solle es, anders als das bisher geltende Recht, Gerichten und Betreuern ersparen, die konkrete Schwierigkeit der einzelnen Betreuung zu ermitteln. Der Berufsbetreuer müsse sich darauf verlassen können, daß ihn das Vormundschaftsgericht entsprechend seiner Qualifikationen bezahle. Demzufolge dürften auch bei der Übergangsregelung die bisherigen Beurteilungsmerkmale wie z. B. die Schwierigkeit des Falles keine Rolle mehr spielen. Allerdings solle verhindert werden, daß der Betreuer durch die Anwendung des neuen Rechts Einkommenseinbußen erleide, ohne vorher während der 18monatigen Übergangszeit die Gelegenheit zu haben, durch eine in § 2 BVormVG vorgesehene Umschulung oder Fortbildung die geforderte Qualifikation zu erreichen. § 1 Abs. 3 BVormVG solle eine Art von Besitzstandswahrung für den Betreuer schaffen, der sich während der Übergangszeit dieser Mühe unterziehe. Die Betreuerin habe gewußt, daß nach dem 1.1.1999 ein neues Recht anzuwenden sei und damit rechnen müssen, daß ihr Stundensatz auf 45 DM reduziert werde, zumal eben § 1 Abs. 3 BVormVG ausdrücklich ein Ermessen einräume. Sie habe es in der Hand gehabt, eine Fortbildungsmaßnahme anzustreben, dies aber unterlassen. Einen Vertrauensschutz gebe es weder nach altem noch nach neuem Recht.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 FGG, § 550 ZPO) nicht stand.

a) Durch das Gesetz über die Vergütung von Berufsvormündern (Berufsvormündervergütungsgesetz - BVormVG) vom 25.6.1998 wurde die Vergütung der Betreuer neu geregelt. Ist die Vergütung aus der Staatskasse zu zahlen, so bestimmt sich die Höhe der Vergütung nach § 1 BVormVG. Die Vorschrift sieht je nach den aus der Berufsausbildung für die Betreuung nutzbaren Kenntnissen des Betreuers drei Vergütungsstufen vor. Bei Erwerb der Kenntnisse durch eine Hochschulausbildung beträgt der Stundensatz 60 DM, bei Erwerb durch eine abgeschlossene Lehre 45 DM, im übrigen 35 DM.

Einige Berufsbetreuer erhalten nach dem Maßstab des ab 1.1.1999 geltenden Rechts andere Vergütungssätze als nach früherem Recht, insbesondere wenn ihre Vergütung bisher weniger nach ihrer formalen Qualifikation als nach anderen Gesichtspunkten, etwa den Schwierigkeiten der ihnen zugewiesenen Betreuungen bemessen wurde (Knittel BtG § 1836a BGB Rn. 6). § 2 BVormVG gestattet deshalb den Ländern, solchen Betreuern im Rahmen eines entsprechenden Verfahrens den Erwerb einer Qualifikation zu ermöglichen, die ihnen auch nach neuem Recht eine angemessene Vergütung sichert.

§ 1 Abs. 3 BVormVG soll darüber hinaus für eine Übergangszeit nicht zumutbare Nachteile vermeiden, die sich aus dem Wechsel der Bemessungskriterien zum 1.1.1999 ergeben können. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht für den Zeitraum bis zum 30.6.2000 für einen Betreuer, der bereits vor dem 1.1.1999 über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren Vormundschaften/Betreuungen berufsmäßig geführt hat, abweichend von § 1 Abs. 1 BVormVG einen höheren Stundensatz zugrunde legen. Dieser darf 60 DM nicht übersteigen und soll sich an der bisherigen Vergütung des Betreuers orientieren. Die Regelung ist bis 30.6.2000 befristet, weil der Gesetzgeber unterstellt, daß bis dahin von den Ländern geschaffene Möglichkeiten der Nachqualifizierung zum Zwecke des Erreichens einer höheren Vergütungsstufe auch ausgeschöpft werden (Knittel aaO), und sich die Betreuer auf die neue Vergütungssituation eingestellt haben. Die gerichtliche Entscheidung über die Gewährung des höheren Vergütungssatzes ist eine Ermessensentscheidung und kann durch das Rechtsbeschwerdegericht nur eingeschränkt nachgeprüft werden, nämlich dahin, ob der Tatrichter von seinem Ermessen keinen oder einen rechtlich fehlerhaften, Sinn und Zweck des Gesetzes zuwiderlaufenden Gebrauch gemacht hat, von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Feststellungen ausgegangen ist oder wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat (BayObLGZ 1980, 421/425; Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 27 Rn. 27 m. w. N.).

b) Die Entscheidung des Landgerichts ist nicht ermessensfehlerfrei und deshalb aufzuheben.

(1) Das Landgericht versagt den höheren Stundensatz für die Übergangszeit allein deshalb, weil sich die Betreuerin nicht um eine Nachqualifizierung bemüht habe. Dabei läßt es wesentliche Umstände außer Betracht. Der Betreuer kann seine Entscheidung, ob er sich nachqualifizieren will, nicht treffen, solange die Bedingungen für die Qualifizierungsmaßnahmen nicht feststehen. Nach wie vor ist nicht bekannt, welche Länder die Möglichkeit der Nachqualifizierung schaffen werden. Voraussetzungen, Ausbildungsstoff, Ausbildungsdauer, Ausbildungsstellen und Prüfungsumfang sind noch nicht geregelt (vgl. Schreiben des Bayer. Staatsministeriums der Justiz vom 17.12.1999 - Gz. 3475 - I - 1853/98). Diese Umstände sind aber für die Entscheidung des Betreuers, ob er eine Nachqualifizierung anstreben soll, von wesentlicher Bedeutung; er muß wissen, welche Voraussetzungen er zu erfüllen hat und welche zeitlichen und wirtschaftlichen Anforderungen auf ihn zukommen. Es ist nicht ersichtlich, welche Fortbildungsmaßnahmen die Betreuerin in dieser Situation zumutbarerweise hätte ergreifen können.

(2) Das Landgericht geht davon aus, daß nur qualifizierungswillige Betreuer in den Genuß eines erhöhten Stundensatzes kommen sollen, hingegen Betreuer, die die Nachqualifizierung nicht anstreben, von der Erhöhung ausgeschlossen sein sollen. Das wird dem Sinn und Zweck des § 1 Abs. 3 BVormVG nicht gerecht. Weder das Gesetz noch die Gesetzesbegründung geben für eine solche Beschränkung des in Frage kommenden Personenkreises einen ausreichenden Anhaltspunkt. Auch in der vom Landgericht zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm (Rpfleger 1999, 539) wird diese Auffassung nicht vertreten.

Richtig ist allerdings, daß ein gewisser Zusammenhang zwischen der erhöhten Vergütung während der Übergangszeit (§ 1 Abs. 3 BVormVG) und der Möglichkeit der Nachqualifizierung (§ 2 BVormVG) besteht. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, daß den Betreuern im Verlauf der von ihm festgelegten 1 1/2 Jahre nach Inkrafttreten des neuen Rechts die Möglichkeit einer Nachqualifizierung angeboten wird und deshalb ein Übergangsgeld für diesen Zeitraum ausreicht (Knittel § 1836a Rn. 7). Daraus kann aber nicht entnommen werden, daß nur nachqualifizierungswillige Betreuer die erhöhte Vergütung bis zur Nachqualifizierung erhalten sollen. Im Gegenteil zeigen die zeitlichen Vorgaben, daß der Gesetzgeber hiervon gerade nicht ausging. Denn nach § 1 Abs. 3 BVormVG wird das Übergangsgeld demjenigen gewährt, der am 1.1.1999 bereits zwei Jahre Vormundschaften oder Betreuungen berufsmäßig geführt hat. Das Übergangsgeld gibt es für höchstens 1 1/2 Jahre. Demgegenüber darf nach § 2 Abs. 2 Satz 2 BVormVG zur Prüfung nur zugelassen werden, wer mindestens fünf Jahre lang Vormundschaften oder Betreuungen berufsmäßig geführt hat. Auch wer am 1.1.1999 bereits zwei Jahre Betreuungen berufsmäßig geführt hatte, muß also nach Ablauf der Übergangszeit bis zur Prüfung 1 1/2 Jahre ohne den erhöhten Stundensatz auskommen.

Der erhöhte Stundensatz kann daher nach der Absicht des Gesetzgebers nicht nur dazu dienen, die Zeit bis zur Prüfung zu überbrücken. Vielmehr soll er allgemein den Berufsbetreuern eine zumutbare Anpassung an die geänderte Vergütungssituation ermöglichen. Er soll insbesondere Härten vermeiden, die sich daraus ergeben, daß sich ein Berufsbetreuer, der seinen Lebensunterhalt bisher jedenfalls zu einem wesentlichen Teil mit der Führung von Betreuungen verdient hat, unvermittelt ohne die Möglichkeit einer schrittweisen Anpassung seiner Tätigkeit an die geänderten Verhältnisse einer für ihn wesentlich ungünstigeren Vergütungssituation gegenübersieht (vgl. auch LG Dresden FamRZ 2000, 181/184).

Nach Auffassung des Senats kann der erhöhte Stundensatz daher grundsätzlich allen Betreuern gewährt werden, die zwei Jahre als Berufsbetreuer tätig waren, auch wenn sie die Nachqualifizierung nicht anstreben. Gerade diejenigen Berufsbetreuer, die - aus welchen Gründen auch immer - von der Möglichkeit der Nachqualifizierung keinen Gebrauch machen wollen, müssen sich künftig mit geringeren Einkünften zufrieden geben. Sie sind deshalb auf das Übergangsgeld dringender angewiesen als die an der Nachqualifizierung Interessierten.

Der Senat kann nicht selbst entscheiden, da den Akten nicht alle für die Ermessensausübung wesentlichen Umstände zu entnehmen sind. Ob der Betreuerin ein erhöhter Stundensatz zu gewähren ist, hängt in erster Linie davon ab, ob sie einen wesentlichen Teil ihrer Einkünfte als Berufsbetreuerin aus der Führung von Betreuungen für mittellose Personen bezieht. Für eine Anwendung der Härtefallregelung wird auch sprechen, wenn Betreuer, was von ihm darzulegen wäre, im Vertrauen auf reine längere Tätigkeit in diesem Bereich in bezug auf den Beruf finanzielle Verpflichtungen eingegangen ist, die mit den neuen Stundensätzen nicht eingehalten werden können (Schmidt/Böcker/Bayerlein/Mattern/Schüler Betreuungsrecht Aufl. Rn. 526). Die Sache ist daher an das Landgericht zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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