Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 01.06.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 86/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1836 Abs. 2 Satz 2
Aus einer landgerichtliche Entscheidung zur Vergütung des Berufsbetreuers eines nicht mittellosen Betroffenen muß hervorgehen, inwieweit der in Rechnung gestellte Zeitaufwand des Betreuers zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich war.
Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Plößl und Dr. Schreieder

am 1. Juni 2001

in der Betreuungssache

auf die sofortigen weiteren Beschwerden der Betroffenen und der Beteiligten

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die sofortigen weiteren Beschwerden der Betroffenen und der Beteiligten wird der Beschluss des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 13. Februar 2001 aufgehoben.

II. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht Kempten (Allgäu) zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Mit der einstweiligen Anordnung vom 30.03.2000 bestellte das Amtsgericht für die vermögende Betroffene eine Rechtsanwältin zur vorläufigen Betreuerin für den Aufgabenkreis Vermögenssorge. Diese bestimmte es mit Beschluss vom 02.05.2000 auch zur endgültigen Betreuerin der Betroffenen für die Aufgabenkreise Vermögenssorge sowie Klärung und Entscheidung der Frage des Wohnrechts des Herrn S. und des von letzterem betriebenen Hausverkaufs und ordnete einen Einwilligungsvorbehalt an. Ferner stellte das Amtsgericht fest, dass die Betreuerin die Betreuung im Rahmen ihrer Berufsausübung führt. Am 24.10.2000 hob es die Betreuung auf. Für ihre Tätigkeit in der Zeit vom 06.04. bis 29.09.2000 beantragte die Betreuerin am 23.10.2000, aus dem Vermögen der Betroffenen eine Vergütung von 5742,00 DM festzusetzen, wobei sie einen Stundensatz von 150,00 DM zzgl. Mehrwertsteuer zugrunde legte. Dem entsprach das Amtsgericht mit Beschluss vom 19.12.2000. Diese Entscheidung hat das Landgericht am 13.02.2001 auf die sofortige Beschwerde der Betroffenen unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen dahin abgeändert, dass es nur eine Vergütung in Höhe von 2296,80 DM bewilligte, wobei es einen Stundensatz von lediglich 60,00 DM zzgl. Mehrwertsteuer zugrunde gelegt hat. Hiergegen richten sich die sofortigen weiteren Beschwerden der ehemaligen Betreuerin, die weiter einen Stundensatz von 150,00 DM zzgl. Mehrwertsteuer begehrt, und der Betroffenen, die der Auffassung ist, dass sie keinerlei Vergütung schulde und allenfalls ein Stundensatz von 30,00 DM angemessen sei, soweit überhaupt eine vergütungsfähige Tätigkeit der Betreuerin vorliege.

II.

Beide Rechtsmittel sind zulässig, insbesondere vom Landgericht zugelassen (§ 56g Abs. 5 Satz 2 FGG). Sie führen zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

Ein Anspruch auf Vergütung für die ehemalige Betreuerin bestehe dem Grunde nach. Weder die fehlerhafte Bestellung eines Betreuers noch eine zulange aufrecht erhaltene Betreuung stünden dem Vergütungsanspruch entgegen. Der Stundensatz der Betreuerin sei aber auf 60,00 DM zzgl. 16 % Mehrwertsteuer zu reduzieren. Für die Höhe der Vergütung eines Berufsbetreuers seien die Stundensätze des § 1 BVormVG nur dann verbindlich, wenn der Betreute mittellos und die Vergütung deshalb ohne Rückgriffsmöglichkeit aus der Staatskasse zu zahlen sei. Für die Höhe der Vergütung des Betreuers eines vermögenden Mündels seien sie jedoch eine wesentliche Orientierungshilfe. Von diesen Sätzen sei nur abzuweichen, wenn dies die Schwierigkeit der Betreuungsgeschäfte ausnahmsweise gebiete. Aus dem Tätigkeitsbericht der ehemaligen Betreuerin ergebe sich, dass in den festgesetzten Aufgabenkreisen lediglich durchschnittlich schwierige Tätigkeiten von der Betreuerin zu verrichten gewesen seien. Daher sei ein Stundensatz des § 1 Abs. 1 BVormVG in Höhe von 60,00 DM zzgl. Mehrwertsteuer festzusetzen.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) nicht in vollem Umfang stand.

a) Der Berufsbetreuer hat gegen den Betreuten Anspruch auf Vergütung seiner Amtsführung (§ 1908i Abs. 1 Satz 1, § 1836 Abs. 1 Satz,2, Abs. 2 Satz 1 BGB). Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach den für die Führung der Betreuung nutzbaren Fachkenntnissen des Betreuers sowie nach Umfang und Schwierigkeit der ihm übertragenen Geschäfte (§ 1836 Abs. 2 Satz 2 BGB).

Dem Umfang der Geschäfte ist dadurch Rechnung zu tragen, dass der erforderliche Zeitaufwand mit dem entsprechenden Stundensatz abgegolten wird (BGH NJW 2000, 3709/3712). Dem Betreuer ist die Zeit zu vergüten, die er zur pflichtgemäßen Wahrnehmung seiner Aufgaben in dem ihm übertragenen Aufgabenkreis aus seiner Sicht für erforderlich halten durfte (BayObLGZ 1996, 47; BayObLG FamRZ 1999, 463/464).

Ist der Betreute nicht mittellos, bemisst sich die Vergütung nicht zwingend nach den Stundensätzen des § 1 Abs. 1 BVormVG (vgl. BGH NJW 2000, 3709). Vielmehr hat der Tatrichter den Stundensatz nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen (vgl. BT-Drucks. 13/7158 S. 55 f.; BGH NJW 2000, 3709/3710; BayObLGZ 1999, 375/378).

aa) Hierbei ist zu beachten, dass der vom Gesetzgeber mit der Regelung des § 1 Abs. 1 BVormVG vorgenommenen Bewertung der Leistung des Betreuers für die Festsetzung der Vergütung bei vermögenden Betreuten die Funktion einer Orientierungshilfe und Richtlinie zukommt (vgl. BGH NJW 2000, 3709/3711, 3712). Die in der genannten Bestimmung festgelegten Stundensätze stellen im Regelfall auch für die von Betreuern vermögender Betreuter erbrachten Leistungen ein angemessenes Entgelt dar und dürfen deshalb nur überschritten werden, wenn die Schwierigkeit der Betreuungsgeschäfte dies im Einzelfall ausnahmsweise gebietet (vgl. BGH NJW 2000, 3709/3712). Dies setzt voraus, dass die Anforderungen der konkreten Betreuung, etwa wegen des vom Betreuer geforderten außergewöhnlichen, durch den Zeitaufwand nicht abgegoltenen Engagements oder wegen anderer - gemessen an der Qualifikation des Betreuers - besonderer Schwierigkeiten im Abrechnungszeitraum über den Regelfall einer Betreuung mit entsprechendem Aufgabenkreis deutlich hinausgegangen sind und die Vergütung des Betreuers mit dem seiner Qualifikation nach § 1 Abs. 1 BVormVG entsprechenden Stundensatz zu der von ihm erbrachten gesteigerten Leistung in einem klaren Mißverhältnis stünde (vgl. BayObLGZ 2000, 316; 2001 Nr. 26).

bb) Der Tatrichter hat in seine Erwägungen ferner einzubeziehen, ob bzw. inwieweit es für den Berufsbetreuer eine besondere Härte bedeuten würde, die neue Bemessungsgrundlage bereits ab ihrem Inkrafttreten am 01.01.1999 ohne Einschränkung anzuwenden (BayObLGZ 2001 Nr. 26).

Für den Fall, dass die Vergütung wegen Mittellosigkeit des Betreuten aus der Staatskasse zu leisten ist, kann das Gericht dem Betreuer, falls er Betreuungen schon seit mindestens 01.01.1997 berufsmäßig geführt hat, gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BVormVG für den Zeitraum bis zum 30.06.2001 einen über 35,00 bzw. 45,00 DM hinausgehenden Stundensatz zubilligen. Die Bestimmung des § 1 Abs. 3 BVormVG stellt eine Härteregelung dar. Sie will unzumutbare Nachteile vermeiden, die sich für Berufsbetreuer aus dem Wechsel der für die Vergütung ihrer Tätigkeit maßgeblichen Bemessungskriterien ergeben können (vgl. BayObLGZ 2000, 136/138 f.). Sie dient der Besitzstandswahrung und gewährt Vertrauensschutz im Hinblick darauf, dass die auf den bisher erzielten Einnahmen beruhenden Einkommenserwartungen in der Regel einen wesentlichen Faktor finanzieller Dispositionen und wirtschaftlicher Kalkulation darstellen (vgl. BayObLGZ 2001 Nr. 10 m.w.N. und Nr. 26; 2000, 136/138 f. und 2000, 331/334).

Der mit § 1 Abs. 3 BVormVG verfolgte Zweck rechtfertigt es, den Betreuern grundsätzlich auch in den Fällen einen Härteausgleich zu gewähren, in denen die von ihnen betreuten Personen vermögend sind (vgl. BayObLGZ 2000, 331/334; BayObLGZ 2001 Nr. 26). Das Anliegen, aus der veränderten Vergütungssituation resultierende unzumutbare Nachteile zu vermeiden, besteht auch hier. Die neuen Vergütungsregeln wirken sich in diesem Bereich in der Regel besonders negativ aus, da die Gerichte für die Betreuung bemittelter Betreuter bis 31.12.1998 gewöhnlich deutlich höhere Stundensätze zugebilligt haben als für die Betreuung mittelloser Personen (vgl. BayObLGZ 2000, 331/334 f.). Bei Rechtsanwälten hat der Senat einen Stundensatz von 200,00 DM einschließlich Mehrwertsteuer als in der Regel angemessen angesehen (vgl. BayObLGZ 1997, 44). Die gravierende Reduzierung der Vergütung für die Betreuung vermögender Betreuter gestattet es dem Tatrichter, dem vom Gesetzgeber anerkannten Gesichtspunkt der Vermeidung besonderer Härten auch in diesem Bereich Geltung zu verschaffen und Berufsbetreuern für eine angemessene Übergangszeit über die Beträge des § 1 Abs. 1 BVormVG hinausgehende Stundensätze auch dann zu bewilligen, wenn dies mangels besonderer Schwierigkeit der Betreuung an sich nicht möglich wäre (BayObLGZ 2001 Nr. 26).

Entsprechend § 1 Abs. 3 BVormVG ist Voraussetzung für einen Härteausgleich, dass der Betreuer bereits vor dem 01.01.1999 über einen erheblichen Zeitraum hinweg Betreuungen berufsmäßig geführt hat.

Hinsichtlich des Zeitraums, für den Härteausgleich zugestanden werden kann, vermögen die Gesichtspunkte der Besitzstandswahrung und der Ermöglichung einer Anpassung der Organisation des Büro- bzw. Kanzleibetriebs an die veränderte Einkommenssituation erhöhte Stundensätze in der Regel allenfalls bis zum 30.06.2000 zu rechtfertigen (BayObLGZ 2001 Nr. 26).

Was schließlich das Ausmaß des Härteausgleichs angeht, soll der Tatrichter sich entsprechend § 1 Abs. 3 Satz 2 BVormVG an der bisherigen Vergütung orientieren. Diese stellt also einen besonders wichtigen orientierungspunkt dar (BayObLGZ 2001 Nr. 10). In diesem Zusammenhang kann auch von Bedeutung sein, dass der Betreuer Geschäfte, für deren Wahrnehmung er an sich gemäß § 1835 Abs. 3 BGB Aufwendungsersatz verlangen könnte (vgl. auch BVerfG FamRZ 2000, 1280/1282), im Vertrauen auf den bisherigen Stundensatz nur im Rahmen der Vergütung geltend macht, weil er hierüber Einzelaufzeichnungen nicht geführt hat. Soweit § 1 Abs. 3 Satz 1 BVormVG bestimmt, dass bei der Bemessung des Stundensatzes nicht über 60,00 DM hinausgegangen werden dürfe, gilt diese Beschränkung bei der Vergütung von Betreuern nicht mittelloser Betreuter angesichts des wesentlich höheren Ausgangsniveaus der früher bewilligten Vergütung naturgemäß nicht (BayObLGZ 2001 Nr. 26).

b) Im vorliegenden Fall hat das Landgericht diese Grundsätze nicht in vollem Umfang beachtet.

aa) Im Ergebnis zu Recht hat es die Tätigkeit der Beteiligten als vorläufige Betreuerin als grundsätzlich vergütungsfähig angesehen. Zwar enthält die einstweilige Anordnung vom 30.03.2000 nicht die ausdrückliche Feststellung nach § 1908i Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1836 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BGB, dass die vorläufige Betreuerin die Betreuung berufsmäßig führt. Dagegen ist eine solche Feststellung im Beschluss vom 02.05.2000 über die Bestellung der Beteiligten zur endgültigen Betreuerin enthalten. Gleichwohl hat das Amtsgericht die Beteiligte schon bei Anordnung der vorläufigen Betreuung als Berufsbetreuerin bestellt. Diese hat sich als Rechtsanwältin und daher als Berufsbetreuerin angeboten (vgl. BayObLG BtPrax 1999, 30; OLG Karlsruhe FamRZ 1998, 1535). Das Gericht hat ihr ausdrücklich als Rechtsanwältin die Betreuung übertragen. Die Unterlassung der ausdrücklichen Feststellung der Berufsbetreuereigenschaft durch das Amtsgericht ist ein offensichtliches Versehen und darauf zurückzuführen, dass in das Formular über die Bestellung eines vorläufigen Betreuers (anders das Formular über die endgültige Betreuerbestellung) eine entsprechende Formulierung nicht aufgenommen ist.

bb) Zutreffend hat das Landgericht auch dargelegt, dass die Aufhebung der Betreuung für die Vergütungsfähigkeit der Tätigkeit der Beteiligten als (vorläufige) Betreuerin ohne Bedeutung ist. Der Bewilligung einer Vergütung für den Betreuer steht nicht entgegen, dass die Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers fehlten (BayObLGZ 1997, 53) oder dass die Betreuung zu lange aufrecht erhalten wurde (BayObLGZ 1997, 301).

cc) Die Ermessensausübung des Landgerichts (vgl. BGH NJW 2000, 3709/3711; BayObLGZ 1998, 65/69 m.w.N.) lässt Rechtsfehler insoweit nicht erkennen, als es für die Tätigkeit der Betreuerin einen höheren Stundensatz als 60,00 DM zzgl. Mehrwertsteuer unter dem Gesichtspunkt der Schwierigkeit der Betreuung verneint hat. Die Kammer hat den entscheidungserheblichen Sachverhalt insoweit verfahrensfehlerfrei und damit für den Senat bindend festgestellt (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 561 ZPO) und hierbei die dargelegten Grundsätze beachtet. Anhaltspunkte dafür, dass es insoweit die aus den Berichten und der dem Vergütungsantrag beigegebenen Aufstellung ersichtlichen Tätigkeiten der Betreuerin nicht umfassend berücksichtigt hat, sind nicht ersichtlich.

dd) Nicht fehlerfrei ist die angefochtene Entscheidung bezüglich des vergütungsfähigen Zeitaufwands und der Frage des Härteausgleichs. Insoweit fehlen die erforderlichen Feststellungen.

(1) Die Kammer hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die von der ehemaligen Betreuerin in Rechnung gestellten Tätigkeiten sämtlich und in vollem Umfang vergütet werden können. Entsprechende Feststellungen sind erforderlich, weil die Betroffene bereits mit der Erstbeschwerde eingewendet hatte, dass die Betreuungskosten weit überhöht seien. Die sofortige weitere Beschwerde der Betroffenen hat deshalb Erfolg.

(2) Auch das Rechtsmittel der ehemaligen Betreuerin hat Erfolg. Die Kammer hat nämlich die Frage des Härteausgleichs nicht geprüft. In diesem Zusammenhang könnte insbesondere von Bedeutung sein, dass die Betreuerin im Rahmen der Betreuung ein gerichtliches Verfahren zur Erzwingung des Zutritts zur Wohnung der Betroffenen führen musste und hierfür offenbar nicht gesondert (vgl. § 1835 Abs. 3 BGB) Gebühren berechnet hat (vgl. BayObLGZ 2001 Nr. 26).

c) Die Entscheidung des Landgerichts muss deshalb aufgehoben werden. Da der Senat die erforderlichen Feststellungen nicht selbst aus den Akten treffen kann, wird die Sache an das Landgericht zurückverwiesen.

Ende der Entscheidung

Zurück