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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 22.03.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 91/01
Rechtsgebiete: FreihEntzG, FGG, AuslG


Vorschriften:

FreihEntzG § 11 Abs. 1 Satz 1
FGG § 19 Abs. 1
AuslG § 57 Abs. 2
Ordnet das Landgericht die einstweiliger Abschiebungshaft an, findet die sofortige (Erst-) Beschwerde statt.
BayObLG Beschluss

LG Bayreuth 15 T 24/01, AG Bayreuth XIV B 9/01

3Z BR 91/01

22.03.01

Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Schreieder und Dr. Denk

am 22. März 2001

in der Abschiebungshaftsache

auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Bayreuth vom 12. März 2001 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Ausländerbehörde betreibt die Abschiebung des Betroffenen, eines vietnamesischen Staatsangehörigen.

Mit Beschluss vom 6.3.2001 wies das Amtsgericht den Antrag der Ausländerbehörde ab, gegen ihn zur Sicherung seiner Abschiebung mit sofortiger Wirksamkeit Abschiebungshaft auf die Dauer von drei Monaten im Anschluss an die bestehende Strafhaft anzuordnen.

Auf die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde der Ausländerbehörde ordnete das Landgericht am 12.3.2001 mit sofortiger Wirksamkeit an., den Betroffenen im Anschluss an die zur Zeit vollstreckte Strafhaft einstweilen für die Dauer von längstens sechs Wochen in Sicherungshaft zu nehmen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Betroffene mit der sofortigen Beschwerde.

II.

1. Das Rechtsmittel ist zulässig. Es bezieht sich auf die Anordnung der einstweiligen Sicherungshaft (§ 11 Abs. 1 Satz 1 FreihEntzG). Eine solche Anordnung kann auch das Landgericht im Beschwerdeverfahren treffen (vgl. BayObLGZ 1997, 125/128 und BayObLG, Beschluss vom 18.11.1997, M BR 458/97, jeweils für das Verfahren der weiteren Beschwerde). Gegen diese ist zwar im Gesetz nicht ausdrücklich ein Rechtsmittel vorgesehen, da nach § 11 Abs. 2 Satz 1, § 7 Abs. 1 FreihEntzG die sofortige Beschwerde nur gegen die Entscheidung des Amtsgerichte stattfindet. Das Kammergericht hat jedoch § 7 Abs. 1 FreihEntzG dahin ausgelegt, dass die sofortige Beschwerde auch gegen Anordnungen des Beschwerdegerichts gegeben ist, die dieses im Rahmen von § 11 Abs. 1 Satz 1 FreihEntzO an Stelle des Amtsgerichts trifft, da der in Frage stehende Eingriff immerhin zu einer Freiheitsentziehung bis zu sechs Wochen führen kann (KG OLGZ 1975, 271). Dieser Auslegung schließt sich der Senat an. Das Rechtsmittel ist demnach als sofortige (Erst-) Beschwerde zu behandeln (vgl. auch KG InfAuslR 1982, 136/137).

2. In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

a) Es sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass die Voraussetzungen für die Anordnung von Sicherungshaft gemäß § 57 Abs. 2 und 3 AuslG vorliegen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 FreihEntzG).

aa) Ein Haftgrund ist gegeben.

Der Betroffene ist nach dem Widerruf der Duldung im Februar 1997 untergetaucht und bis zu seiner Festnahme im Dezember 1999 verborgen geblieben. Dieser Sachverhalt erfüllt die Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG und rechtfertigt darüber hinaus die Annahme des begründeten Verdachts, der Betroffene wolle sich der Abschiebung entziehen (§ 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AuslG; vgl. zur Indizwirkung des Untertauchens BGH NJW 1995, 1898 und BayObLGZ 1995, 17/21).

Daneben ist der Betroffene wegen nicht unerheblicher Straftaten, die er im Inland begangen hat, rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt worden, die zwischenzeitlich verbüßt ist. Der Betroffene hatte unter anderem seiner früheren Ehefrau angedroht, er werde deren Familienangehörige in Vietnam töten, wenn sie ihn verrate und er deshalb abgeschoben werde. Die in einer solchen Straftat zum Ausdruck kommende rechtsfeindliche Gesinnung ist für die Beurteilung der Frage, ob der Betroffene die Abschiebung ohne seine Inhaftierung vereiteln oder wesentlich erschweren würde (vgl. BGHZ 98, 109/112), von erheblicher Bedeutung (vgl. BayObLGZ 1991, 266/271; 1993, 154/156; KG FGPrax 1995, 128/129).

bb) Hinderungsgründe stehen der Haftanordnung nicht entgegen.

Die Aufenthaltsgestattung, die der Betroffene aufgrund seines ersten Asylantrags erworben hatte (§ 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG), ist erloschen (§ 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylVfG). Der Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 19.5.1993, mit dem der Antrag des Betroffenen auf Anerkennung als Asylberechtigter abgelehnt wurde, ist seit 1994 bestandskräftig. Der weitere Asylfolgeantrag hindert die Haftanordnung nicht (§ 71 Abs. a AsylVfG).

Ob die Abschiebung des Betroffenen ansonsten zu Recht betrieben wird, haben die Haftgerichte nicht zu prüfen; insoweit obliegt die Gewährung von Rechtsschutz ausschließlich den Verwaltungsgerichten (vgl. BayObLGZ 1993, 311/313; KG InfAuslR 2000, 230/232).

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt. Die Ausländerbehörde betreibt die Abschiebung des Betroffenen mit der gebotenen Beschleunigung (vgl. hierzu BGHZ 133, 235/239; BayObLGZ 1991, 258/260; OLG Frankfurt a.M. AUAS 1998, 198; OLG Karlsruhe InfAuslR 1998, 463). Sie hat hinreichend dargelegt, warum die Abschiebung nicht schon aus der Strafhaft heraus möglich war (vgl. BayObLGZ 1991, 258/260). Danach hat das Polizeipräsidium Oberbayern, das die Rückführung nach Vietnam auf dem Luftweg bayernweit koordiniert, der Ausländerbehörde am 22.1.2001 mitgeteilt, dass der nächste Flug am 17.5.2001 stattfinde. Schon im Haftantrag vom 26.2.2001 hat die Ausländerbehörde ausführlich dargelegt, welchen Modalitäten solche Sammelrückführungen unterliegen. Schließlich hat die Ausländerbehörde mit Schreiben vom 14.3.2001 zu Recht darauf hingewiesen, dass sie zunächst aufgrund einer unzutreffenden Mitteilung von einem späteren Strafende (14.6.2001) ausgehen musste. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn sie die Rückführungsmaßnahmen erst im Januar 2001 eingeleitet hat. Dass der Flug schließlich auf den 10.4.2001 vorverlegt wurde, kommt nur der Beschleunigung zugute.

b) Das Landgericht konnte über die endgültige Anordnung von Abschiebungshaft nicht rechtzeitig entscheiden (§ 11 Abs. 1 Satz 1 FreihEntzG), da die gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 FreihEntzG zwingende Anhörung des Betroffenen (vgl. BayObLGZ 1999, 12/13) in Anbetracht des für 14.3.2001 vorgemerkten Strafendes nicht mehr durchführbar war. § 11 Abs. 2 Satz 1 FreihEntzG gibt die Möglichkeit, bei Gefahr im Verzug von einer vorherigen Anhörung des Betroffenen abzusehen und sie unverzüglich nachzuholen. Gefahr im Verzug lag vor, da bei einem zuwarten mit der Strafentlassung und anschließendem erneuten Untertauchen des Betroffenen gerechnet werden musste. Die Anhörung wurde am 14.3.2001 nachgeholt.

c) Das Landgericht hat nunmehr unverzüglich über die endgültige Anordnung von Sicherungshaft zu befinden (vgl. KG InfAuslR 1982,.136/137).

Ende der Entscheidung

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