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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 09.06.2000
Aktenzeichen: 3Z BR 92/00
Rechtsgebiete: AktG, BetrVG 1952, GmbH, UmwG
Vorschriften:
AktG § 104 | |
BetrVG 1952 § 77 | |
GmbHG § 52 | |
UmwG § 168 |
BayObLG Beschluß
LG Augsburg lHK T 834/00; AG Augsburg 6 c AR 40/00
Verkündet am 09.06.2000
Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Schreieder und Dr. Nitsche am 9. Juni 2000 in der Handelssache wegen gerichtlicher Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern, auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten
beschlossen:
Tenor:
I. Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Augsburg vom 2. März 2000 wird zurückgewiesen.
II. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf DM 100000,-- festgesetzt. Die Geschäftswertfestsetzung des Landgerichts für das Beschwerdeverfahren in Nr. II seines Beschlusses vom 2. März 2000 wird auf diesen Betrag abgeändert.
Gründe
I.
Die Stadt teilte Ende 1999 ihren Eigenbetrieb Stadtwerke ab 1.1.2000 in vier verwaltungsintern verselbständigte Betriebe auf und gliederte diese zur Neugründung in vier Gesellschaften aus:
- Stadtwerke Holding GmbH i.G.
- Stadtwerke Energie GmbH i.G.
- Stadtwerke Wasser GmbH i.G.
- Stadtwerke Verkehrs GmbH i.G.
Die Gesellschaften haben ab 1.1.2000 ihre Tätigkeit aufgenommen. zwischen der Stadtwerke Holding GmbH i.G., der Betroffenen des vorliegenden Verfahrens, einerseits und den drei anderen Gesellschaften andererseits bestehen Beherrschungsverträge. Die Stadtwerke Energie GmbH i.G. und die Stadtwerke Verkehrs GmbH i.G. beschäftigen jeweils mehr als 500 Arbeitnehmer.
Nach ihrem Gesellschaftsvertrag hat die Stadtwerke Holding GmbH i.G. einen Aufsichtsrat, der derzeit aus 18 Mitgliedern besteht; 1/3 dieser Mitglieder ist von den Arbeitnehmern zu wählen.
Eine Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister ist noch nicht erfolgt.
Der aufgrund Personalüberleitungstarifvertrags als Betriebsrat handelnde Beteiligte beantragte mit Schriftsatz vom 28.1.2000, den Aufsichtsrat der Gesellschaft gemäß § 104 AktG um sechs namentlich benannte Mitglieder der Arbeitnehmervertretung zu ergänzen. Das Amtsgericht lehnte dies ab. Die sofortige Beschwerde des Beteiligten wies das Landgericht mit Beschluß vom 2.3.2000 zurück. Hiergegen wendet sich die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten.
II.
Das zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat ausgeführt, es bestehe keine Veranlassung für eine gerichtliche Entscheidung, da die Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern vor der Gründung der Gesellschaft nicht notwendig sei. im übrigen enthalte § 13 des zwischen der Stadt, der Gesellschaft und der Gewerkschaft geschlossenen Personalüberleitungstarifvertrages ausreichende Regelungen für die Übergangszeit.
2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 FGG, § 550 ZPO). Die Voraussetzungen für eine gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats gemäß § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG 1952, § 104 Abs. 2 AktG liegen nicht vor.
a) Nach ganz überwiegender Auffassung kommt bei einer GmbH die Ergänzung des Aufsichtsrats und damit die Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern in entsprechender Anwendung des § 104 Abs. 2 AktG nicht in Betracht, soweit der Aufsichtsrat gesetzlich nicht zwingend vorgeschrieben ist (Baumbach/Hueck/ Zöllner GmbHG 16. Aufl. § 52 Rn. 31; Hachenburg/Raiser GmbHG 8. Aufl. § 52' Rn. 146; Rowedder/Koppensteiner GmbHG 3. Aufl. § 52 Rn. 8; Wessing/Max Festschrift Werner S. 975/986 f.; a.A.: Scholz/Schneider GmbHG 8. Aufl. § 52 Rn. 150a; vgl. auch OLG Hamm DB 2000, 915). § 52 Abs. 1 GmbHG, dessen ins Einzelne gehende Aufzählung der anwendbaren aktienrechtlichen Vorschriften gegen die Übernahme anderer Regelungen des AktG spricht, führt nämlich § 104 AktG gerade nicht auf. Bei einem fakultativen Aufsichtsrat, dessen Existenz, Kompetenz und Zusammensetzung allein durch die Satzung festgelegt wird, fehlt das Bedürfnis für die gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern, da die Gesellschaft auch ohne Aufsichtsrat stets hinreichend handlungsfähig ist. Daher kommt auch für eine Vorgesellschaft eine solche gerichtliche Bestellung nur in Betracht, soweit für sie die Bildung eines Aufsichtsrates zwingend ist.
b) In Übereinstimmung mit der überwiegenden Meinung im Schrifttum ist der Senat der Auffassung, daß bei einer GmbH später die vor deren Eintragung in das Handelsregister das Vorhandensein eines vollständigen (mitbestimmten) Aufsichtsrates gesetzlich nicht zwingend vorgeschrieben ist, auch wenn die Gesellschaft als Eintragung die Voraussetzungen des § 77 BetrVG 1952 erfüllt. Damit scheidet nach den oben dargelegten Grundsätzen jedenfalls die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats in entsprechender Anwendung des § 104 AktG aus.
aa) Gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG 1952 hat eine GmbWmit mehr als 500 Arbeitnehmern (diese Voraussetzung ist hier erfüllt, vgl. § 77a BetrVG 1952) einen Aufsichtsrat zu bilden.
bb) Für den hier vorliegenden Fall, daß im Rahmen der Sachgründung ein Unternehmen oder Unternehmensteil in die Gesellschaft eingebracht wird, ist umstritten, ob nach dieser Vorschrift auch für die noch nicht in das Handelsregister eingetragene Gesellschaft (Vorgesellschaft) von Gesetzes wegen ein Aufsichtsrat zu bilden ist, also auch für eine Gesellschaft, die wie hier gemäß §§ 168, 171, 123 Abs. 3 Nr. 2, §§ 125, 36 Abs. 2 UmwG entstanden, aber noch nicht in das Handelsregister eingetragen ist. Dies wird teilweise bejaht unter Hinweis auf die Rechtsnatur der Vorgesellschaft und den Zweck der Mitbestimmung (Hachenburg/Raiser GmbHG 8. Aufl. § 52 Rn. 160; Rowedder/Koppensteiner GmbHG 3. Aufl. § 52 Rn. 22). Andere Stimmen befürworten eine entsprechende Anwendung des § 31 AktG (Baumbach/Hueck/Zöllner GmbHG 16. Aufl. § 52 Rn. 88, vgl. aber auch Rn. 10; Deutler DB 1969, 691/693; Joost Festschrift Claussen S. 187/196; Lutter/Joost UmwG 2. Aufl. § 218 Rn. 15; Rowedder/Rittner/Schmidt-Leithoff § 11 Rn. 51; Scholz/Schneider GmbHG 8. Aufl. § 52 Rn. 35). Nach einer dritten Meinung besteht auch bei einer Sachgründung mit der Einbringung eines Unternehmens mit mehr als 500 Arbeitnehmern vor der Eintragung in das Handelsregister keine Pflicht zur Bildung eines (mitbestimmten) Aufsichtsrates (Baumbach/Hueck § 6 Rn. 22; Gummert MünchHdb. III § 16 Rn. 40; Hachen burg/Ulmer GmbHG 8. Aufl. § 11 Rn. 32; Hanau/ Ulmer Mitbestimmungsgesetz § 6 Rn. 7; Scholz/K. Schmidt GmbHG 9. Aufl. § 11 Rn. 52; Scholz/Winter ebenda § 8 Rn. 18).
cc) Nach Auffassung des Senats kann aus dem Gesetz nicht abgeleitet werden, daß bereits im Stadium der Vorgesellschaft stets ein vollständiger, nach Mitbestimmungsgrundsätzen besetzter Aufsichtsrat vorhanden sein muß.
(1) Unter rein gesellschaftsrechtlichen Aspekten ist die Bildung eines Aufsichtsrats nicht erforderlich. Der Aufsichtsrat einer GmbH hat im Gründungsstadium keine gesetzlich vorgesehenen Aufgaben. Insoweit ist die GmbH anders verfaßt als die Aktiengesellschaft. Dort sind dem Aufsichtsrat, Zuständigkeiten zugewiesen, etwa bei der Bestellung des Vorstands (§ 30 Abs. 4 AktG), der Gründungsprüfung (§ 33 Abs. 1 AktG) und der Anmeldung (§ 36 Abs. 1 AktG), die bereits im Gründungsstadium zu erfüllen sind und daher zwingend das Vorhandensein eines Aufsichtsrats erfordern. Auf die GmbH in Gründung trifft dies nicht zu, auch wenn die eingetragene GmbH später der Mitbestimmung unterliegen sollte.
(2) Auch mitbestimmungsrechtliche Aspekte zwingen nicht zur gerichtlichen Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern. Hierfür ist zunächst maßgebend, daß der Wortlaut des § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG 1952 vom Bestehen einer GmbH ausgeht. Vor der Eintragung gemäß § 171 UmwG liegt aber noch keine GmbH als solche vor. Im Übrigen kann die Eintragung scheitern. Daraus folgt, daß der Mitbestimmungsstatus der Gesellschaft bis zur Eintragung nicht endgültig feststeht (vgl. Scholz/K. Schmidt aaO). Diese Gründe sprechen dafür, die Bildung eines (mitbestimmten) Aufsichtsrats im Rahmen einer Vorgesellschaft generell nicht für gesetzlich geboten zu erachten.
(3) Der Senat verkennt nicht, daß auch die Vorgesellschaft als eigenständige Organisation bereits über Organe verfügen kann, und daß schon in diesem Stadium ein mitbestimmungsrechtliches Interesse der beschäftigten Arbeitnehmer vorliegt, zumindest an einer Überwachung der Geschäftsführung mitzuwirken (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG 1952, § 111 Abs. 1 AktG). Eine derartige Mitbestimmung hält der Gesetzgeber jedoch in der Gründungsphase nicht für zwingend erforderlich, wie etwa die Regelung in §§ 30, 31 AktG und den einschlägigen Wahlordnungen zeigt, die ein zeitaufwendiges Wahlverfahren für die Ergänzung des Aufsichtsrats festlegen. Schon für den Bereich der Aktiengesellschaft ist umstritten, ob im Hinblick auf diese spezielle gesetzliche Regelung eine Ergänzung des Aufsichtsrats gemäß § 104 Abs. 2 AktG zulässig ist (bejahend z.B. LG Hof WM 1993, 695; Hüffer AktG 4. Aufl. § 31 Rn. 7; MünchKommAktG/Pentz 2. Aufl. § 31 Rn. 30 m.w.N.; ablehnend Stengel WuB II A.§ 31 AktG 1.93). Jedenfalls für den Bereich des GmbH, in dem der Aufsichtsrat wie dargelegt im Gründungsstadium keinerlei gesellschaftsrechtlich zwingende Aufgaben zu erfüllen hat, ist es nicht geboten, bereits in diesem Stadium eine gerichtliche Entscheidung an die Stelle des gesetzlich vorgesehenen Wahlverfahrens zu setzen. Eine derart weite Auslegung des § 77 BetrVG 1952 ist nicht erforderlich, um die mitbestimmungsrechtlichen Belange der Arbeitnehmer zu wahren.
3. Der Geschäftswert wird gemäß § 131 Abs. 2, § 31 Abs. 1, § 30 Abs. 2 KostO auf DM 100000,-- festgesetzt. Über § 30 Abs. 2 KostO ist als Anhaltspunkt § 99 Abs. 6 Satz 7 AktG heranzuziehen, der diesen Betrag als Regelgeschäftswert vorsieht (vgl. BayObLGZ 1997, 262/266). Die Geschäftswertfestsetzung des Landgerichts für das Beschwerdeverfahren ist entsprechend abzuändern, § 31 Abs. 1 Satz 2 KostO.
Ende der Entscheidung
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