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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 26.06.2003
Aktenzeichen: 3Z BR 95/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1897 Abs. 5
Zur Frage, ob die Eignung eines gemäß § 1897 Abs. 5 BGB vorrangig als Betreuer zu bestellenden Sohnes des Betroffenen für sein Amt alleine deshalb verneint werden kann, weil das Vormundschaftsgericht der Bereitschaftserklärung des Sohnes, Wünsche des Betroffenen zu berücksichtigen, misstraut und der Sohn die Kooperation mit einem weiteren Betreuer ablehnt.
Gründe:

I.

Die Betroffene lebt mit ihrem Sohn und dessen Familie in einem Zweifamilienhaus. Sie leidet an einem leichtgradigen dementiellen Syndrom bei seniler Demenz mit Verdacht auf Parkinson. Den Tag verbringt die Betroffene zumeist in einer Tagespflegeeinrichtung.

Das Amtsgericht bestellte für die Betroffene mit Beschluss vom 23.10.2002 eine Berufsbetreuerin mit dem Aufgabenkreis der Gesundheitsfürsorge, der Vermögenssorge, der Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, der Wohnungsangelegenheiten, der Organisation der ambulanten Versorgung und der Entgegennahme, des Öffnens und Anhaltens der Post im Aufgabenkreis. Gegen die Bestellung einer Berufsbetreuerin wandte sich der Sohn der Betroffenen als Beteiligter mit dem Rechtsmittel der Beschwerde; er beantragte, selbst zum Betreuer der Mutter bestellt zu werden.

Mit Beschluss vom 31.3.2003 hat das Landgericht die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

1. Das Landgericht hat zur Begründung der angefochtenen Entscheidung Folgendes ausgeführt:

Die vom Amtsgericht getroffene Betreuerauswahl sei nicht zu beanstanden. Die Betroffene selbst habe klare Angaben zur Person eines möglichen Betreuers nicht gemacht; sie habe lediglich geäußert, es gefalle ihr bei ihrem Sohn, der bisher alle anstehenden Angelegenheiten für sie erledige. Als Sohn sei der Beschwerdeführer bei der Betreuerauswahl grundsätzlich vorrangig zu berücksichtigen. Die Kammer habe aber nicht den Eindruck gewinnen können, dass er die dafür notwendige Eignung besitze. Ein Betreuer müsse die Angelegenheiten des Betroffenen so besorgen, wie es dessen Wohl entspreche. Hierzu gehöre auch die Möglichkeit, im Rahmen der verbliebenen Fähigkeiten das Leben nach eigenen Vorstellungen und Wünschen zu gestalten. Im vorliegenden Falle ziehe es sich wie ein roter Faden durch die Akten, dass die Betroffene ihren Tag zuhause verbringen wolle und nicht in dem "Kindergarten", wie sie die Tagespflegeeinrichtung bezeichne, in der sie vom Beschwerdeführer regelmäßig untergebracht werde. Der Beteiligte verschließe sich indessen diesem Wunsch der Mutter. Dies wäre allenfalls dann zu rechtfertigen, wenn ein Verbleib der Mutter in der Wohnung eine Gesundheitsgefährdung für sie darstellen würde. Hierzu habe die Kammer festgestellt, dass sich die Betroffene wenn auch am Arm der Schwiegertochter und mit einem Stock langsam, aber doch ohne zu stolpern fortbewegen könne. Außerdem sei seitens der Verfahrenspflegerin und der Betreuerin dargelegt worden, wie eine ambulante Pflege und teilweise Tagesbetreuung durch ehrenamtlich Tätige erfolgen könne, um einen Verbleib der Betroffenen im Hause zu sichern. Zwar habe der Beschwerdeführer den Vorschlag, dies zunächst für 2 bis 3 Tage in der Woche versuchsweise zu organisieren, positiv aufgenommen; die damit einhergehende notwendige Aufteilung der Betreuung, um die Durchsetzung der Interessen der Betroffenen zu gewährleisten, habe er aber abgelehnt.

Die Kammer sehe das Bemühen des Beschwerdeführers, die Versorgung der Mutter sicherzustellen, könne es aber nicht akzeptieren, dass deren Wunsch unbeachtet bleibe, ihre Tage zuhause zu verbringen. Es müsse zumindest der Versuch unternommen werden, dem Rechnung zu tragen. Sollte sich die Betroffene allerdings gegen die Anwesenheit fremden Pflegepersonals im eigenen Haus zur Wehr setzen oder sollte sich eine gesteigerte Selbstgefährdung in unbeaufsichtigten Zeiten einstellen und daher der Aufenthalt im Tagespflegeheim zum Wohl der Betroffenen auch gegen ihren Wunsch notwendig werden, wäre eine Überprüfung auch der Betreuerauswahl angezeigt, da lediglich das Verbringen der Betroffenen in die Tagespflegeeinrichtung unter Ablehnung einer Aufspaltung der Betreuung auf zwei verschiedene Personen die getroffene Entscheidung rechtfertige.

2. Diese Darlegungen halten einer rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) nicht stand.

a) Zutreffend hat das Landgericht die Beschwerdebefugnis des Betroffenen (vgl. § 69g Abs. 1 FGG) sowie die Zulässigkeit einer Beschränkung der Beschwerde auf den Gesichtspunkt der Betreuerauswahl (vgl. dazu Keidel/Sternal FGG 15. Aufl. § 21 Rn. 25 m. w. N.) bejaht.

b) Zutreffend hat das Landgericht ferner die Grundsätze dargestellt, nach denen die Betreuerauswahl vorzunehmen ist. Gemäß § 1897 Abs. 1 BGB bestellt das Vormundschaftsgericht zum Betreuer eine natürliche Person, die geeignet ist, in dem gerichtlich bestimmten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betroffenen rechtlich zu besorgen und ihn in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen. Schlägt der Betroffene eine Person vor, die zum Betreuer bestellt werden kann, so ist diesem Vorschlag grundsätzlich zu entsprechen (vgl. dazu § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB). Schlägt er niemanden vor, so ist bei der Auswahl des Betreuers auf die verwandtschaftlichen und sonstigen persönlichen Bindungen des Betroffenen, insbesondere auf die Bindungen zu Kindern, aber auch auf die Gefahr von Interessenkonflikten Rücksicht zu nehmen (vgl. § 1897 Abs. 5 BGB).

c) Die Entscheidung des Landgerichts wird jedoch diesen Grundsätzen nicht gerecht.

aa) Nach den Feststellungen des Landgerichts lebt die Betroffene bei ihrem Sohn und wird von ihm bzw. seiner Familie - soweit erforderlich - laufend versorgt. Die Betroffene hat selbst erklärt, es gefalle ihr bei ihrem Sohn. Neben dem Beschwerdeführer hat die Betroffene zwar noch ein weiteres Kind, eine Tochter, deren Verhältnis zum Bruder jedoch aufgrund einer rechtlichen Auseinandersetzung gestört ist. Aus den Akten ergibt sich zudem, dass die Tochter der Betroffenen von sich aus erklärt hat, eine Betreuung der Mutter auf keinen Fall übernehmen zu wollen, da dies zu Unzuträglichkeiten mit dem Bruder führen würde.

Zutreffend hat das Landgericht hieraus den rechtlichen Schluss gezogen, dass der Beschwerdeführer bei der Betreuerauswahl vorrangig zu berücksichtigen ist.

bb) Das Landgericht hat eine Bestellung des Beschwerdeführers dann im Ergebnis aber daran scheitern lassen, dass der Beschwerdeführer als Betreuer nicht geeignet sei. Die Entscheidung stützt das Landgericht im Wesentlichen auf die Weigerung des Beschwerdeführers, eine "Teilung" der Betreuerstellung zu akzeptieren, die das Landgericht als erforderlich ansieht, um eine Durchsetzung der Interessen der Betroffenen bezüglich ihrer Tagesbetreuung zu gewährleisten. Dem kann der Senat nicht folgen.

(1) Die Eignung des Betreuers, an die das Gesetz die Bestellung knüpft, ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Die Beurteilung der Eignung durch den Tatrichter darf vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf Rechtsfehler überprüft werden, also insbesondere darauf, ob der Tatrichter den Begriff der Eignung verkennt, relevante Umstände unvertretbar über- oder unterbewertet oder bei der Subsumtion wesentliche Umstände unberücksichtigt lässt (vgl. BayObLG FamRZ 2001, 1249/1250; Palandt/Diederichsen BGB 62. Aufl. § 1897 Rn. 4).

(2) Im vorliegenden Fall hat das Landgericht im Ansatz wiederum zu Recht darauf hingewiesen, dass der Betreuer die Angelegenheiten der Betroffenen so zu besorgen hat, wie es deren Wohl entspricht (vgl. § 1901 Abs. 2 Satz 1 BGB) und dass hierzu auch gehört, der Betroffenen zu ermöglichen, im Rahmen ihrer Fähigkeiten ihr Leben nach ihren eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten (§ 1901 Abs. 2 Satz 2 BGB). Diesen Gesichtspunkten ist selbstverständlich auch bei der Frage der Betreuereignung Beachtung zu schenken; es ist nicht zu beanstanden, wenn das Landgericht die Auffassung vertritt, dass ein Betreuer, der die Wünsche und Vorstellungen des Betroffenen aus sachfremden Gründen negiert, nicht die notwendige Eignung für sein Amt aufweist. Das gilt insbesondere dann, wenn der Betreuer von vornherein erklärt, er werde, entgegen seiner Verpflichtung gemäß § 1901 Abs. 3 Satz 1 BGB, einem für die Lebensführung des Betroffenen und dessen Wohlbefinden so wichtigen Wunsch wie die Art der täglichen Betreuung nicht entsprechen, obwohl dessen Erfüllung, wie das Landgericht dargelegt hat, weder dem Wohl der Betroffenen widerspricht noch dem Betreuer unzumutbar ist. Im vorliegenden Fall hat das Landgericht indessen selbst festgestellt, dass der Beschwerdeführer zumindest zuletzt akzeptiert hat, versuchsweise auch eine Tagesbetreuung seiner Mutter in der Wohnung zu organisieren. Dies bestätigt auch eine diesbezügliche Erklärung des Beschwerdeführers in der Begründung seiner weiteren Beschwerde. Die mangelnde Eignung des Beschwerdeführers kann daher nicht allein mit diesem Umstand begründet werden.

Das Landgericht meint nun aber, dass damit eine Aufteilung der Betreuung "einhergehen" müsse, mit der der Beschwerdeführer nicht einverstanden sei. Das Landgericht traut offensichtlich der Bereitschaftserklärung des Beschwerdeführers nicht und sieht eine angemessene Berücksichtigung der Wünsche der Betroffenen nur dann gewährleistet, wenn die Vertretung der Betroffenen im diesbezüglichen Aufgabenkreis bei der bestellten Berufsbetreuerin verbleibt. Nur so wird verständlich, dass das Landgericht wegen der Weigerung des Beschwerdeführers, eine Aufspaltung der Betreuung zu akzeptieren, auf seine mangelnde Eignung zum Betreuer insgesamt schließt. Offensichtlich ist es der Auffassung, nur durch die Bestellung mehrerer Betreuer für die verschiedenen Aufgabenkreise könne dem Wohl der Betroffenen hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. § 1899 Abs. 1 BGB). Letztlich ist also die Befürchtung, der Beschwerdeführer werde sich an seine eigene Zusage, eine Betreuung zu Hause zu erproben, nicht halten, der eigentliche Grund für die Einschätzung des Landgerichts, er sei nicht geeignet.

In diesem Zusammenhang hat sich das Landgericht nicht mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass das Vormundschaftsgericht auch nach Bestellung eines Betreuers auf dessen Geschäftsführung einwirken kann (vgl. BayObLG FamRZ 1999, 51). Es kann insbesondere die Amtsführung des Betreuers überwachen, sich etwa unter Einschaltung der Betreuungsbehörde über die tatsächliche Handhabung vergewissern. Bei Pflichtwidrigkeiten kann es den Betreuer zur Erfüllung seiner Pflichten anhalten, gegebenenfalls auch durch Festsetzung von Zwangsgeld. Zeigt sich, dass der Betreuer seine Pflichten beharrlich verletzt, kommt eine Entlassung aus wichtigem Grund in Betracht (vgl. zu allem § 1908i Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1837 BGB; § 1908b Abs. 1 BGB). Bei Berücksichtigung dieser Möglichkeiten kann aber der Weigerung des Beschwerdeführers, mit einer externen Berufsbetreuerin zusammenzuarbeiten, nicht das für die Führung der Betreuung insgesamt ausschlaggebende Gewicht beigemessen werden. Dabei ist zu beachten, dass der Beschwerdeführer die Betroffene bisher in allen anderen Bereichen auch nach Auffassung des Landgerichts gut versorgt und betreut hat. Das Vormundschaftsgericht hat auch bei Bestellung des Beschwerdeführers ausreichende Möglichkeiten, in dem einzigen fraglichen Bereich den Wünschen der Betroffenen stärker als bisher zum Durchbruch zu verhelfen, falls der Beschwerdeführer entgegen seinen Angaben bei der Anhörung diesem Anliegen nicht hinreichend Rechnung tragen sollte. Es gibt deshalb keinen Grund, den Beschwerdeführer nicht beim Wort zu nehmen und seine Kooperationsbereitschaft zu erproben. Damit aber kann seine Eignung zum Betreuer nicht von vornherein verneint werden.

Weitere Feststellungen sind nach Aktenlage hierzu nicht zu treffen. Nachdem der Beschwerdeführer der gesetzlichen Regelung zufolge vorrangig als Betreuer zu bestellen ist (s.o.), ist die Sache im Sinne des Beschwerdeführers entscheidungsreif; der Senat hat entsprechend § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden (vgl. Keidel/Meyer-Holz § 27 Rn. 56).

3. Eine Anordnung der Kostenerstattungsanordnung aus Billigkeitsgründen (§ 13a Abs. 1 Satz 1 FGG) hält der Senat im vorliegenden Fall nicht für gerechtfertigt.



Ende der Entscheidung

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