Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 10.07.2002
Aktenzeichen: 3Z BR 98/02
Rechtsgebiete: FGG, ZPO


Vorschriften:

FGG § 27 Abs. 1
FGG § 56g Abs. 5 Satz 2
ZPO § 321a (analog)
Ob auch für die Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gegen die Nichtzulassung eines Rechtsmittels nicht mehr die außerordentliche weitere Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit, sondern nur noch die Selbstkorrektur durch das Beschwerdegericht analog § 321a ZPO statthaft ist, bleibt offen.
Gründe:

I.

Für den am 21.5.1997 verstorbenen Betreuten wurde am 5.4.1995 ein Berufsbetreuer bestellt. Das Amtsgericht bewilligte diesem für den Zeitraum vom 1.9.1996 bis zum 1.4.1997 durch Beschluss vom 26.5.1997 eine Vergütung von 40904,52 DM.

Auf die hiergegen eingelegte Beschwerde des Erben hat das Landgericht am 12.4.2002 die Vergütung auf 15262,06 EUR herabgesetzt und eine weitere Beschwerde nicht zugelassen.

Mit seiner weiteren Beschwerde verfolgt der Erbe sein Ziel weiter, dass bei der Festsetzung der Vergütung eine von ihm erklärte Aufrechnung mit einem gegen den ehemaligen Betreuer geltend gemachten Schadensersatzanspruch sowie weitere Einwendungen berücksichtigt werden.

Nach der Einlegung der weiteren Beschwerde hat das Landgericht am 18.6.2002 die Gegenvorstellungen des Erben gegen den Beschluss vom 12.4.2002 zurückgewiesen.

II.

Das Rechtsmittel ist unzulässig und damit zu verwerfen.

1. Für die Zulässigkeit des Rechtsmittels ist das zum Zeitpunkt seiner Einlegung geltende Recht maßgebend. Daher richtet sich die Zulässigkeit, obwohl die Ausgangsentscheidung vor Inkrafttreten des BtÄndG am 1.1.1999 getroffen wurde, nach den Bestimmungen des § 56g FGG (vgl. BayObLGZ 1999, 121/122). Danach ist gegen die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts die weitere Beschwerde nur statthaft, wenn das Landgericht diese wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen hat (vgl. § 56g Abs. 5 Satz 2 FGG). Dies ist hier nicht der Fall. Die Anfechtbarkeit der Nichtzulassungsentscheidung ist vom Gesetz nicht vorgesehen, so dass sie grundsätzlich der Nachprüfung durch den Senat entzogen und für ihn bindend ist (vgl. BayObLGZ 2000, 8/11; 1999, 121/122; OLG Düsseldorf FamRZ 2001, 1325).

2. Gegen die Entscheidung des Landgerichts, die weitere Beschwerde nicht zuzulassen, besteht auch keine Anfechtungsmöglichkeit mittels einer außerordentlichen Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit.

a) Nach der bisher herrschenden Meinung und Rechtsprechung können unanfechtbare Entscheidungen dann ausnahmsweise mit einer im Gesetz nicht vorgesehenen außerordentlichen Beschwerde angegriffen werden, wenn greifbare Gesetzwidrigkeit vorliegt. Greifbare Gesetzwidrigkeit setzt voraus, dass die angegriffene Entscheidung jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und inhaltlich dem Gesetz fremd ist, sie also schlechthin unvereinbar mit der geltenden Rechtsordnung ist (vgl. BGH NJW-RR 1998, 63; BayObLG NJW-RR 1998, 1047; KG FGPrax 1996, 182; Bassenge/Herbst/Roth FGG/RPflG 9. Aufl. § 19 FGG Rn. 16 m. w. N.). Ein Verstoß gegen eindeutiges materielles Recht (vgl. OLG Frankfurt FGPrax 1997, 200) genügt ebenso wenig wie ein Verstoß gegen grundlegende Verfahrensvorschriften, zu denen auch das Recht auf Gewährung des rechtlichen Gehörs zählt (vgl. BGH NJW-RR 1986, 1263; BayObLG NJW-RR 1998, 1047; OLG Köln MDR 2001, 589; Bassenge aaO).

b) Der Bundesgerichtshof hat demgegenüber nach Inkrafttreten des Zivilprozessreformgesetzes für den Bereich der ZPO-Verfahren entschieden, dass eine derartige außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit nicht mehr statthaft ist (vgl. BGH NJW 2002, 1577). Zur Begründung hat er ausgeführt, dass der Gesetzgeber in Kenntnis der Problematik der Verletzung von Verfahrensgrundrechten bei der Neuregelung der Rechtsbeschwerde bewusst davon abgesehen habe, eine dem Revisionsrecht vergleichbare Korrektur dieser Fehler zu schaffen. Vielmehr habe der Gesetzgeber für den Fall der Verletzung des rechtlichen Gehörs in § 321a ZPO eine Abhilfemöglichkeit durch das entscheidende Gericht selbst vorgesehen. Diese Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers sei zu beachten. Ein etwa gegebener Verfassungsverstoß sei damit durch das erstinstanzliche Gericht auf entsprechende Gegenvorstellungen zu korrigieren. Für den Fall, dass das Gericht einen Verfassungsverstoß nicht ausräume, komme allein die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts in Betracht.

c) Es kann offen bleiben, ob, wofür nicht nur die Gesetzeslage, sondern auch Gründe der Praktikabilität sprechen könnten, diese Grundsätze auf den Bereich der FGG-Verfahren zu übertragen sind. Im vorliegenden Fall führen beide Lösungsmöglichkeiten zu dem Ergebnis, dass gegen die angegriffene Entscheidung des Landgerichts die weitere Beschwerde nicht statthaft ist.

In einer unzutreffenden Nichtzulassung einer weiteren Beschwerde könnte ein Verstoß gegen das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) und den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) liegen (vgl. BVerfG NJW 2001, 1125/1126). Folgt man der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, bleibt dem Erben nur die Verfassungsbeschwerde zur Rüge dieser Verstöße, weil das Landgericht bereits in seinem Beschluss vom 18.6.2002 analog § 321a ZPO eine Selbstkorrektur seiner Entscheidung abgelehnt hat. Folgt man der bisher herrschenden Ansicht, ist eine außerordentliche weitere Beschwerde deshalb ausgeschlossen, weil die Entscheidung des Landgerichts zur Nichtzulassung weder jeder rechtlichen Grundlage entbehrt noch dem Gesetz inhaltlich fremd ist und insbesondere nicht auf Willkür beruht (vgl. BVerfG FamRZ 1991, 295). Es ist höchstrichterlich geklärt, dass im Vergütungsfestsetzungsverfahren der Einwand, der Betreuer habe seine Tätigkeit mangelhaft geführt, grundsätzlich nicht zu berücksichtigen ist (vgl. BayObLGZ 1997, 213/216 m. w. N.). Es ist keinesfalls greifbar gesetzwidrig, wenn das Landgericht diese im Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung einhellige Rechtsprechung seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, ohne dem grundsätzliche Bedeutung beizumessen. Dasselbe gilt für die Frage, nach welchen Grundsätzen Berufsbetreuer vermögender Betreuter in den Jahren 1996/1997 zu vergüten waren (vgl. etwa BayObLGZ 1997, 44 ff. = FamRZ 1997, 700; BayObLGZ 1999, 21). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG BtPrax 2000, 77) hat für diese Altfälle nur entschieden, dass kein verfassungsrechtliches Gebot bestehe, die Höhe der Betreuervergütung an die Vergütung im Hauptberuf anzuknüpfen; es hat keine Aussage dazu getroffen, ob eine solche Anknüpfung verfassungswidrig oder rechtswidrig war. Das Landgericht hat weiterhin mit nachvollziehbaren Ausführungen die grundsätzliche Bedeutung der Frage verneint, ob im Vergütungsfestsetzungsverfahren mit einer Gegenforderung gegen die festgesetzte Vergütung aufgerechnet werden kann.

Aus den dargelegten Gründen kann auch die Sachentscheidung des Landgerichts nicht als greifbar gesetzwidrig angesehen werden.

Ende der Entscheidung

Zurück