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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 28.07.2004
Aktenzeichen: 3Z BR 98/04
Rechtsgebiete: BGB, FGG
Vorschriften:
BGB § 1896 | |
FGG § 68b |
2. Im Verfahren der weiteren Beschwerde können Tatsachengrundlagen eines ärztlichen Gutachtens, insbesondere die Einbeziehung fremdanamnestischer Beobachtungen, nicht auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Die Prüfung hat sich darauf zu beschränken, ob die vom Landgericht seiner Erstentscheidung zu Grunde gelegten Tatsachen rechtsfehlerfrei festgestellt worden sind. Der Betroffene kann insoweit nicht seine eigene Sachdarstellung anstelle der vom Sachverständigen gewürdigten Tatsachen zur Geltung bringen.
Gründe:
I.
Mit Beschluss vom 18.7.2003 bestellte das Vormundschaftsgericht der Betroffenen die jetzige Betreuerin zunächst vorläufig mit den Aufgabenkreisen "Vermögenssorge, Behördenangelegenheiten, Wohnungsangelegenheiten". Am 3.3.2004 hat das Gericht eine endgültige Betreuung angeordnet und diese um die Aufgabenkreise "Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge" sowie "Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern" erweitert.
Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Betroffenen hat das Landgericht mit Beschluss vom 24.3.2004 zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Betroffenen, mit welcher sie nach wie vor die Aufhebung der Betreuung anstrebt.
II.
Die weitere Beschwerde ist zulässig, insbesondere formgerecht eingelegt. Sie ist jedoch nicht begründet.
1. Das Landgericht hat in seiner Entscheidung ausgeführt:
Die Voraussetzungen einer Betreuung gem. § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB seien gegeben. Bereits im Gutachten eines Medizinaloberrats beim Gesundheitsamt vom Juni 2003 sei bei der Betroffenen eine schleichend verlaufende Psychose diagnostiziert worden. Nach den nunmehr vorliegenden Feststellungen der erfahrenen Sachverständigen Dr. S. vom Gesundheitsamt des Landratsamtes liege bei der Betroffenen eine psychische Erkrankung vor, nämlich eine latent verlaufende Psychose in Form einer hebephrenen oder schizo-affektiven Störung. Diese Erkrankung habe zu einer ausgeprägten Affektibilität geführt, welche die Urteils- und Kritikfähigkeit erheblich einschränke. Auch die behandelnde Ärztin während der Unterbringung der Betroffenen im Bezirksklinikum seit 19.2.2004 sei in einer zeitnahen gutachterlichen Stellungnahme zu einer im Wesentlichen übereinstimmenden Diagnose gelangt. Sie lege eine "Schizophrenie mit bizarr manieriertem Verhalten" zugrunde.
Die Betroffene sei nach den Angaben der Sachverständigen Dr. S. deshalb auch nicht in der Lage, ohne fremde Hilfe ihre Angelegenheiten zu regeln. Sie habe wegen von ihr ohne begründeten Anlass provozierten Streitigkeiten mit den Vermietern ihre Wohnung verloren und sich seither nicht mehr um ihre Angelegenheiten gekümmert. Nach ihrem Umzug, den die Betroffene nicht ohne Hilfe der Betreuerin habe bewerkstelligen können, sei die weitere Zusammenarbeit mit dieser äußerst schwierig geworden, weil die Betroffene die Betreuerin ablehne. Andererseits sei sie nicht in der Lage gewesen, ihre Sozialhilfeangelegenheiten zu ordnen. Zudem weigere sich die Betroffene weiterhin, die Vaterschaftsfeststellung ihres Kindes zu betreiben, obwohl ihr hierdurch erhebliche finanzielle Nachteile entstünden. Sie überblicke ihre finanziellen Angelegenheiten nicht mehr, zahle mit Scheckkarte trotz fehlender Kontodeckung, bettle bei fremden Leuten um Essen und Geld und begleiche ihre Rechnungen in Gasthäusern nicht. Wiederholt habe sie Waren im Versandhandel bestellt, ohne diese bezahlen zu können.
Wie verschiedene Vorfälle zeigten, sei sie nicht gewillt, ihr Kind von schädigendem Verhalten gegenüber Dritten abzuhalten; auch habe sie bei diesem trotz Entwicklungsverzögerungen noch nie eine Vorsorgeuntersuchung durchführen lassen.
Die Betreuung sei auch in allen angeordneten Aufgabenkreisen erforderlich. Hinsichtlich der Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten sowie Vertretung gegenüber Behörden usw. folge dies bereits aus dem dargestellten Verhalten der Betroffenen hinsichtlich ihrer Wohnung und ihres Umgangs mit Geld. Die Betreuung sei auch im Aufgabenkreis der Aufenthaltsbestimmung und der Gesundheitsfürsorge erforderlich. Die Betroffene habe keinerlei Einsicht in ihre schwerwiegende psychische Erkrankung; die Betreuerin benötige die Antragsbefugnis für eine geschlossene Unterbringung, weil nur durch eine stationäre Behandlung die Erkrankung der Betroffenen therapierbar sei.
Auch sei die Betreuerauswahl nicht zu beanstanden. Nachdem aus dem Familienkreis der Betroffenen keine Betreuungsperson zur Verfügung stehe und von der Betroffenen selbst kein Vorschlag gekommen sei, habe das Vormundschaftsgericht zu Recht einen Berufsbetreuer bestellt.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) stand.
a) Kann ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so bestellt das Vormundschaftsgericht auf seinen Antrag oder von Amts wegen für ihn einen Betreuer (§ 1896 Abs. 1 BGB). Die Bestellung eines Betreuers von Amts wegen, also ohne Antrag des Betroffenen gegen seinen Willen, setzt voraus, dass der Betroffene aufgrund seiner Krankheit oder Behinderung seinen Willen nicht frei bestimmen kann, d. h. nicht in der Lage ist, ihn unbeeinflusst von der Krankheit oder Behinderung zu bilden und nach zutreffend gewonnener Einsicht zu handeln (vgl. BGH NJW 1996, 918/919; BayObLG FamRZ 2000, 189; 2002, 703).
b) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht die medizinischen Voraussetzungen der Betreuungsbedürftigkeit nach § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB festgestellt. Es durfte sich dazu auf das Gutachten der erfahrenen Sachverständigen Dr. S. vom 30.1.2004 stützen. Hierbei ist nicht zu beanstanden, dass dieses Gutachten teilweise fremdanamnestische Beobachtungen einbezogen hat. Diese stammen offensichtlich aus dem ausführlichen, in den Akten enthaltenen Bericht der Betreuerin vom 9.10.2003, welcher eingehend und nachvollziehbar Tatsachen und Vorfälle seit Übernahme der Betreuung im Juli 2003 schildert. Soweit die Betroffene diese Beurteilungsgrundlagen des Gutachtens in tatsächlicher Hinsicht bestreitet, kann sie damit im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht gehört werden. Ein Beteiligter kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht Einwendungen gegen die Tatsachenwürdigung des Beschwerdegerichts erheben und damit seine Sachdarstellung an die Stelle des Landgerichts setzen (vgl. BayObLGZ 1997, 213/216; BayObLG FamRZ 2001, 1402). Er kann nur rügen, dass der Tatrichter die seiner Entscheidung zu Grunde liegenden Tatsachenfeststellungen nicht verfahrensfehlerfrei getroffen habe. Dies gilt auch dann, wenn sich der Tatrichter - wie hier - die Feststellungen eines Gutachters zu Eigen gemacht hat. Solche Verfahrensfehler liegen hier nicht vor. Das Landgericht durfte von den Feststellungen der Sachverständigen ausgehen, da keine Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit vorlagen und auch die Betroffene selbst im Beschwerdeverfahren diese Feststellungen nicht in Frage gestellt hatte.
Die Würdigung des Sachverständigengutachtens ist Sache des Tatrichters und vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf Rechtsfehler überprüfbar, also darauf, ob er bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Gesichtspunkte berücksichtigt hat und seine Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen gesetzliche Beweisregeln oder Denkgesetze oder feststehende Erfahrungssätze verstößt, ferner, ob die Beweisanforderungen vernachlässigt oder überspannt worden sind (vgl. BayObLGZ 1993, 18/19 m.w.N.; BayObLG - Report 2002, 265 und RuP 2004, 33). Solche Rechtsfehler lässt die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht erkennen. Im vorliegenden Fall fällt zudem ins Gewicht, dass sowohl eine frühere ärztliche Stellungnahme vom Juni 2003 als auch die Begutachtung durch die behandelnde Ärztin während der geschlossenen Unterbringung der Betroffenen - welche zum Zeitpunkt der landgerichtlichen Entscheidung noch andauerte - zu einer mit dem maßgebenden Gutachten im wesentlichen übereinstimmenden Diagnose kommen.
c) Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Feststellung der Betreuungsbedürftigkeit der Betroffenen in den genannten Aufgabenkreisen. Diese wird hinreichend durch die ausführliche Sachverhaltsschilderung der Betreuerin in dem bereits erwähnten Bericht gegenüber dem Vormundschaftsgericht belegt. Auch in ihrer Stellungnahme gegenüber dem Senat vom 11.6.2004 bestätigt die Betreuerin nochmals die bereits vom Landgericht getroffenen Feststellungen, dass die Betroffene insbesondere in finanzieller Hinsicht nicht in der Lage sei, ihr Leben zu ordnen und auch keine Krankheitseinsicht zeige.
Soweit die Betroffene hierzu wiederum die vom Landgericht gewürdigten Tatsachen bestreitet, kann dies aus den dargelegten Gründen vom Rechtsbeschwerdegericht nicht berücksichtigt werden.
Allerdings hat das Landgericht in seiner Entscheidung auch einige Umstände angeführt, welche keinen unmittelbaren Bezug zur rechtlichen Betreuungsbedürftigkeit der Betroffenen haben. Das betrifft angebliche Auffälligkeiten im Erziehungsverhalten gegenüber ihrem etwa vierjährigen Sohn. Die Wahrnehmung der Sorge für minderjährige Kinder des Betreuten gehört nicht zu dessen eigenen Angelegenheiten und kann deshalb auch nicht Aufgabe eines Betreuers sein (vgl. hierzu Walter FamRZ 1991, 765/769; Knittel BtG Erl. IV zu § 1896 Rn. 32 n). Deshalb ist ein etwaiges Erziehungsversagen von Betroffenen auch ohne Bedeutung für die tatsächlichen Voraussetzungen der Bestellung eines Betreuers. Es kann allenfalls Anlass für familiengerichtliche Maßnahmen nach §§ 1666, 1666a BGB sein, soweit das Kindeswohl gefährdet sein sollte. Da aber die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer derartigen Begründung beruht, sondern entsprechende Begebenheiten nur am Rande anführt, besteht kein Anlass, das im Übrigen zutreffende und von den Beschlussgründen getragene Ergebnis zu beanstanden.
Das Landgericht hat auch nicht verkannt, dass ein Betreuer gegen den Willen des Betroffenen nur bestellt werden darf, wenn dieser insoweit seinen Willen nicht frei bestimmen kann. Die gutachterlich getroffene Feststellung, dass die Betroffene aufgrund ihrer Erkrankung nicht in der Lage sei, die Notwendigkeit einer stationären Behandlung zu erkennen und keinerlei Krankheitseinsicht habe, ist hierfür ausreichend.
3. Die weitere Beschwerde der Betroffenen ist daher als unbegründet zurückzuweisen. Die beantragte Prozesskostenhilfe kann wegen fehlender Erfolgsaussicht des Rechtsmittels nicht bewilligt werden (§ 14 FGG, § 114 ZPO).
Ende der Entscheidung
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