Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 18.10.2001
Aktenzeichen: 4 St RR 115/01
Rechtsgebiete: StGB, BtMG


Vorschriften:

StGB § 46
BtMG § 29
Amphetaminderivate sind Rauschmittel mittlerer Gefährlichkeit. Die von ihnen ausgehende Gefährlichkeit führten nicht zu einer wesentlichen Strafverschärfung.
Tatbestand:

Der Angeklagte erwarb am 24.3.2000 in M. von einer unbekannten Person 25 Ecstasy-Tabletten zum Stückpreis von 15 DM. Der Wirkstoffgehalt betrug 27 %; jede Tablette wies 0,086 Gramm Methylendioxymetamphetamin (MDMA)-Base auf. Vier Tabletten hiervon verwendete der Angeklagte zum Eigenverbrauch. Insgesamt 20 Stück veräußerte er zum Stückpreis von 19,50 DM an weitere Abnehmer. Eine Tablette schenkte er dem anderweitig verfolgten A.

Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten am 7.11.2000 wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben und unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln zur Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 50 DM. Auf die Berufung des Angeklagten änderte das Landgericht am 10.7.2001 dieses Urteil im Rechtsfolgenausspruch dahingehend ab, dass gegen den Angeklagten unter Einbeziehung einer Verurteilung durch das Amtsgericht vom 4.10.2000, durch das er zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je 65 DM verurteilt worden war, eine Gesamtgeldstrafe von 110 Tagessätzen zu je 65 DM verhängt wurde. Die Einsatzstrafe war von der Strafkammer hierbei mit 90 Tagessätzen zu je 50 DM bemessen worden. Im übrigen wurde die Berufung des Angeklagten als unbegründet verworfen.

Die auf die Verletzung des materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hatte teilweise Erfolg.

Gründe:

1. Soweit der Angeklagte mit der Revision den Schuldspruch angreift, ist das Rechtsmittel offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die von der Strafkammer vorgenommene rechtliche Würdigung als Vergehen des unerlaubten Erwerbs in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben und mit unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln ist nicht zu beanstanden.

2. Der Rechtsfolgenausspruch kann jedoch nicht bestehen bleiben.

2.1 Bei der Bemessung der Einsatzstrafe von 90 Tagessätzen zu je 50 DM hat die Strafkammer straferschwerend berücksichtigt, dass es sich bei den verfahrensgegenständlichen Ecstasy-Tabletten um Betäubungsmitteln mit dem Wirkstoff MDMA gehandelt hat, der im Sprachgebrauch den "harten" Drogen zugerechnet werde. Sie hat hierbei ausgeführt, die Gefährlichkeit von Ecstasy sei inzwischen aus der öffentlichen Diskussion und der Berichterstattung über die Folgen des Ecstasykonsums bis hin zu Todesfällen bekannt. Der Versuch, die Verbreitung von "harten" Drogen, auch von Ecstasy, mit den Mitteln der Strafjustiz einzudämmen, erfordere die Verhängung von Strafen, welche die Täter empfindlich treffen. Hier müsse dem Angeklagten die Erkenntnis vermittelt werden, dass das von ihm begangene Vergehen einen schwerwiegenden Schuldvorwurf begründe und dass sich ein Verstoß gegen Strafgesetze nicht lohne.

2.2 Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

Es kann dahinstehen, ob es sich bei Amphetamin und seinen Derivaten wie MDMA, MDE oder MDA um "harte" Drogen handelt (vgl. BVerfG NStZ-RR 1997, 342/343; Körner BtMG 5. Aufl. Anhang C 1 Rn. 366; Weber BtMG § 1 Rn. 220) oder ob sie lediglich als "weiche,', jedenfalls nicht als "harte" Drogen zu bewerten sind (vgl. OLG Karlsruhe StV 1996, 675; KG StV 1998, 427/428). Entscheidend ist im vorliegenden Fall lediglich, ob die von MDMA aufgrund seines Suchtpotentials und seiner Missbrauchsgefährlichkeit ausgehenden Gefahren größer sind als das Gefahrenpotential, das jedem Rauschmittel innewohnt und das zu dessen Aufnahme in die Liste der Betäubungsmittel nach § 1 Abs. 1 und 2 BtMG geführt hat. Nur dann kann die von einem Betäubungsmittel ausgehende besondere Gefährlichkeit als bestimmender Strafzumessungsgesichtspunkt im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO zum Tragen kommen. Das ist für Amphetamin und die genannten Amphetaminderivate zu verneinen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist hinsichtlich der Beurteilung der von den Amphetaminderivaten MDMA, MDE und MDA ausgehenden Gefährlichkeit eine Gleichbehandlung sachlich gerechtfertigt. Auch wenn diese Derivate unter Gefährlichkeitsaspekten dem Amphetamin nicht gleichzusetzen sind, so müssen sie bei wertender Betrachtung doch immerhin als annähernd so gefährlich wie Amphetamin eingeschätzt werden (BGHSt 42, 255, 266/267). Infolgedessen hat der Bundesgerichtshof den Grenzwert für die nicht geringe Menge sowohl für MDE wie auch für MDMA jeweils mit 250 Konsumeinheiten zu je 120 mg MDE-Base bzw. MDMA-Base bestimmt (BGH aaO; BGH StV 2001, 407). Amphetamin selbst wird vom Bundesgerichtshof stets als Rauschmittel mittlerer Gefährlichkeit bewertet mit der Folge, dass die von ihm ausgehende Gefährlichkeit keinen wesentlichen Strafschärfungsgrund bilden kann (vgl. BGH StV 1990, 494; NStZ 1993, 287; Körner § 29 Rn. 538 und Anhang C 1 Rn. 367). Diese Einschätzung der Gefährlichkeit von Amphetamin wird vom Senat in ständiger Rechtsprechung geteilt (vgl. etwa BayObLG StV 1995, 587/588). Für die Amphetaminderivate kann deshalb nichts anderes gelten. Die Strafkammer hat folglich zu Unrecht die von MDMA ausgehende Gefährlichkeit straferschwerend gewichtet. Bei dieser Sachlage kann der Senat nicht ausschließen, dass der Angeklagte unter Umständen milder bestraft worden wäre, wenn die Strafkammer die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bayerischen Obersten Landesgerichts zur Gefährlichkeit von Amphetamin berücksichtigt hätte. Damit erweist sich die Revision hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs als begründet.

2.3 Unabhängig von diesen Erwägungen hält auch die Höhe des mit 65 DM festgesetzten Tagessatzes der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Haben sich, wie hier, die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten im Vergleich zum Zeitpunkt der Verhängung der einzubeziehenden Strafe verschlechtert, so ist - nach angemessener Erhöhung der Tagessatzzahl der Einsatzstrafe - die an Hand der aktuellen Verhältnisse bestimmte Höhe des Tagessatzes (hier: 50 DM) nur so zu erhöhen, dass die denkbar niedrigste Gesamtgeldstrafe gebildet werden kann, die gerade noch über dem Endbetrag der Einsatzstrafe wie auch jeder anderen in die Gesamtstrafe eingehenden Einzelstrafe liegt (vgl. hierzu Rissing-van Saan in LK StGB 11. Aufl. § 55 Rn. 42; Schönke/Schröder/Stree StGB 26. Aufl. § 55 Rn. 37 a; Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 55 Rn. 26 jeweils unter Hinweis auf BGHSt 27, 359/361). Das hat die Strafkammer nicht berücksichtigt, weil sie die Höhe des Tagessatzes mit 65 DM und nicht mit 41 DM angesetzt hat.

Ende der Entscheidung

Zurück