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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 09.11.2000
Aktenzeichen: 4 St RR 126/00
Rechtsgebiete: AO, EStG, StGB


Vorschriften:

AO § 140
AO § 141
AO § 370 Abs. 1 Nr. 2
EStG § 4 Abs. 1
EStG § 4 Abs. 3
StGB § 22
Zur Frage, die ob Einkommensteuerverkürzung vollendet wird, sofern die Abgabe einer Steuererklärung unterbleibt.
BayObLG Beschluß

4 St RR 126/00

09.11.00

Tatbestand:

Der Angeklagte reichte bei dem für ihn zuständigen Finanzamt für das Jahr 1990 keine Einkommensteuererklärung ein, obwohl er wußte, dass er als gewerblicher Unternehmer hierzu verpflichtet war. Er wollte sich dadurch der Zahlung der geschuldeten Einkommensteuer entziehen. Demgemäß erklärte er den im Jahr 1990 erzielten Gewinn von 82426 DM nicht. Dies führte zu einer Steuerverkürzung von 31681 DM, die der Angeklagte in dieser Höhe billigend in Kauf nahm.

Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten am 27.5.1998 wegen Steuerhinterziehung zur Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 90 DM.

Die vom Angeklagten gegen diese Entscheidung eingelegte Berufung verwarf das Landgericht am 26.4.2000 als unbegründet.

Die auf die Verletzung des formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hatte Erfolg.

Aus den Gründen:

1. Die Verfahrensrüge ist allerdings unzulässig. Die zu Protokoll der Geschäftsstelle des Landgerichts Augsburg angebrachte Begründung der Revision entspricht hinsichtlich der dort ausgeführten Verfahrensrüge nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Denn die für den Verfahrensverstoß maßgeblichen Verfahrenstatsachen sind so vollständig anzugeben, dass das Revisionsgericht allein an Hand dieses Vertrages die Schlüssigkeit des Verfahrensverstoßes nachvollziehen kann. Der Niederschrift des Rechtspflegers ist aber nicht zu entnehmen, welche Sachvorträge und Anregungen der Angeklagte in der landgerichtlichen Hauptverhandlung gebracht hat. Auf die der Niederschrift als Anlage beigefügte Begründungsschrift des Angeklagten selbst kann der Senat nicht zurückgreifen, da insoweit die Formvorschrift des § 345 Abs. 2 StPO nicht eingehalten wurde. Diese Formvorschrift kann nicht dadurch umgangen werden, dass eigene schriftliche Ausführungen des Angeklagten zum Inhalt der Niederschrift des Rechtspflegers erklärt werden (vgl. z.B. BayObLGSt 1996, 51 m.w.N.). Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen in den Stand vor Versäumung der Revisionsbegründungsfrist kommt hier schon deswegen nicht in Betracht, weil die versäumte Handlung vom Angeklagten nicht nachgeholt wurde (§ 45 Abs. 2,Satz 3 StPO).

2. Jedoch erweist sich die Sachrüge als begründet. Die von der Strafkammer getroffenen Feststellungen tragen nämlich ihre Auffassung nicht, dass es sich um ein vollendetes Steuerdelikt handelt. Die Strafkammer hat nicht festgestellt, wann von dem für den Angeklagten zuständigen Finanzamt die Veranlagungsarbeiten für das Jahr 1990 abgeschlossen wurden. Sie hat sich auch nicht mit der Frage befaßt, ob und gegebenenfalls wann und mit welchem Inhalt von diesem Finanzamt für 1990 gegen den Angeklagten ein auf Schätzung beruhender Einkommensteuerbescheid erlassen wurde. Nur bei Kenntnis dieser Umstände kann aber beurteilt werden, ob die dem Angeklagten angelastete Tat vollendet wurde. Ergeht nämlich nach Ablauf der Frist für die Abgabe der Steuererklärung ein auf Schätzung beruhender Einkommensteuerbescheid, in welchem die Steuer richtig oder zu hoch veranlagt wird, so tritt der Erfolg der Steuerhinterziehung nicht ein, so dass nur versuchte Steuerhinterziehung in Betracht kommt.

Ist ein solcher Bescheid dagegen nicht ergangen, so ist eine Veranlagungssteuern betreffende Tat im Sinne von § 1370 Abs. 1 Nr. 2 AO erst dann vollendet, wenn das zuständige Finanzamt die Veranlagungsarbeiten für den betreffenden Zeitraum im wesentlichen abgeschlossen hat. Entscheidend ist dabei der Zeitpunkt, zu dem bei ordnungsgemäßer Abgabe der Steuererklärung auch der unterlassende Täter spätestens veranlagt worden wäre. Vollendet ist die Tat demgemäß auch dann, wenn der auf Schätzung beruhende Steuerbescheid erst nach Veranlagungsschluß ergeht (vgl. z.B. BGH NStZ-RR 1999, 218; BayObLGSt 1989, 145 jeweils m.w.N.). Wird in dem zeitgerecht ergangenen Schätzungsbescheid die Steuer zu niedrig festgesetzt, so ist die Steuerverkürzung zwar mit Bekanntgabe dieses Bescheids vollendet (vgl. etwa BGHR AO § 370 Abs. 1 Vollendung 1), zu beachten ist aber, dass sich der Verkürzungsschaden auf den Betrag beschränkt, um den die Steuer zu niedrig festgesetzt wurde...

Für das weitere Verfahren wird bemerkt:

1. Zunächst wird festzustellen sein, ob der Angeklagte zur Tatzeit verpflichtet war, seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG zu ermitteln, oder ob er damals zu dem Personenkreis gehörte, der den Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 ESW wahlweise durch Betriebsvermögensvergleich oder durch Überschußrechnung ermitteln konnte. Die bisherigen Feststellungen im angefochtenen Urteil sind hierzu nicht eindeutig. Die Strafkammer geht, ohne dies zu begründen, augenscheinlich davon aus, dass der Angeklagte nicht nach § 140 AO buchführungspflichtig war. Sie nimmt vielmehr anscheinend an, dass seine Buchführungspflicht auf einer auf § 141 Abs. 1 AO gestützten Anordnung des Finanzamts beruht. Unklar bleibt aber, wann diese Buchführungspflicht des Angeklagten begonnen haben soll. Während nämlich im angegriffenen Urteil, einerseits, allerdings ohne genaue Angaben zum Zeitpunkt, ausgeführt wird, das Finanzamt habe den Angeklagten schon vor 1988 auf seine gemäß § 141 AO bestehende Buchführungspflicht hingewiesen, könnte dieser Entscheidung an anderer Stelle zu entnehmen sein, dass das Finanzamt erst mit Schreiben vom 17.8.1990 gestützt auf § 141 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO die Buchführungspflicht des Angeklagten angeordnet hat. Erfüllt lediglich dieses Schreiben die an einen solchen rechtsgestaltenden Verwaltungsakt (vgl. dazu BFH BStB1 1980 11, 427) zu stellenden Anforderungen, so war der Angeklagte im Jahre 1990 nicht buchführungspflichtig. Denn gemäß § 141 Abs. 2 Satz 1 AO ist die Verpflichtung nach § 141 Abs. 1 AO erst vom Beginn des Wirtschaftsjahres an zu erfüllen, das auf die Bekanntgabe der Mitteilung folgt, durch welche die Finanzbehörde auf den Beginn dieser Verpflichtung hingewiesen hat.

2. Führt die neuerliche Hauptverhandlung zu dem Ergebnis, dass der Angeklagte nach § 140 AO oder § 141 AO verpflichtet war, im Veranlagungsjahr 1990 Bücher zu führen und seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich zu ermitteln, so steht ihm ein Wahlrecht nach § 4 Abs. 3 EStG nicht zu. Sein Gewinn kann in diesem Fall für 1990 auch nicht etwa deshalb nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt werden, weil es das Finanzamt in früheren Jahren letztlich hingenommen hat, dass der Angeklagte den Gewinn im Wege der Überschußrechnung ermittelt hat. Denn der Angeklagte hat schon keinen Anspruch darauf, dass die Finanzverwaltung diesen frühere Veranlagungszeiträume betreffenden Fehler auch bei künftigen Veranlagungen wiederholt. Zudem hat es der Angeklagte, sofern er buchführungspflichtig war, in Kenntnis dieser Pflicht durch seine beharrliche Weigerung, Bücher zu führen, erzwungen, dass seine Art des Belegesammelns und der Gewinnermittlung vom Finanzamt als Grundlage der Veranlagung akzeptiert wurde. Dieses Verhalten rechtfertigt es nicht, dem Angeklagten Vertrauensschutz dergestalt zu gewähren, dass er künftig abweichend von seiner etwaigen Buchführungspflicht seine Gewinne im Wege der Überschussrechnung ermitteln darf. Hat der Angeklagte keine Bücher geführt, so ist sein im Jahr 1990 erzielter Gewinn zu schätzen (§ 162 AO).

Die Schätzungsmethode (vgl. dazu etwa BFH BStB1 1984 11, 504) richtet sich grundsätzlich nach der Gewinnermittlungeart des Betriebes (vgl. z.B. BFH NV 1997,,403), hier also eines bilanzierungspflichtigen.

Feststellungen, die ausnahmsweise Anlaß geben könnten, von diesem Grundsatz abzuweichen sind bisher nicht getroffen worden. Basiert auch die Schätzung des vom Angeklagten im Jahr 1989 erzielten Gewinnes auf der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG, so wird die auf einer etwaigen Buchführungspflicht des Angeklagten beruhende Schätzung seines im Jahr 1990 erzielten Gewinnes die für den Wechsel der Gewinnermittlungsart geltenden Regeln (vgl. EStR R 17 zu § 4 EStG, Anl. 1 - zu R 17 EStR) zu beachten haben.

3. Hatte der Angeklagte dagegen das Wahlrecht zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG, so wird zunächst zu prüfen sein, ob er dieses Wahlrecht zu Beginn des Gewinnermittlungszeitraums 1990 auch ausgeübt hat (vgl. z.B. BFH DstRE 1999, 577; BFH/NV 1997, 403; BFH BS tBl 1990 11, 287; BFHE 159, 123; BayObLG Beschluß vom 14.7.1992 RReg 4St 31/91 in BayObLGSt 1992, 71 teilw. nicht abgedr.). Hatte der Angeklagte Gewinnermittlung durch Einnahme-Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG wirksam gewählt, so kann er nicht verlangen, dass seiner Besteuerung ein nach § 4 Abs. 1 EStG geschätzter Gewinn zugrundegelegt wird (vgl. z.B. BFHE 125, 45). Kann bei dieser Fallgestaltung nicht festgestellt werden, dass der Angeklagte für das Jahr 1990 die Gewinnermittlung durch Überschußrechnung gewählt hat, ist sein Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG zu ermitteln (vgl. z.B. BFH/NV 1995, 587; BFH BStBl 1981 II, 301).

Ende der Entscheidung

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