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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 20.01.2003
Aktenzeichen: 4 St RR 133/02
Rechtsgebiete: BtMG, GG, StVG


Vorschriften:

BtMG § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
BtMG § 29 Abs. 5
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 20
StVG § 24a Abs. 2
StVG § 24a Abs. 3
Die Verhängung eines Fahrverbots auf der Grundlage des § 24a Abs. 2 Satz 1 und 2 StVG verstößt regelmäßig weder gegen das Übermaßverbot noch gegen den Gleichheitssatz.
Gründe:

Die Revision ist zulässig (§§ 333, 341 Abs. 1, §§ 344, 345 StPO), jedoch nicht begründet.

1. Die Verfahrensrüge, mit der der Angeklagte ein Beweisverwertungsverbot behauptet, weil die polizeiliche Durchsuchung des von ihm bewohnten Zimmers ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss vorgenommen wurde, greift nicht durch. Die Rüge ist unzulässig, weil sie nicht in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechenden Weise erhoben wurde.

Nach dieser Bestimmung muss der Beschwerdeführer bei einer Verfahrensrüge auch die den Mangel enthaltenden Tatsachen angeben. Wird gerügt, bestimmte Beweismittel hätten wegen eines Verwertungsverbots nicht verwendet werden dürfen, so erfordert ein vollständiger Revisionsvortrag auch die Behauptung, der verteidigte Angeklagte hätte der Verwertung dieser Beweismittel und der ihr vorangehenden Beweiserhebung rechtzeitig widersprochen (ständige Rechtsprechung, vgl. BGHSt 38, 214, 225/226 und 42, 15, 22/23; BayObLGSt 1996, 112, 113/114; Meyer-Goßner StPO 46. Aufl. § 136 Rn. 25, 27). Das ist hier nicht der Fall.

2. Auch die Überprüfung des angegriffenen Urteils aufgrund der Sachrüge deckt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

2.1 Die Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG). Der Schuldumfang der Tat ist ausreichend bestimmt, weil die Jugendkammer ausdrücklich vom Besitz einer geringen Menge von Betäubungsmitteln im Sinne des § 29 Abs. 5 BtMG ausgegangen ist (BU S. 10). Eine solche liegt beim Umgang mit Haschisch vor, wenn die Gewichtsmenge des verfahrensgegenständlichen Rauschgiftgemisches nicht mehr als drei bis sechs Gramm beträgt und somit nicht für mehr als zwei -- drei Konsumeinheiten eines Probierers ausreicht, und darüber hinaus das Rauschgift zum Eigenverbrauch bestimmt ist. Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Jugendkammer hat die Rauschgiftmenge mit zwei -- drei Gramm Haschisch zusätzlich einer geringen Restmenge bzw. einiger Krümel Marihuana bestimmt; die Sicherstellung gebrauchter Rauchgerätschaften wie auch der zeitlich vorangegangene Haschischkonsum belegen hinreichend deutlich, dass der Angeklagte die aufgefundenen Kleinmengen zum eigenen Konsum vorrätig gehalten hat. Feststellungen zum Mindestwirkstoffgehalt sind in einem solchen Fall nicht geboten (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zuletzt Beschluss v. 9.10.2002 - 4St RR 105/02).

Der Senat teilt nicht die Auffassung der Verteidigung, von einer Bestrafung sei im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9.3.1994 (NJW 1994, 1577 ff.) wegen eines Verstoßes gegen das Übermaßverbot abzusehen.

Zwar hat das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen, dass die Anwendung des § 29 Abs. 5 BtMG vor allem dann nahe liegt, wenn ein Probierer oder Gelegenheitskonsument eine geringe Menge der im Vergleich zu anderen gängigen Betäubungsmitteln weniger gefährlichen Cannabisprodukte ausschließlich zum Eigenverbrauch besitzt, ohne eine Fremdgefährdung zu verursachen (vgl. BVerfG NJW 1994, 1582 und NStZ 1997, 498). Dem entspricht die Rechtsprechung des Senats (vgl. BayObLGSt 1982, 62 und BayObLGSt 1995, 22). Diese Voraussetzungen liegen in der Person des Angeklagten jedoch nicht vor. Aus der Gesamtheit der Feststellungen erschließt sich nämlich, dass die Jugendkammer angesichts der einschlägigen Vorstrafe aus dem Jahre 1997 (unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln aus den Niederlanden), dem Rauschgiftkonsum zur Tatzeit sowie des Vorrats an Rauschgift und einer Vielzahl von Rauchgerätschaften den Angeklagten nicht mehr als Probierer oder Gelegenheitskonsumenten angesehen hat. Bei dieser Sachlage ist die Verhängung einer äußerst niedrigen Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10 Euro aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

2.2 Gleichfalls ohne Erfolg greift die Verteidigung den Schuldspruch wegen eines Verstoßes gegen § 24 a Abs. 2 und 3 StVG an. Danach handelt ordnungswidrig, wer zumindest fahrlässig gegen das Verbot zur Führung eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr unter der Wirkung eines der in der Anlage zu § 24 a StVG aufgeführten berauschenden Mittel - hier: Cannabis - verstößt. Nach den Feststellungen der Jugendkammer wies der Angeklagte zur Tatzeit gerötete Bindehäute auf; die von ihm abgegebene Urinprobe reagierte positiv auf THC. Die Untersuchung einer Blutprobe ergab einen Gehalt an Tetrahydrocannabinol von [ 2,0 ng/ml Blut (BU S. 6/7). Dies trägt die Feststellung der Jugendkammer, der Angeklagte habe zumindest fahrlässig gegen § 24 a Abs. 2 StVG verstoßen.

Auch die Verhängung einer Geldbuße von 250 Euro sowie die Festsetzung eines Fahrverbots von einem Monat wegen der fahrlässigen Zuwiderhandlung gegen § 24 a Abs. 2 StVG begegnet auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen aus Rechtsgründen keinen Bedenken. Die Sanktionen entsprechen den Regelsätzen nach der Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 BKatV (vgl. dort Nr. 242).

Entgegen der Meinung der Verteidigung ist die Vorschrift des § 24 a Abs. 2 StVG nicht verfassungswidrig (vgl. OLG Zweibrücken BA 2002, 129). Die Vorschrift verstößt weder gegen das Übermaßverbot noch gegen den Gleichheitsgrundsatz.

2.2.1 Der Vorwurf der Verteidigung, die Bestimmung des § 24 a Abs. 2 StVG verstoße schon deshalb gegen das Übermaßverbot, weil bereits geringste Konzentrationen eines BtM-Wirkstoffs ohne jeglichen Nachweis physiologischer Wirksamkeit Grund der Bestrafung sein können, trifft nicht zu.

Der Gesetzgeber ist bei seiner Einschätzung der durch die Aufnahme bestimmter Betäubungsmittel zu erwartenden Leistungsbeeinträchtigungen im Straßenverkehr davon ausgegangen, dass solche erst dann eintreten, wenn die Blut-Wirkstoff-Konzentration eine solche Höhe erreicht hat, dass ein zuverlässiger blutanalytischer Nachweis möglich ist (Stein NZV 1999, 441/452; BT-Drucks. 13/3764 S. 5). Die Vorschrift des § 24 a Abs. 2 StVG führt deshalb nicht bereits bei Vorliegen geringster Konzentrationen von Rauschgift zu einer Sanktion. Vom blutanalytischen Wirkstoffnachweis werden nur Konzentrationen erfasst, die deutlich oberhalb des Nullwerts liegen (vgl. hierzu Stein S. 448). Derzeit liegt die Nachweisfähigkeit bei 1 ng/ml im Serum (Kauert BA 2002, 102/108). Der beim Angeklagten festgestellte Wert an THC, der im Bereich von 2 ng/ml im Serum liegt (BU S. 7), ist hiervon deutlich abgesetzt. An der Verhältnismäßigkeit der vom Gesetzgeber mit § 24 a Abs. 2 StVG getroffenen Regelungen bestehen aber auch deshalb keine Zweifel, weil derzeit -- solange exakte Probengrenzwerte nicht definiert werden können (vgl. BGHSt 44, 219/222-223) -- ein milderes Mittel zur Bewältigung der auf Drogenkonsum beruhenden Verkehrssicherheitsprobleme nicht zur Verfügung steht. Da auch die Geeignetheit und die Erforderlichkeit der Regelung des § 24 a Abs. 2 StVG zur Erhöhung der Verkehrssicherheit nicht zu bestreiten ist (Stein S. 446), zweifelt der Senat unter dem Gesichtspunkt des Übermaßverbots nicht an der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift.

2.2.2 Auch soweit die Verteidigung den Gleichheitsgrundsatz verletzt sieht, weil die Konsumenten illegaler Rauschmittel bereits ohne Nachweis einer Dosis-Wirkstoffbeziehung mit Sanktionen belegt werden, während Alkoholkonsumenten erst ab einer BAK von 0,5 Promille an verfolgt würden, kann ihm der Senat nicht folgen.

Die Verteidigung übersieht, dass der Gesetzgeber nicht willkürlich gehandelt hat, wenn er das Verbot des Fahrens unter Alkohol an qualifizierte Grenzwerte und das Verbot des Fahrens unter bestimmten Drogen an eine Nullwertgrenze geknüpft hat. Er sieht sich lediglich nicht in der Lage, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrs vom 28.4.1998 (BGBl. I S. 795) bestehende Ahndungslücke anders als durch den Verzicht auf exakte Drogengrenzwerte zu schließen. Der Grund liegt darin, dass bei den einzelnen Drogen im Vergleich zum Alkohol noch keine Quantifizierbarkeit der Dosis-Wirkungsbeziehung besteht (BT-Drucks. 13/3764 S. 5/6; Stein S. 446). Sind aber Rauschmittel, insbesondere Cannabis, unstreitig geeignet, das sichere Führen von Kraftfahrzeugen zu beeinträchtigen (vgl. hierzu BVerfG BA 2002, 362/367-368) und nimmt die Zahl der Entdeckungen von drogenpositiven Kraftfahrern weiter zu (vgl. Kauert S. 104), so kann der Gesetzgeber mit einem von ihm als tauglich eingeschätzten Mittel, hier der Nullwertregelung des § 24 a Abs. 2 StVG, dieser Gefahr begegnen (vgl. hierzu BT-Drucks. 13/3764 S. 4). Die insoweit bestehenden Unsicherheiten, die es aus medizinisch-toxikologischer Sicht derzeit nicht zulassen, den Zusammenhang zwischen Drogenkonsum und Fahruntüchtigkeit durch exakte Grenzwerte festzulegen, ändert nichts an der Befugnis des Gesetzgebers, an Hand der derzeitigen Erkenntnismöglichkeiten ein Gesetz zu erlassen, das zur wirksamen Bekämpfung der Drogenproblematik im Straßenverkehr beitragen kann (vgl. hierzu BVerfGE 50, 290, 332-333). Die unterschiedliche Behandlung von Alkohol- und Drogenkonsumenten im Straßenverkehr hat somit ihre Ursache lediglich darin, dass der naturwissenschaftliche Erkenntnisstand hinsichtlich der Drogenwirksamkeit derzeit beim Konsum von Alkohol wesentlich höher ist als beim Konsum der in der Anlage zu § 24 a StVG aufgeführten Rauschmittel. Dies begründet keinen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz.

Damit erweist sich die Revision als unbegründet.

Sie wird daher gemäß § 349 Abs. 2 StPO auf Antrag der Staatsanwaltschaft durch einstimmig gefassten Beschluss verworfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.



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