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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 21.12.2000
Aktenzeichen: 4 St RR 166/00
Rechtsgebiete: AuslG
Vorschriften:
AuslG § 23 Abs. 2 Satz 2 | |
AuslG § 92 Abs. 2 Nr. 2 |
BayObLG Beschluss
21.12.00
Tatbestand
Das Amtsgericht verurteilte die Angeklagten am 3.12.1999 wegen gemeinschaftlicher unrichtiger Angaben zur Beschaffung einer Aufenthaltsgenehmigung jeweils zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Berufungen der Angeklagten verwarf das Landgericht am 8.5.2000 als unbegründet. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft änderte das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil dahingehend ab, dass beide Angeklagte schuldig sind, in vier Fällen gemeinschaftlich unrichtige Angaben zur Beschaffung einer Aufenthaltsgenehmigung gemacht zu haben und der Angeklagte zudem in drei jeweils rechtlich zusammentreffenden Fällen sich auch des Einschleusens von Ausländern schuldig gemacht hat. Beide Angeklagte wurden zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Angeklagte hat das Urteil nicht angefochten.
Die auf die Verletzung des materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten führte zum Freispruch beider Angeklagten.
Aus den Gründen:
Die Revision ist zulässig (§§ 333, 341 Abs. 1, §§ 344, 345 StPO) und begründet.
1. Nach den Feststellungen schlossen die Angeklagten am 22.8.1992 in Rumänien die Ehe. Die Angeklagte war damals rumänische Staatsangehörige, der Angeklagte deutscher Staatsbürger. In der Folgezeit wohnten die Angeklagten im wesentlichen in Deutschland. Allerdings lebten sie seit Juli 1996 getrennt. Am 4.2.1997 hatte der Angeklagte einen Antrag auf Scheidung der Ehe gestellt, der von ihm mit Schreiben vom 25.9.1997 aber wieder zurückgenommen wurde. Im Hinblick auf die anstehende Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis der Angeklagten erklärten beide am 15.9.1997 gegenüber dem Ausländeramt der Stadt N. und am 22.9.1997 gegenüber dem Ausländeramt der Stadt F., dass sie weiterhin eine eheliche Lebensgemeinschaft führten, zusammen in der B.-Straße in N. bzw. in der S.-Straße in F. wohnten und einen gemeinsamen Haushalt führten.
Im Zuge eines weiteren Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis für die Angeklagte vom 17.6.1998 erklärten beide Angeklagte an diesem Tage und am 19.8.1998 gegenüber dem Ausländeramt der Stadt F., gemeinsam jeweils mit dem Ehegatten in der F.-Straße in F. einen gemeinsamen Hausstand zu haben, in ehelicher Lebensgemeinschaft zusammen zu leben und keinen weiteren Wohnsitz zu unterhalten. Die Angeklagte erhielt am 2.9.1998 die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Ehe wurde am 15.10.1998 geschieden.
Im übrigen stellte die Strafkammer zum Zusammenleben der Angeklagten in den verfahrensgegenständlichen Zeitpunkten fest, sie hätten jeweils eine gemeinsame Wohnung angemietet, diese gemeinsam unterhalten und dort zusammen gewohnt. Sie bewertete das Zusammenleben der Angeklagten in diesem Zeitraum als möglicherweise "nachhaltig". Nach dem Zweifelssatz ist daher von einem nachhaltigen Zusammenleben auszugehen.
2. Die Angeklagte hat sich dahingehend eingelassen, am 12. oder 13.9.1997 mit ihrem Ehemann wieder zusammengetroffen zu sein. Man habe sich versöhnt und habe in der Zeit vom 15.9.1997 bis September 1998 wieder beieinander gewohnt und eine eheliche Lebensgemeinschaft geführt. Sie habe sich zwar auch wegen ihrer Aufenthaltserlaubnis wieder an ihren Ehemann gewandt; dies sei jedoch nur ein Grund gewesen. Tatsächlich habe man sich wieder versöhnt und sei zusammengezogen. Anfang September 1998 habe sie dann während eines gemeinsamen Urlaubs in Rumänien festgestellt, dass ihr Ehemann ein Verhältnis mit ihrer Cousine gehabt habe. Das habe zur Scheidung der Ehe geführt.
Dieser Erklärung der Angeklagten hatte sich der Mitangeklagte angeschlossen.
3. Die Strafkammer ist demgegenüber der Überzeugung, die Erklärungen der Angeklagten vom 15.9.1997, 22.9.1997, 17.6.1998 und vom 19.8.1998 seien jedenfalls insoweit falsch gewesen, als die Angeklagten hierin erklärt hatten, sie führten eine eheliche Lebensgemeinschaft. Angesichts der zeitlich nahezu völligen Übereinstimmung zwischen dem Zeitpunkt der behaupteten Versöhnung und den Anträgen auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vom 15.9.1997 und vom 22.9.1997 einerseits und dem Zeitpunkt der Einbürgerung der Angeklagten und der kurz danach beantragten Scheidung andererseits bestünde kein Zweifel, dass die Angeklagten nach ihrem erneuten Zusammentreffen die Führung einer ehelichen Lebensgemeinschaft weder beabsichtigt noch praktiziert hätten. Das Zusammenleben sei den Behörden nur vorgespiegelt worden, um letztlich die Einbürgerung der Angeklagten zu erreichen. Es habe sich damit im Verhältnis beider Angeklagten nicht um eine eheliche Lebensgemeinschaft, sondern lediglich um eine auflösend bedingte Lebensgemeinschaft gehandelt, weil diese nur auf Zeit, nämlich bis zur Einbürgerung der Angeklagten, angelegt gewesen sei.
4. Diese Bewertung der Strafkammer trägt die Verurteilung der Angeklagten nicht. Hierbei kann es dahinstehen, ob die Schlussfolgerung der Strafkammer, die Angeklagten hätten sich nur pro forma versöhnt und lediglich auf Zeit zusammengewohnt, auf einer tragfähigen tatsächlichen Grundlage beruht oder eine durch Tatsachen nicht ausreichend abgestützte bloße Vermutung darstellt. Hierauf kommt es nämlich nicht an.
4.1 Nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG macht sich unter anderem strafbar, wer unrichtige Angaben macht, um für sich oder einen anderen eine Aufenthaltsgenehmigung zu beschaffen. Mit den verfahrensgegenständlichen Erklärungen haben die Angeklagten keine unrichtigen Angaben in diesem Sinne gemacht.
§ 23 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 17 Abs. 1 AuslG bestimmt, dass dem ausländischen Ehegatten eines deutschen Staatsangehörigen eine Aufenthaltsgenehmigung in Form der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des nach Art. 6 GG gebotenen Schutzes von Ehe und Familie für die Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft zu erteilen ist. Sie wird in der Regel für drei Jahre erteilt, wird aber befristet verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht und die Voraussetzungen für eine unbefristete Verlängerung noch nicht vorliegen (§ 23 Abs. 2 AuslG). Behauptet ein Ausländer im Verfahren zur Erlangung oder Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis, er habe sich mit einem deutschen Staatsangehörigen verheiratet oder er führe (weiterhin) eine eheliche Lebensgemeinschaft, so macht er sich regelmäßig nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG dann strafbar, wenn das tatsächliche Eingehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft von vorneherein nicht gewollt war, die Ehe vielmehr nur deshalb geschlossen wurde, um dem Ausländer zu einer aus anderen Gründen angestrebten, aber verwehrten Aufenthaltserlaubnis zu verhelfen (ständige Rechtsprechung, vgl. BayObLG EZAR 355 Nr. 8 m.w.N.). Die Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis setzt also voraus, dass außer einer rechtlichen auch eine tatsächliche - regelmäßig in der Pflege einer häuslichen Gemeinschaft zum Ausdruck kommende - Verbundenheit der Ehepartner besteht oder in einem überschaubaren Zeitraum (wieder) hergestellt werden kann (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa VGH Baden-Württemberg InfAus1R 1995, 197/198 m.w.N.). Eine solche nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich bestehende häusliche Gemeinschaft hat die Strafkammer im verfahrensgegenständlichen Zeitraum aber festgestellt wenn sie zu dem Ergebnis kommt, die Angeklagten hätten eine gemeinsame Wohnung angemietet, diese gemeinsam unterhalten und sie hätten in dieser Wohnung "nachhaltig" zusammengewohnt.
4.2 Entgegen der nicht näher erläuterten Rechtsauffassung der Strafkammer setzt das Bestehen einer familiären Lebensgemeinschaft im Sinne des § 23 Abs. 2 Satz 2 AuslG - hier einer ehelichen Lebensgemeinschaft - als Voraussetzung für die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nicht voraus, dass die Beziehung der Ehepartner darüber hinaus noch von einem - mit den Aufklärungsmöglichkeiten des Verwaltungsrechts wie auch des Strafrechts ohnehin kaum feststellbaren - unbedingten Willen zur Ehe auf Lebenszeit getragen ist.
Nach deutschem Eherecht handelt es sich bei dem Institut der Ehe primär um eine Lebens- und Verantwortungsgemeinschaft (vgl. § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB). Es stellt in Form eines Bekenntnissatzes (vgl. hierzu Ermann/Heckelmann BGB Band II 10. Aufl. § 1353 Rn. 2) auch klar, dass eine Ehe auf Lebenszeit geschlossen wird (§ 1353 Abs. 1 Satz 1 BGB). Für das rechtswirksame Bestehen einer gültig geschlossenen Ehe ist es aber nicht konstitutiv, dass der Wille zur lebenslangen Partnerschaft zu jedem Zeitpunkt bei den Partnern noch vorhanden ist. Das erschließt sich bereits aus der Tatsache, dass ein Eheaufhebungsgrund beim Fehlen des Willens zur lebenslangen Partnerschaft nur besteht, wenn dieser Wille bei der Eheschließung gefehlt hat (§ 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB). Liegt ein Eheaufhebungsgrund in diesem Sinne nicht vor, besteht eine von der Rechtsordnung geschützte eheliche Lebensgemeinschaft auch dann, wenn nur deren äußere Voraussetzungen vorliegen, beide Partner den willen zur lebenslangen Gemeinschaft aber zeitweilig oder sogar endgültig aufgegeben haben, ohne bereits geschieden zu sein. So ist es nicht ungewöhnlich, dass Ehepartner, deren Beziehung endgültig gescheitert ist, lediglich der Kinder wegen noch in häuslicher Gemeinschaft zusammen leben, um sich beim Erreichen eines bestimmten Alters der Kinder dann scheiden zu lassen.
So verhält es sich im Ergebnis auch hier. Die Strafkammer hat nicht festgestellt, dass die Angeklagten von vorneherein bei ihrer Eheschließung im Jahre 1992 beabsichtigt hatten, nicht in einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Weise zusammen zu leben. Nach den Feststellungen der Strafkammer waren die Angeklagten bereits nahezu vier Jahre verheiratet, als sie sich schließlich trennten. Sie haben anschließend nach deren Feststellungen wiederum und sogar "nachhaltig" zusammen gelebt, wenngleich das Zusammenleben nach der Überzeugung der Strafkammer nicht mehr vom Willen zur lebenslangen Partnerschaft getragen war. Dieses von der Strafkammer festgestellte nachhaltige Zusammenleben genügt aber zum Nachweis dafür, dass sie - wie erklärt - in einer ehelichen Gemeinschaft zusammenlebten. Der Nachweis, unrichtige Erklärungen insoweit abgegeben zu haben, ist damit nicht erbracht.
Wegen des aufgezeigten Rechtsfehlers (§ 337 StPO) ist das angefochtene Urteil auf die Revision der Angeklagten mit den Feststellungen aufzuheben (§ 353 StPO). Die Aufhebung des Urteils erstreckt sich auch auf den bereits rechtskräftig verurteilten Mitangeklagten (§ 357 StPO). Da weitere Feststellungen, die eine Verurteilung der Angeklagten erwarten ließen, nach Sachlage nicht mehr getroffen werden können, waren beide Angeklagten freizusprechen(§ 354 Abs. 1 StPO).
Ende der Entscheidung
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