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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 18.03.2003
Aktenzeichen: 4 St RR 19/03
Rechtsgebiete: AO
Vorschriften:
AO § 370 Abs. 1 Nr. 2 | |
AO § 374 |
Tatbestand:
Von März 1999 bis April 2000 wurden von einer größeren Tätergruppe Zigaretten in erheblichem Umfang geschmuggelt. Die in Großbritannien hergestellten Zigaretten wurden an Empfänger außerhalb des EU-Raums ausgeführt, sodass in Großbritannien keine Steuern zu entrichten waren. Auf unbekannten Wegen gelangte die Handelsware nach Griechenland, wo die griechischen Eingangsabgaben hinterzogen wurden, weil keine Anmeldung zum Zoll erfolgte. Diese Eingangsabgaben bestanden aus Zoll, griechischer Tabaksteuer und griechischer Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von umgerechnet insgesamt 38,74 DM je Stange Zigaretten. Dort wurden die Zigaretten zunächst zwischengelagert. Anschließend wurden sie vom dortigen Teil der Tätergruppe in Kühllastkraftwagen dafür angeworbener Fuhrunternehmer bzw., Fahrer hinter Tarnladung verborgen und dann durch diese entsprechend dem Gesamtplan wieder nach Großbritannien zurückgebracht, wobei in keinem der zwischen Griechenland und Großbritannien durchfahrenen Länder eine Anmeldung zum Zoll erfolgte, und dort in den Wirtschaftskreislauf eingeschleust.
Der anderweitig Verfolgte U.G. stand in Kontakt mit der genannten Tätergruppe. Der Angeklagte war bei ihm als Lkw-Fahrer beschäftigt. Im September 1999 trat U.G. an den Angeklagten heran und teilte ihm mit, dass die Firma in großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten sei, aber durch den Schmuggel von Zigaretten saniert werden könne. U.G. sprach in diesem Zusammenhang von drei bis vier Schmuggelfahrten. Er forderte den Angeklagten auf, jeweils mit ihm zusammen die Schmuggelfahrten durchzuführen, wobei U.G. einen Lkw und der Angeklagte den anderen steuern sollte. Er sagte dem Angeklagten neben dem üblichen Arbeitslohn einen zusätzlichen Betrag von 3000,-- DM je erfolgreicher Schmuggelfahrt zu. Der Angeklagte ging auf das Angebot ein.
Der Angeklagte und U.G. fuhren daraufhin im Oktober und November 1999 dreimal jeweils mit einem Lkw nach Griechenland, und zwar in die Nähe von Athen.
Bei jeder dieser Fahrten beförderte der Angeklagte mit dem Lkw legal Fracht. Das entladene Fahrzeug wurde durch Mitglieder der Tätergruppe in Abwesenheit des Angeklagten derart beladen, dass zunächst mindestens jeweils 20000 Stangen Zigaretten in die letzten Reihen hinter einer Tarnladung Tiefkühlpizza verstaut wurden.
Sämtliche Beteiligte vertrauten in diesem Zusammenhang darauf, dass bei einer eventuellen Zollkontrolle nur die letzte, allenfalls noch die vorletzte Reihe kontrolliert würde, damit die erforderliche Kühltemperatur beibehalten und die Kühlkette nicht unterbrochen würde. Den eigentlichen Beladevorgang konnte jedenfalls der Angeklagte nicht selbst beobachten.
Anschließend steuerten der Angeklagte und U.G., jeweils ihren Lkw über Italien und Österreich nach Deutschland. Hier erhielt der Angeklagte jeweils von Ü.G. einen neuen Satz Frachtpapiere. Diese neuen Frachtpapiere waren ebenso wie die alten auf eine vollständige Wagenladung Tiefkühlpizza ausgestellt. Aus den neuen Frachtpapieren war nicht mehr zu ersehen, dass die Ware aus Griechenland importiert war. Dies erfolgte deshalb, weil verschiedene Zollbehörden in Europa bei Ware mit dem Herkunftsland Griechenland misstrauisch geworden waren.
Mit der Einreise jeweils in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland entstand die sofort fällige Tabaksteuer in Höhe von 31,36 DM je Stange Zigaretten, entsprechend 627200 DM bei je 20000 Stangen. Dem Angeklagten war, nicht zuletzt im Hinblick auf seine langjährige Lkw-Fahrer-Tätigkeit, bewusst, dass Zigaretten bei der Einfuhr nach Deutschland den Zollbehörden anzuzeigen sind. Er nahm somit auch billigend in Kauf, dass bei der Einfuhr solcher Zigaretten Steuern, auch Tabaksteuern, fällig werden. Entgegen seiner entsprechenden Verpflichtung unterließ er es aber jeweils, die Zigaretten bei der Einfuhr anzumelden.
Anschließend setzten der Angeklagte und U.G. ihre Fahrt über Belgien oder die Niederlande und Frankreich fort. Nach dem Übersetzen nach Großbritannien wurden sie von Mitgliedern der Tätergruppe in Empfang genommen und zu jeweils unterschiedlichen Ankunftsorten gelotst. Hier wurden die Zigaretten entladen.
Das Amtsgericht - Schöffengericht - setzte gegen den Angeklagten mit Urteil vom 14.05.2002 wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in drei Fällen und Steuerhinterziehung in drei Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren drei Monaten fest. Die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft - letztere beschränkt auf den Rechtsfolgenausspruch - verwarf das Landgericht am 06.11.2002 als unbegründet.
Die Revision des Angeklagten war begründet, soweit das Landgericht den Angeklagten wegen Steuerhehlerei in drei Fällen verurteilt hatte.
Gründe:
Die von der Strafkammer getroffenen Feststellungen bilden keine tragfähige Grundlage für den Schuldspruch wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei (§ 374 Abs. 1 und 2 AO) in drei Fällen.
Steuerhehlerei konnte der Angeklagte als Täter der Steuerhinterziehung (vgl. hierzu BGH NJW 2003, 446, 449/450) mit dem Abtransport der in Griechenland übernommenen Handelsware nur begehen, wenn zu diesem Zeitpunkt die Steuer- und Zollhinterziehung nicht nur rechtlich vollendet, sondern auch tatsächlich beendet war. Vollendet war die Tat mit dem Überschreiten der Zollgrenze nach Griechenland, rechtlich beendet war sie aber erst, sobald die geschmuggelte Ware in Sicherheit gebracht und "zur Ruhe" gekommen war. Letzteres ist erst anzunehmen, wenn die Handelsware ihren Bestimmungsort erreicht (BGH NStZ 2000, 594 mwN.). Nach dem vom Landgericht festgestellten Tatplan waren die Zigaretten für Großbritannien bestimmt und erreichten dieses Ziel auch. Demzufolge war der "Stützpunkt" der Täter in Griechenland nur Zwischenlager, wie auch die weiteren Feststellungen des Landgerichts zeigen, wonach in Deutschland neue Frachtpapiere ausgestellt wurden um das Herkunftsland Griechenland zu verschleiern und der weitere Umstand, dass der Absatz der Zigaretten in Großbritannien mangels dort an - ordnungsgemäß versteuerten - Zigarettenpackungen angebrachter Steuerbanderolen erleichtert wurde.
Wegen des aufgezeigten Rechtsfehlers (§ 337 StPO) kann der Schuldspruch wegen Steuerhehlerei in drei Fällen keinen Bestand haben. Für einen gesonderten Freispruch war kein Raum, da Tatidentität im Sinne von § 264 StPO mit dem dem bestehen bleibenden Schuldspruch wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen zugrunde liegenden Lebenssachverhalt besteht. Das angefochtene Urteil war daher im bezeichneten Umfang einschließlich der zum Rechtsfolgenausspruch getroffenen Fest-Stellungen aufzuheben (§ 353 StPO). Die übrigen Feststellungen können bestehen bleiben, weil sie von der Gesetzesverletzung nicht berührt sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Sie bedürfen lediglich der Ergänzung. Der Senat hat nicht nur die Gesamtstrafe und die Einzelstrafen wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei aufgehoben, sondern auch die Einzelstrafen wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen, da die Strafkammer die Strafzumessung in beiden Komplexen in einem sehr engen zeitlichen und situativen Zusammenhang und in wechselseitiger Abhängigkeit bewertet hat.
Ende der Entscheidung
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