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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 28.03.2001
Aktenzeichen: 4 St RR 29/01
Rechtsgebiete: AO, EStG
Vorschriften:
AO § 35 | |
AO § 370 Abs. 1 Nr. 1 | |
AO § 370 Abs. 1 Nr. 2 | |
EStG § 26 Abs. 3 |
BayObLG Beschluss
28.03.01
Tatbestand
Die Ehefrau des Angeklagten betrieb von 1981 bis 1998 in München ein Lebensmitteleinzelhandelsgeschäft, das bis 1985 vom Finanzamt ... steuerlich erfasst war. Der Angeklagte arbeitete in diesem Geschäft unentgeltlich mit, fuhr zum Einkaufen, erledigte Behördenangelegenheiten und sämtlichen Schriftverkehr mit den Behörden und zwar auch den mit dem Finanzamt.
Im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit seiner Ehefrau teilte der Angeklagte dem Finanzamt ... mit einem von ihm mit "i. A...." unterzeichneten Schreiben vom 5.3.1987 bewusst wahrheitswidrig mit, dass der Lebensmitteleinzelhandel seiner Frau mit Wirkung ab April 1985 eingestellt worden sei.
Daraufhin wurden, wie von ihm und seiner Frau gewollt, vom Finanzamt gegen beide keine Steuern mehr festgesetzt. Sie reichten auch keine Steuererklärungen mehr ein, obwohl das Geschäft weiterbetrieben wurde und der Angeklagte eine Rente bezog. Ihnen war aber bewusst, dass die Frau Umsatzsteuerjahreserklärungen und beide Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1989 mit 1993 bei dem jeweils zuständigen Finanzamt einzureichen hatten.
Dadurch wurden in diesen Jahren unter Berücksichtigung abzugsfähiger Vorsteuern jährlich zwischen 7000 DM und 7600 DM, insgesamt nach den Berechnungen der Strafkammer 36000 DM (richtig 36800 DM), an Umsatzsteuern verkürzt. Die hinterzogenen Einkommensteuern bewegten sich im Splittingverfahren berechnet in den Jahren 1989 mit 1992 zwischen 6254 DM und 7118 DM und wurden von der Strafkammer mit insgesamt 26040 DM (richtig 26030 DM),errechnet. Hinsichtlich der versuchten Einkommensteuerhinterziehung für 1993 betrug die erstrebte Steuerverkürzung 6442 DM.
Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten am 16.2.1998 wegen gemeinschaftlicher Steuerhinterziehung in 10 Fällen, davon in 5 Fällen jeweils rechtlich zusammentreffend mit einer weiteren Steuerhinterziehung, zur Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr.
Nachdem es das Verfahren hinsichtlich der dem Angeklagten angelasteten Gewerbesteuerhinterziehung vorläufig eingestellt hatte, änderte das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil auf die Berufung des Angeklagten am 26.10.2000 dahin ab, dass der Angeklagte wegen Steuerhinterziehung in neun Fällen und versuchter Steuerhinterziehung zur Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt wurde, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Die von der Staatsanwaltschaft gegen die amtsgerichtliche Entscheidung eingelegte und auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung verwarf das Landgericht als unbegründet.
Die auf die Verletzung des sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hatte Erfolg.
Aus den Gründen:
1. Die Feststellungen der Strafkammer tragen ihre Annahme nicht, dass der Angeklagte die in Rede stehenden Umsatzsteuerhinterziehungen als Mittäter begangen hat. Nach den Feststellungen der Strafkammer war der Angeklagte nicht Mitinhaber des von seiner Frau betriebenen Lebensmittelgeschäfts. Ihre Ausführungen lassen auch nicht die Feststellung zu, dass er insoweit Verfügungsberechtigter im Sinne des § 35 AO war (vgl. dazu etwa BGHR § 35 AO Verfügungsberechtigter 1, 2; BFH vom 29.10.1985 BFH/NV 1986, 192). Zur Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärungen verpflichtet (§ 18 Abs. 3 Satz 1 USW) und Schuldnerin der zu zahlenden Umsatzsteuern (§ 13 Abs. 1 Nr. l, Abs. 2 Nr. 1 USW) war danach die Ehefrau des Angeklagten als Unternehmerin. Allerdings kann Mittäter einer Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO auch sein, wer selbst weder Steuerschuldner noch sonst Steuerpflichtiger in bezug auf die hinterzogenen Steuern ist (vgl. z.B. BGHR § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO Mittäter 3; BGH wistra 1986, 263; BFH vom 21.11.2000 VII R 8/00). Etwas anderes gilt jedoch, wenn die Steuerhinterziehung wie hier durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) begangen wird. Der Angeklagte ist zwar im Einvernehmen mit seiner Frau zur Verwirklichung des gemeinsamen Entschlusses, künftig keine Steuern mehr zu zahlen, nach den Feststellungen der Strafkammer aktiv geworden, indem er dem Finanzamt mit Schreiben vom 5.3.1987 vorspiegelte, das Lebensmittelgeschäft werde seit 1985 nicht mehr betrieben. Dieses Verhalten stellt aber noch nicht den Beginn der Ausführung der die Veranlassungszeiträume ab 1989 betreffenden Steuerhinterziehungen dar, sondern ist als Vorbereitungshandlung (vgl. dazu etwa BGHR § 41 Abs. 1 AO, Durchführung, tatsächliche 1; wistra 1994, 268) zu werten. Denn der staatliche Steueranspruch war mit Eingang dieses Briefes beim Finanzamt noch nicht gefährdet. Die Steuern, deren Zahlung durch diesen Brief verhindert werden sollte, waren erst Jahre später zu erklären. Ob dann dieses Geschäft überhaupt noch existieren und gegebenenfalls steuerpflichtige Gewinne erwirtschaften würde, war bei Fertigung dieses Briefes nicht abzusehen. Ebenso wenig war damals schon abzuschätzen, ob der Angeklagte und seine Ehefrau im Jahre 1990 - dann erst waren die Umsatzsteuerjahres- und die Einkommensteuererklärung 1989 frühestens abzugeben (§ 149 Abs. 2 Satz 1 AO) - und später an diesem Entschluss festhalten würden. Zudem wurde der weitere Geschehensablauf entscheidend davon beeinflusst, wann die Finanzbehörden welchen Kenntnisstand hinsichtlich dieses Geschäfts erlangen würden. Die Umsatzsteuerhinterziehungen betreffend die Jahre 1989 mit 1993 wurden von der Ehefrau des Angeklagten somit erst durch Nichtabgabe der Umsatzsteuerjahreserklärungen, also durch Unterlassen im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, begangen. Denn die Entscheidung der Frage, ob der Täter den Tatbestand der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO oder den des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO erfüllt hat, beurteilt sich allein danach, ob er den Tatbestand durch unzulängliche Angaben (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) verwirklicht oder ob er die Steuerbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) hat. Auf diese Bewertung bleibt es ohne Einfluss, wie sich Täter, Mittäter oder Teilnehmer im Rahmen etwaiger Vorbereitungshandlungen verhalten haben. Eine nach Art ihrer Tatbestandsverwirklichung als Unterlassungsdelikt im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO begangene Steuerhinterziehung ist daher nicht deshalb als eine solche nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO einzuordnen, weil Täter oder Teilnehmer im Rahmen der Vorbereitung Aktivitäten entwickelt haben, die die Einstufung des dann begangenen Delikts als solches nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO erfordern würden, wenn diese Tätigkeiten erst im Rahmen der Tatausführung entfaltet worden wären. Mittäter der von seiner Ehefrau durch Nichtabgabe der Umsatzsteuerjahreserklärungen begangenen Steuerhinterziehungen hätte der Angeklagte also nur sein können, wenn er insoweit zur Aufklärung der steuerlich erheblichen Tatsachen besonders verpflichtet gewesen wäre (vgl. z.B. BGHR § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO Mittäter 2, § 25 Abs. 2 StGB Mittäter 1; BayObLGSt 1991, 6). Nach den bisherigen Feststellungen der Strafkammer ist in dem Versenden des Schreibens vom 5.3.1987 an das Finanzamt nur eine einzige Beihilfehandlung des Angeklagten (vgl. dazu z.B. BGH NSU 1993, 584) zu den Umsatzsteuerhinterziehungen seiner Ehefrau zu sehen. Diese konnte auch im Stadium der Vorbereitung der Steuerhinterziehungen geleistet werden (vgl. z.B. BGHSt 40, 299/301; 28, 346).
2. Entsprechendes gilt, soweit der Angeklagte wegen Einkommensteuerhinterziehung verurteilt wurde. Auch insoweit stellen Verfassen und Absenden des Schreibens vom 5.3.1987 nur eine Vorbereitungshandlung dar. War der Angeklagte weder Mitinhaber noch Verfügungsberechtigter im Sinne des § 35 AO, so war er nicht verpflichtet, die Einkünfte aus dem Lebensmittelgeschäft zu erklären, weil er sie nicht erzielt hatte. Eine Mittäterschaft an den insoweit von seiner Ehefrau durch Nichtabgabe von Einkommensteuererklärungen begangenen Steuerhinterziehungen scheidet deswegen aus den oben genannten Gründen aus. Dem Angeklagten kann aber insoweit Einkommensteuerhinterziehung auch nicht deswegen angelastet werden, weil er im Falle der Zusammenveranlagung mit seiner Ehefrau. (§ 26 b EStG) Gesamtschuldner auch der von dieser in dem in Rede stehenden Zeitraum zu zahlenden Einkommensteuern ist (§ 44 AO). Denn die Vorschrift des § 26 Abs. 3 EStG, die unterstellt, dass Ehegatten die Zusammenveranlagung wählen, wenn sie keine Erklärung dazu abgeben, ob sie die getrennte oder die Zusammenveranlagung wählen (vgl. dazu z.B. BFH BStB1 II 1991, 84) ist im Strafverfahren gegen Ehegatten, denen durch Nichtabgabe der Steuererklärung begangene Steuerhinterziehung zur Last liegt, jedenfalls dann nicht ohne weiteres anzuwenden, wenn sie nicht als Mittäter handeln. Werden, wie hier, keine Steuererklärungen abgegeben, kann der Täter das ihm durch § 26 EStG eingeräumte Wahlrecht zwischen gemeinsamer und getrennter Veranlagung ohnehin nicht ausüben. Zudem ist im Strafverfahren bei der Berechnung des eingetretenen Schadens zugunsten des Angeklagten die für ihn günstigste Berechnungsmethode anzuwenden. Diese Pflicht des Strafrichters wird bei der Ermittlung der Höhe der verkürzten Steuern durch § 26 EStG nicht außer Kraft gesetzt. Während bei der Annahme, dass der Angeklagte und seine Ehefrau als Mittäter gehandelt haben, im vorliegenden Fall die Ermittlung der Steuerschuld im Splittingverfahren diesen Grundsätzen gerecht wird, gilt dies nicht, wenn der Angeklagte, wofür die bisherigen Feststellungen der Strafkammer sprechen, zwar hinsichtlich seiner eigenen Einkünfte als Täter einer Einkommensteuerhinterziehung in Betracht kommt, daneben aber, wie zur Umsatzsteuerhinterziehung ausgeführt, nur eine Beihilfehandlung zu den Einkommensteuerhinterziehungen seiner Ehefrau geleistet hat. In solchen Fällen ist stets zu prüfen, ob der Täter auch dann und gegebenenfalls mit welcher Schadenshöhe den Tatbestand der Einkommensteuerhinterziehung erfüllt hat, wenn die Berechnung der von ihm zu zahlenden Steuern auf der Basis der getrennten Veranlagung erfolgt.
3. Der Senat hat davon abgesehen, den landgerichtlichen Schuldspruch entsprechend zu ändern, soweit der Angeklagte nach den Feststellungen der Strafkammer den Tatbestand der Beihilfe zur Steuerhinterziehung erfüllt hat. Denn die angefochtene Entscheidung lässt jede Begründung ihrer Ansicht vermissen, dass der Angeklagte nicht Mitinhaber des Lebensmittelgeschäftes gewesen sei. Angesichts ihrer Feststellungen zur Art seiner Betätigung in diesem Geschäft hält es der Senat für denkbar, dass im neuerlichen Verfahren festgestellt wird, dass der Angeklagte Mitinhaber dieses Geschäfts war...
Für das weitere Verfahren wird bemerkt:
1. Im neuerlichen Verfahren wird zunächst zu prüfen sein, ob der Angeklagte Mitinhaber des Lebensmittelgeschäfts war. Tätigte der Angeklagte, wie im angefochtenen Urteil festgestellt, den Wareneinkauf und erledigte er alle Behördenangelegenheiten einschließlich der steuerlichen, ohne andererseits Angestellter seiner Ehefrau zu sein, so legt dies die Annahme nahe, dass er Mitinhaber des Geschäfte war. Dann nämlich leuchtet auch ein, dass er "unentgeltlich" mitarbeitete und nicht die mit seiner Beschäftigung als Angestellter verbundenen Kosten als Betriebsausgaben geltend gemacht wurden. Gegen seinen Status als Mitinhaber sprechende Umstände sind bisher nicht festgestellt.
2. War der Angeklagte Mitinhaber, so wird bei der Berechnung der Höhe der verkürzten Umsatzsteuern zu prüfen sein, ob das Kompensationsverbot (§ 370 Abs. 4 Satz 3 AO) der Berücksichtigung der Vorsteuern entgegensteht (vgl. dazu etwa BGH NStZ 1991, 89).
3. Bei der Berechnung der zu zahlenden Einkommensteuern wird zu beachten sein, dass der Gesetzgeber aufgrund des Beschlusses des BVerfG vom 25.9.1992 (BVerfGE 87, 153) zu § 32 Abs. 8 und § 32 a Abs. 1 Satz 2 ESW erst ab dem Veranlagungszeitraum 1993 die Grundsätze dieser Entscheidung bei der Einkommensbesteuerung zu beachten hatte (vgl. dazu auch BStB1 I 1993, 14).
Ende der Entscheidung
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