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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 23.03.2001
Aktenzeichen: 4 St RR 36/01
Rechtsgebiete: StGB, WaffG, 1. WaffVO


Vorschriften:

StGB § 17
WaffG § 35 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. c
WaffG § 53 Abs. 1 Nr. 2
WaffG § 53 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a
WaffG § 53 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b
1. WaffVO § 9 c Abs. 1 Satz 1
1. WaffVO § 9 c Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
§ 35 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. WaffG umfaßt nicht die Ein-/Durchfuhr.
BayObLG Beschluss

4 St RR 36/01

23.03.01

Tatbestand

Beide Angeklagten reisten am 19.1.2000 gegen 11.00 Uhr von Österreich kommend im Pkw des Angeklagten H. am Grenzübergang Bad Reichenhall-Autobahn in die Bundesrepublik Deutschland ein, um über Freiburg im Breisgau in das Elsaß zu reisen, wo sie für ihren Arbeitgeber neben der Begutachtung eines Windwurfs Wildschweine bejagen sollten.

Der Angeklagte H. führte dabei seine Repetierbüchse Steyr-Mannlicher-S, Nr., Kaliber 7 mm Remington Magnum mit Zielfernrohr sowie 22 Schuss Munition Kaliber 7 mm, der Angeklagte M. seine Repetierbüchse Steyr-Mannlicher-M, Nr., Kaliber 7 x 64 mit Zielfernrohr sowie 24 Schuss Munition, Kaliber 7 x 64 mit. Beide Waffen mit Zielfernrohr befanden sich in Gewehrtaschen, die Munition daneben im Kofferraum des Pkws. Bei einer nur wenige Minuten nach der Einreise an der Autobahnanschlussstelle Piding-Nord durchgeführten Polizeikontrolle wurde dies festgestellt; Waffen und Munition wurden sichergestellt.

Das Amtsgericht sprach die Angeklagten am 9.10.2000 der vorsätzlichen unerlaubten Einfuhr einer Schusswaffe rechtlich zusammentreffend mit vorsätzlicher unerlaubter Einfuhr von Munition, vorsätzlichem unerlaubten Besitz einer Schusswaffe und vorsätzlichem unerlaubten Führen einer Schusswaffe schuldig. Es verhängte gegen die Angeklagten Geldstrafen von jeweils 30 Tagessätzen, wobei es die Höhe des Tagessatzes beim Angeklagten H. auf 30 DM und beim Angeklagten M. auf 50 DM festsetzte. Die Einziehung der beim Angeklagten H. sichergestellten Repetierbüchse Steyr-Mannlicher-S, Nr., Kaliber 7 mm Remington Magnum, sowie der beim Angeklagten M. sichergestellten Repetierbüchse Steyr-Mannlicher-M, Nr. 2, Kaliber 7 x 64, nebst Zielfernrohr und 24 Schuss Munition, Kaliber 7 x 64, wurde angeordnet.

Beide Angeklagten hatten sich in subjektiver Hinsicht dahingehend eingelassen, sie seien der Ansicht gewesen, ihre gültige österreichische Jagder1aubnis berechtige sie seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union auch zur Mitnahme von Waffen und Munition nach Deutschland.

Das Amtsgericht ist im Hinblick darauf von einem vermeidbaren Verbotsirrtum der Angeklagten ausgegangen. Es hat hierzu ausgeführt, beide Angeklagte hätten die Verpflichtung und Möglichkeit gehabt, sich bei ihrer Bezirkshauptmannschaft, beim Jagdverband oder einem deutschen Landratsamt oder Konsulat nach erforderlichen Erlaubnissen für die Mitnahme der Waffen nebst Munition nach Frankreich und die dazu erforderliche Durchreise durch Deutschland zu erkundigen. Sie hätten in diesem Fall ohne weiteres das Erfordernis eines europäischen Waffenpasses hierfür in Erfahrung gebracht.

Die auf die Verletzung des materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten hatten teilweise Erfolg.

Aus den Gründen:

1. Die Rechtsmittel sind offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit sie sich gegen den Schuldspruch richten. Insoweit deckt die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrügen keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf...

1.2 Das Amtsgericht hat zu Recht im Verhalten der Angeklagten den äußeren Tatbestand der unerlaubten Einfuhr von Schusswaffen und Munition nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG, der tatsächlichen Gewaltausübung über eine Schusswaffe nach § 53 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a WaffG und des unerlaubten Führens einer Schusswaffe nach § 53 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b WaffG als verwirklicht angesehen.

1.2.1 Der äußere Tatbestand der unerlaubten Einfuhr von Schusswaffen und Munition ist erfüllt, wenn der Täter ohne den Nachweis einer Berechtigung Schusswaffen oder Munition über die Sollgrenze verbringt; der Begriff der Einfuhr umfasst dabei auch den Begriff der Durchfuhr (BGH MDR 1997, 80/8 1; Steindorf in Erbs/Kohlhaas Strafrechtliche Nebengesetze WaffG - Stand: 1.5.2000 - § 53 Rn. 5). Eine Berechtigung hierfür nach § 27 Abs. 1 WaffG hatten die Angeklagten nicht. Insoweit ist zur Einfuhr von Schusswaffen mit dazugehörender Munition eine Waffenbesitzkarte erforderlich (§ 27 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 29 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 WaffG).Das ist dann nicht der Fall, wenn Schusswaffen und Munition unter zollamtlicher Überwachung durch den Geltungsbereich des Waffengesetzes befördert werden (§ 27 Abs. 2 Nr. 1 WaffG). Dieser Ausnahmefall wie auch der Ausnahmefall nach § 27 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a WaffG, wonach Personen mit Wohnsitz außerhalb des Geltungsbereichs des Waffengesetzes, die nicht mehr als zwei Schusswaffen mit einer Länge von mehr als 60 cm und die dafür bestimmte Munition lediglich durch den Geltungsbereich des Gesetzes befördern wollen, dies bei Vorliegen einer entsprechenden Bescheinigung einer Überwachungsbehörde nach § 27 Abs. 6 WaffG tun können, liegen ebenfalls nicht vor. Ebenso wenig hatten die Angeklagten eine Berechtigung zum Verbringen von Schusswaffen und Munition nach Deutschland in Form eines Europäischen Feuerwaffenpasses (§ 9 c Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 1. WaffVO). Diese Bestimmung erlaubt unter den dort genannten Voraussetzungen das "Mitbringen" von Schusswaffen und Munition. Der Begriff des Mitbringens umfasst sowohl die Einfuhr als auch die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Schusswaffen. Damit war die Einfuhr der verfahrensgegenständlichen Schusswaffen samt Munition unerlaubt im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG.

1.2.2 Die Angeklagten handelten auch ohne die erforderliche Erlaubnis im Sinn des § 53 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a WaffG, soweit sie die tatsächliche Gewalt über Schusswaffen ausübten. Hierzu war wiederum entweder eine Waffenbesitzkarte (§ 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 WaffG) oder ein Europäischer Feuerwaffenpass erforderlich.

1.2.3 Gleiches gilt im Ergebnis für das von den Angeklagten begangene unerlaubte Führen von Schusswaffen im Sinne des § 53 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b WaffG. Eine Waffe führt, wer die tatsächliche Gewalt über sie außerhalb seiner Wohnung, Geschäftsräume oder seines befriedeten Besitztums ausübt (§ 4 Abs. 4 WaffG). Auch hierzu war entweder eine Erlaubnis nach § 35 Abs. 1 Satz 1 und 2 WaffG oder eine Berechtigung in Form des Europäischen Feuerwaffenpasses erforderlich.

Einer der Ausnahmefälle nach § 35 Abs. 4 WaffG liegt nicht vor. Weder führten die Angeklagten ihre Waffen zur befugten Jagdausübung im Geltungsbereich des Waffengesetzes mit sich (§ 35 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a WaffG) noch wurden die Waffen zwischen Orten transportiert, an denen es keiner Erlaubnis nach § 35 Abs. 1 WaffG bedurfte (§ 35 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. c WaffG). Insoweit ist entgegen der Meinung der Revisionen nicht auf den Wohnort der Angeklagten in Österreich und dem Zielort in Frankreich abzustellen, sondern nur auf die Fahrstrecke innerhalb Deutschlands von Grenzübergang zu Grenzübergang, weil nur insoweit die Anwendung des deutschen Waffenrechts in Betracht kommt.

1.3 Die Angeklagten haben auch vorsätzlich gehandelt; die fehlende Berechtigung zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Schusswaffen im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG wie auch die erforderliche Erlaubnis im Sinne des § 53 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a und Buchst. b WaffG sind Tatbestandsmerkmale, die bei einer Verurteilung wegen vorsätzlicher Tatbegehung vom Vorsatz des Täters umfasst sein müssen (Steindorf § 53 Rn. 4 und 26). Das war hier der Fall. Die Angeklagten handelten nicht nur in Kenntnis aller tatsächlichen Merkmale des äußeren Sachverhalte; als Jäger und Inhaber österreichischer waffenrechtlicher Erlaubnisse wussten sie auch um das Erfordernis einer waffenrechtlichen Erlaubnis in Deutschland und sie wussten, dass sie eine solche nicht hatten. Damit handelten sie vorsätzlich (vgl. hierzu Steindorf Vor § 52 a Rn. 45). Das erschließt sich aus ihrer Einlassung, wonach sie der Meinung waren, ihre österreichischen Jagderlaubnisse berechtigten sie auch zur Mitnahme von Waffen und Munition nach Deutschland. Ihre Fehlvorstellung betraf nicht die Erforderlichkeit einer deutschen Erlaubnis - nur insoweit wäre ein Tatbestandsirrtum gegeben; sondern sie irrten sich über die Reichweite ihrer österreichischen Erlaubnisse, weil sie der Meinung waren, diese erstreckten sich angesichts der EU-Mitgliedschaft Österreichs auch auf Deutschland. Damit irrten sie über das Verbotensein ihrer Tat in Deutschland und befanden sich folglich in einem Verbotsirrtum (§ 17 StGB), den das Amtsgericht zu Recht als vermeidbar gewertet hat.

1.4 Die unerlaubte Einfuhr, der unerlaubte Besitz und das unerlaubte Führen von Schusswaffen treffen tateinheitlich (§ 52 Abs. 1 StGB) zusammen (BGH NSU 1984, 171).

Damit erweisen sich die Revisionen hinsichtlich des Schuldspruchs als unbegründet.

2. Der Rechtsfolgenausspruch kann jedoch nicht bestehen bleiben, weil die Einziehungsentscheidung des Amtsgerichts gegen das Übermaßverbot verstößt.

2.1 Zwar ist nach § 56 Abs. 1 Nr4 1 WaffG die Einziehung von Waffen und Munition bei Verstößen gegen § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a WaffG obligatorisch. Das Vorliegen dieser Straftatbestände hat das Amtsgericht festgestellt. In der Rechtsprechung ist allerdings anerkannt, dass auch in Fällen der obligatorischen Einziehung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren ist (BGH NStZ 1981, 104; Steindorf § 56 Rn. 1). Das ist dann nicht mehr der Fall, wenn die Diskrepanz zwischen dem Unrechtsgehalt der Tat und dem beim Täter infolge der Einziehung eintretenden Vermögensverlust so offensichtlich ist, dass sie dem Gebot eines gerechten Schuldausgleichs grob widerspricht. Eine solche Fallgestaltung liegt hier vor. Das von den bislang unbescholtenen Angeklagten verwirklichte Unrecht erschöpft sich darin, dass sie irrtumsbedingt ohne die nach deutschem Recht erforderlichen Erlaubnisse ihnen gehörende Jagdwaffen samt Zielfernrohren und Munition zum Zweck der Jagd in Frankreich auf dem Weg dorthin in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verbrachten. Diese Waffen waren bereits wenige Minuten nach Passieren der Grenze sichergestellt worden. Hinzu kommt, dass ihnen nach Sachlage ohne weiteres ein Europäischer Feuerwaffenpass erteilt worden wäre und dass sie die Waffen in Österreich berechtigt besitzen und führen durften. Als Berufsjäger waren sie zudem auf den Besitz dieser Waffen angewiesen. Das Amtsgericht ist deshalb insoweit zu Recht von einem minder schweren Fall nach § 53 Abs. 1 Satz 2 WaffG ausgegangen. Andererseits beträgt der Wert der eingezogenen Waffen 5000 DM bzw. 4200 DM. Angesichts dieser Umstände ist die Einziehung von Schusswaffen und Munition unverhältnismäßig. Der Rechtsfolgenausspruch kann deshalb insgesamt nicht bestehen bleiben...

Für das weitere Verfahren wird bemerkt:

Sollte der neu entscheidende Tatrichter der Meinung sein, Geldstrafen in der bisher ausgesprochenen Höhe würden nach dem Wegfall der Einziehung der Waffen und der Munition dem Unrechtsgehalt der Taten nicht gerecht, so stellt es keinen Verstoß gegen § 331 StPO dar, wenn er die Bemessung der Höhe der Tagessätze (nicht die Anzahl der Tagessätze) ändert (vgl. hierzu BayObLGSt 1979, 127/129). Insoweit ist darauf abzustellen, ob bei einer sogenannten ganzheitlichen Betrachtungsweise aufgrund eines Gesamtvergleichs des früheren und des neuen Rechtsfolgenausspruchs eine Verschlechterung im Sinne des Verbots der reformatio in pejus eintritt (vgl. hierzu Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 331 Rn. 12 m. w. N.). Hierbei sind allerdings jene Umstände, die der Senat zur Gewichtung des objektiven Unrechtsgehalts der Taten genannt hat, zu berücksichtigen.

Ende der Entscheidung

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