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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Urteil verkündet am 23.04.2002
Aktenzeichen: 4 St RR 45/02
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 328 Abs. 2
StPO § 417
StPO § 418 Abs. 1
Ein amtsgerichtliches Urteil darf im Berufungsverfahren nicht deswegen aufgehoben werden, weil der Amtsrichter die Hauptverhandlung im beschleunigten Verfahren nicht kurzfristig abgeschlossen hat.
Tatbestand:

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft vom 28.3.2001 - eingegangen am 30.3.2001 - verurteilte das Amtsgericht den Angeklagten am 24.7.2001 im beschleunigten Verfahren nach §§ 417 ff. StPO wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten, setzte die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus und zog zwei Stangen Zigaretten ein. Das Landgericht hat dieses Urteil am 3.1.2002 auf die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft aufgehoben und das Verfahren zur Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens und gegebenenfalls zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen, weil das Amtsgericht nicht im beschleunigten Verfahren hätte entscheiden dürfen.

Die Revision der Staatsanwaltschaft hatte mit der erhobenen Verfahrensrüge Erfolg.

Gründe:

1. Allerdings durfte das Amtsgericht nicht im beschleunigten Verfahren entscheiden, weil es die Hauptverhandlung nicht in kurzer Frist (§ 418 Abs. 1 StPO) durchgeführt hat. Bei einer Zeit von nahezu vier Monaten zwischen dem Antrag nach § 417 StPO und der Hauptverhandlung kann von einer kurzen Frist nicht die Rede sein.

2. Dieser Fehler des Strafrichters berechtigte die Strafkammer indessen nicht, das amtsgerichtliche Urteil aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Der Berufungsrechtszug ist eine zweite Tatsacheninstanz, in welcher der Tatvorwurf in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung neu verhandelt wird. Das Berufungsgericht hat nicht die Aufgabe, Fehler des erstinstanzlichen Gerichts zu finden und zu beanstanden; es führt vielmehr selbständig eine Hauptverhandlung durch und entscheidet aufgrund der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung (vgl. OLG Stuttgart NStZ 1995, 301/302; KK/Ruß StPO 4. Aufl. § 312 Rn. 1).

Die Zurückverweisung auf eine Berufung sieht die StPO nur für den Fall vor, dass das Gericht des ersten Rechtszuges mit Unrecht seine Zuständigkeit angenommen hat (§ 328 Abs. 2 StPO). Sie wird darüber hinaus für zulässig gehalten, wenn das Amtsgericht keine Sachentscheidung getroffen hat (vgl. OLG Stuttgart aaO; KK/Ruß § 328 Rn. 7). Diese beiden Ausnahmen von § 328 Abs. 1 StPO liegen hier indessen nicht vor.

3. Die Nichteinhaltung der kurzen Frist zur Durchführung der Hauptverhandlung gemäß § 418 Abs. 1 StPO stellt kein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis dar, das zur Einstellung des Verfahrens führen müsste (BayObLGSt 2000, 22 StV 2000, 302; OLG Stuttgart StV 98, 585/586; vgl. auch LR/Gössel StPO 25. Aufl. § 417 Rn. 36). Der Verfahrensfehler wirkt sich auf das Berufungsverfahren nicht aus, weil das beschleunigte Verfahren mit Einlegung der Berufung ohne weiteres ins Normalverfahren übergeht (OLG Stuttgart StV 1998, 585/587; LR/Gössel vor § 417 Rn. 35, 42; KK/Tolksdorf § 419 Rn. 9; a.A. Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 45. Aufl. § 419 Rn. 14). Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 417 StPO ist das beschleunigte Verfahren nur für das amtsgerichtliche Verfahren vorgesehen.

Freilich fehlt ein Eröffnungsbeschluss gemäß § 203 StPO. Doch bedarf es eines solchen in dem vom Strafrichter, wenn auch fehlerhaft, durchgeführten beschleunigten Verfahren nicht (§ 418 Abs. 1 StPO). Das Verfahren kann daher im Berufungsrechtszug als Normalverfahren fortgesetzt werden (vgl. OLG Stuttgart aaO).

4. Soweit die Strafkammer meint, der Fehler des Strafrichters würde spätestens in der Revisionsinstanz zur Aufhebung und Zurückverweisung führen, kann sie sich dazu nicht auf die Entscheidung des Senats vom 13.3.2000 (BayObLG aaO) berufen. Sie verkennt, dass die Revision gegen ein Berufungsurteil des Landgerichts nicht auf Mängel des amtsgerichtlichen Urteils gestützt werden kann, auf denen das Urteil des Landgerichts nicht beruht (§§ 336, 337 Abs. 1 StPO; vgl. RGSt 59, 299/300; LR/Hanack StPO 25. Aufl. § 336 Rn. 9). Die zitierte Entscheidung des Senats besagt keinesfalls, dass eine Revision gegen das landgerichtliche Urteil bei der vorliegenden Fallgestaltung mit der Verfahrensrüge erfolgreich wäre, wenn das Landgericht in der Sache entschieden hätte. Erfolg hätte insoweit lediglich eine (Sprung-)Revision gegen das Urteil des Amtsgerichts gehabt.



Ende der Entscheidung

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