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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 22.05.2001
Aktenzeichen: 4 St RR 63/01
Rechtsgebiete: StGB, BtMG


Vorschriften:

StGB § 27 Abs. 1
BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1
WEG § 16 Abs. 2
Weiß der Gehilfe nicht um die Art des gehandelten Betäubungsmittels ist bei der Frage des Schuldgehaltes von der für den Angeklagten günstigsten Betäubungsmittelart auszugehen.
Tatbestand:

Der Zeuge W. hatte mit dem niederländischen Staatsangehörigen V. vereinbart, dass dieser ihm am 24.1.2000 in O. 2000 Ecstasy-Tabletten guter Qualität zu einem noch im einzelnen festzulegenden Preis zum Zweck gewinnbringender Weiterveräußerung liefern sollte. W. bat den Angeklagten, der zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnis von dem Rauschgiftgeschäft hatte, ihn an dem genannten Tag nach O. zu fahren. Dort traf W. verabredungsgemäß auf einem Tankstellengelände auf V., brach jedoch das Zusammentreffen ab und verließ mit dem Angeklagten den Treffpunkt, weil er bemerkt hatte, dass der Ort von der Polizei observiert wurde. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war dem Angeklagten klar, dass das Treffen zwischen W. und V. zum Zweck unerlaubten Rauschgifthandels erfolgen sollte. Auch wenn er nicht die genauen Einzelheiten kannte, war ihm klar, dass es sich um eine Lieferung in erheblichem Umfang handeln sollte.

Als V. ca. eine Stunde später bei W. anrief und um Abholung bat, fuhr der Angeklagte zu dem angegebenen Treffpunkt, um im Einvernehmen mit W. das zunächst verhinderte Zusammentreffen doch noch zu ermöglichen. Hierzu kam es jedoch nicht mehr, weil alle Beteiligten von der Polizei festgenommen wurden.

Der Angeklagte wurde vom Amtsgericht am 8.11.2000 wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zur Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 80 DM verurteilt. Seine Berufung wurde vom Landgericht am 15.2.2001 als unbegründet verworfen.

Mit seiner Revision beanstandete der Angeklagte das Verfahren und rügte die Verletzung sachlichen Rechts.

Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.

Gründe:

1. Die Aufklärungsrüge wurde nicht in der gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO gebotenen Form erhoben und ist deshalb unzulässig. Es fehlt an der bestimmten Behauptung des Ergebnisses, das von der unterbliebenen Beweiserhebung zu erwarten gewesen wäre (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 1), sowie an der Darlegung jener Umstände, die das Gericht zu der vermissten Beweiserhebung hätten drängen müssen (vgl..BGH StV 1998, 635).

2. Die sachlich-rechtliche Überprüfung des Urteils lässt keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen. Der festgestellte Sachverhalt trägt sowohl den Schuldspruch als auch den Rechtsfolgenausspruch.

a) Allerdings sind die Feststellungen zur subjektiven Tatseite insoweit unvollständig, als sie nicht erkennen lassen, welche Vorstellung der Angeklagte von der Art der gehandelten Betäubungsmittel hatte. Nach den getroffenen Feststellungen ging der Angeklagte von einer Betäubungsmittellieferung in erheblichem Umfang aus. Dass es nach seiner Vorstellung dabei um die Lieferung von Ecstasy-Tabletten ging, ist weder den ausdrücklichen Feststellungen noch deren Gesamtzusammenhang zu entnehmen, zumal bei früheren Gesprächen, bei denen der Angeklagte zugegen war, von verschiedenen Betäubungsmitteln (z.B. Ecstasy und Kokain) die Rede war. Die Art der gehandelten Betäubungsmittel ist im Hinblick auf das unterschiedliche Gefährdungspotential wesentliches Kriterium für den Unrechtsgehalt der unterstützten Haupttat und muss deshalb grundsätzlich vom Gehilfenvorsatz mit umfasst sein (BGHSt'42, 135/139; BGH NStZ 1990, 501). Es bedarf deshalb konkreter Feststellungen zu den insoweit beim Gehilfen bestehenden Vorstellungen. Sind derartige Feststellungen nicht möglich, ist nach dem Zweifelssatz von der für den Angeklagten günstigsten Betäubungsmittelart auszugehen, die nach den Umständen in Betracht kommt. Die bestehende Ungewißheit über die Vorstellung des Angeklagten stellt nicht die Beihilfe an sich in Frage, sondern berührt nur deren Schuldgehalt. Die "Angriffsrichtung" der unterstützten Tat (vgl. BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 6) verändert sich dadurch nicht und wird weiterhin vom Gehilfenvorsatz umfasst. Lediglich der Schuldgehalt der Beihilfe, der unabhängig von demjenigen der Haupttat festzustellen und zu bewerten ist (vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 3 Nr. 4 Gehilfe 2), stellt sich geringer dar.

Für eine Anwendung des Zweifelssatzes ist allerdings dann kein Raum, wenn der Gehilfe bewusst über wesentliche Einzelheiten der Haupttat im Unklaren bleibt und dadurch zu erkennen gibt, dass ihm alle nach Sachlage in Betracht kommenden Tatmodalitäten recht sind. Ein solcher Fall liegt hier vor. Die gesamten Umstände des ersten - gescheiterten - Zusammentreffens drängten zu einem Hinterfragen des geplanten Rauschgiftgeschäfts, zumal dessen weitere Abwicklung entscheidend von der Mitwirkung des Angeklagten als Fahrer abhing. Wenn gleichwohl nach den vom Tatrichter als zutreffend erachteten Angaben des Zeugen W nach den Einzelheiten des Zusammentreffens "weder entsprechende Fragen gestellt noch entsprechende Antworten" gegeben wurden, hat der Angeklagte zu erkennen gegeben, die Haupttat unbeschadet ihres konkreten Unrechtsgehalts fördern zu wollen (vgl. auch SK/Hoyer StGB § 27 Rn. 35 a.E.). Damit war auch das Handeltreiben mit Ecstasy-Tabletten von seinem Gehilfenvorsatz umfasst.

Allerdings enthalten die Urteilsgründe keine Angaben über den Wirkstoffgehalt der gehandelten Ecstasy-Tabletten. Derartige Feststellungen sind in der Regel auch erforderlich, wenn der Wirkstoff - wie im vorliegenden Fall - nicht durch eine Analyse bestimmt worden ist (BayObLGSt 1999, 99/100 m.w.N.). Das gilt bei Ecstasy-Tabletten auch dann, wenn die Anzahl der Tabletten feststeht (BGHSt 42, 255/267). Der Senat kann jedoch ausschließen, dass die Strafkammer zu Lasten des Angeklagten von einem zu hohen Schuldumfang ausgegangen ist (vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 3 Nr. 1 Schuldumfang 2). Der Schuldgehalt der Beihilfe orientiert sich nicht in erster Linie an der Haupttat, sondern - bei Berücksichtigung des Gewichts der Haupttat - an der Beihilfe selbst (vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 3 Nr. 4 Gehilfe 2). Angesichts der im Tatverhalten des Angeklagten zutage getretenen Gleichgültigkeit gegenüber den Einzelheiten der Haupttat und im Hinblick auf die moderate Sanktion schließt der Senat aus, dass das Urteil für den Angeklagten günstiger ausgefallen wäre, wenn Feststellungen zum Mindestwirkstoffgehalt der Ecstasy-Tabletten getroffen worden wären.

b) Sonstige Rechtsfehler des Urteils sind bei der Überprüfung nicht zutage getreten...

Ende der Entscheidung

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