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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 18.06.1999
Aktenzeichen: 4St RR 51/99
Rechtsgebiete: StPO, AuslG, StGB


Vorschriften:

StPO § 333
StPO § 341 Abs. 1
StPO § 344
StPO § 345
StPO § 344 Abs. 2 Satz 2
StPO § 244 Abs. 6
StPO § 261
StPO § 337
StPO § 353
StPO § 354 Abs. 2
StPO § 467 Abs. 1
StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
AuslG § 92 a Abs. 4 Nr. 1
AuslG § 92 a Abs. 1 Nr. 1
AuslG § 92 a Abs. 2 Nr. 1
AuslG § 92 a Abs. 4
StGB § 6 Nr. 9
StGB § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerisches Oberstes Landesgericht

Beschluß

4St RR 51/99

Der 4. Strafsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Bayerischen Obersten Landesgericht Lancelle sowie der Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht Steiner und Kaiser

am 18. Juni 1999

in dem Strafverfahren

gegen

1. B. K.

2. M. K.

wegen

Einschleusens von Ausländern

nach Anhörung und teilweise auf Antrag der Staatsanwaltschaft

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die Revision des Angeklagten B. wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 3. November 1998 im Schuldspruch, soweit es den Fall 1 - Tatzeit November 1997 - betrifft, sowie im Rechtsfolgenausspruch hinsichtlich beider Angeklagter mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

II. Soweit die Angeklagten im Fall 1 verurteilt wurden, werden sie freigesprochen.

III. Die Staatskasse trägt die Kosten und notwendigen Auslagen der Angeklagten, soweit sie freigesprochen wurden.

IV. Im übrigen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Traunstein zurückverwiesen.

V. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

I.

Das Amtsgericht - Schöffengericht - Laufen sprach die Angeklagten am 13.7.1998 des Einschleusens von Ausländern in Mittäterschaft in zwei tatmehrheitlichen Fällen, davon in einem Fall gewerbsmäßig begangen, schuldig. Es verurteilte den Angeklagten B. zur Freiheitsstrafe von drei Jahren und den Angeklagten M. zur Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten. Darüberhinaus entzog es den Angeklagten die Fahrerlaubnis und zog ihren Führerschein ein. Die Verwaltungsbehörde wurde angewiesen, ihnen vor Ablauf von zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Der beim Angeklagten M. sichergestellte Schleuserlohn in Höhe von 1.500 DM sowie dessen Handy Marke Motorola wurden ebenfalls eingezogen.

Die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten gegen dieses Urteil verwarf das Landgericht Traunstein am 3.11.1998 mit der Maßgabe als unbegründet, daß die Sperrfristen auf ein Jahr und acht Monate festgesetzt wurden.

Mit seiner Revision beanstandet der Angeklagte B. das Verfahren und rügt die Verletzung des materiellen Rechts.

II.

Die Revision ist zulässig (§§ 333, 341 Abs. 1, §§ 344, 345 StPO) und teilweise begründet.

Das Landgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt:

Fall 1:

Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt Mitte November 1997 wurde der Angeklagte B. von dem gesondert verfolgten V. V. angerufen und gefragt, ob er mit seinem Omnibus 33 Rumänen von Brünn (Tschechien) nach Mailand fahren könne. B., der V. von einem früheren Rumänienaufenthalt kannte, nahm den Auftrag an. Er rief den Mitangeklagten K. M. an und bat ihn, die Fahrt mit seinem Omnibus durchzuführen, wobei B. als Beifahrer mitfahren wollte. In Brünn angekommen, offenbarte V. V., daß die Rumänen kein Visum für Österreich und Italien hätten, worauf sich die beiden Angeklagten zunächst weigerten, die Fahrt durchzuführen, da beide wußten, daß die Businsassen bei der Einreise nach Österreich kontrolliert werden würden. Daraufhin wurde vereinbart, daß die Rumänen von V. V. unter Umgehung der Grenzkontrollstellen über die grüne Grenze nach Österreich gebracht werden und erst dort in den Omnibus der Angeklagten zusteigen. Daraufhin fuhren die beiden Angeklagten mit dem Omnibus von Brünn nach Drasenhofen (Österreich) und ließen dann dort die 33 Rumänen vereinbarungsgemäß zusteigen, nachdem sie zuvor von V. über die grüne Grenze gebracht worden waren. Noch in Österreich zahlte V. an B. einen Vorschuß von 3.500 DM. Anschließend fuhren die beiden Angeklagten die Rumänen durch Österreich über den Brenner nach Mailand, wobei sich die beiden Angeklagten beim Fahren abwechselten. Nach dem Aussteigen der Rumänen in Mailand übergab V. an B. die restlichen 3.500 DM. B. gab dann M. insgesamt 4.500 DM, während er selbst 2.500 DM behielt.

Fall 2:

Am 18.12.1997 rief V. erneut bei B. an und teilte ihm mit, daß wieder eine Gruppe von Rumänen von Brünn nach Mailand zu fahren wäre. Es handle sich um eine Gruppe von 41 Personen, die mit ungarischen Reisepässen ausgestattet worden seien. Für die Fahrt würden wiederum 7.000 DM bezahlt werden. B. war bei der Entgegennahme des Anrufs bewußt, daß es sich wiederum um eine Schleusungsfahrt handelt und es sich bei den ungarischen Pässen um Fälschungen handelt und daß die Rumänen damit ausgestattet worden sind, weil ungarische Staatsangehörige ohne Visum nach Österreich und Italien einreisen dürfen. Da B. zum vereinbarten Reisetermin aufgrund einer bevorstehenden Reise nach Rumänien verhindert war, bat er wiederum K. M., die Fahrt mit seinem Omnibus durchzuführen, wobei er M. auch sagte, daß die Rumänen dieses Mal mit ungarischen Reisepässen ausgestattet worden seien. B. stellte M. eine Entlohnung von 4.500 DM in Aussicht, während B. die restlichen 2.500 DM für seine Vermittlungstätigkeit haben wollte. Aufgrund der Verhinderung des B. engagierte M. seinen ehemaligen Arbeitskollegen P. P. als Beifahrer. Am 20.12.1997 fuhren die beiden nach Brünn, wobei sie unterwegs auf dem Handy von M. von V. angerufen und gefragt wurden, wie lange sie noch brauchen würden. Gegen 21.00 Uhr traf der Omnibus in Brünn beim Hotel "Bobrava" ein. M. nahm dort vereinbarungsgemäß die 41 rumänischen Staatsangehörigen auf und erhielt von V. eine Anzahlung von 1.500 DM ausgehändigt. Nachdem bei der Einreise von Tschechien nach Österreich eine Person zurückgewiesen wurde, wurde die Fahrt von M. mit lediglich 40 rumänischen Staatsangehörigen fortgesetzt. M. kam schließlich am 21.12.1997 gegen 3.10 Uhr am Grenzübergang Bad Reichenhall-Autobahn zur Einreise in das Bundesgebiet. Anläßlich der Einreisekontrolle nach Deutschland wurden die verfälschten ungarischen Reisepässe erkannt und sämtliche Beteiligte vorläufig festgenommen. Die Rumänen hatten an die Hinterleute für die Schleusung von Rumänien nach Italien pro Person 2.500 DM bezahlt.

A. Schuldspruch

Soweit sich die Revision gegen den Schuldspruch richtet, ist sie im Fall 1 begründet. Sie ist offensichtlich unbegründet im Sinn des § 349 Abs. 2 StPO im Fall 2.

1. Fall 1 - Schleusung aus Tschechien über Österreich nach Italien (Tatzeit November 1997)

Insoweit kann der Angeklagte B. wegen eines Vergehens des Einschleusens von Ausländern nach § 92 a Abs. 4 Nr. 1 AuslG nicht bestraft werden.

Nach § 92 a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 AuslG macht sich unter anderem strafbar, wer seines Vorteils wegen oder gewerbsmäßig handelnd Ausländern zur illegalen Einreise oder zum illegalen Aufenthalt in das Bundesgebiet verhilft (§ 92 Abs. 1 Nr. 1 und 6 AuslG). § 92 a Abs. 4 AuslG bestimmt, daß diese Bestimmung auch auf Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in das europäische Hoheitsgebiet einer der Vertragsstaaten des Schengener Übereinkommens vom 19. Juni 1990 anzuwenden sind, wenn sie den in § 92 Abs. 1 Nr. 1 oder 6 oder Abs. 2 Nr. 1 AuslG bezeichneten Handlungen entsprechen und der Täter einen Ausländer unterstützt, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum besitzt.

Das Landgericht hat die Anwendbarkeit dieser Bestimmung auf die festgestellte Schleusung von 33 rumänischen Staatsangehörigen aus Tschechien nach Österreich und von dort nach Italien zu Unrecht bejaht.

1.1 Die Zuständigkeit der deutschen Strafgerichte wie auch die materielle Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts ergibt sich grundsätzlich aus § 6 Nr. 9 StGB i.V.m. Art. 27 Abs. 1 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen vom 19. Juni 1990 (Schengener Durchführungsübereinkommen - SDÜ - BGBl 1993 II S. 1010), in Kraft getreten am 1.9.1993 (Bek. v. 20.4.1994 BGBl II S. 631).

Italien ist dem SDÜ am 27.11.1990 (vgl. BGBl 1993 II S. 1904/1907), Österreich am 28.4.1995 (vgl. BGBl 1997 II S. 967/970) beigetreten. Das Übereinkommen über den Beitritt Italiens ist gemäß Art. 140 Abs. 2 SDÜ am 1.7.1997, das über den Beitritt Österreichs am 1.12.1997 in Kraft getreten (BGBl 1998 II S. 1968/1969). Die im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit des § 92 a Abs. 4 AuslG auf Auslandstaaten aufgeworfene Frage, ob die Bestrafung eines Täters das Vorhandensein weiterer legitimierender Anknüpfungspunkte wie deutsche Staatsangehörigkeit des Täters, Wohn- oder Festnahmeort im Inland voraussetzt (vgl. hierzu Hailbronner Ausländerrecht - AuslG Stand: Oktober 1998 § 92 a Rn. 28 m.w.N.), kann dahinstehen, da in der Person des Angeklagten die genannten Anknüpfungspunkte vorliegen.

1.2 Österreich und Italien sind Vertragsstaaten des Schengener Übereinkommens vom 19.6.1990, da sie diesem beigetreten sind. Allerdings ist der Begriff des Vertragsstaates bei der Anwendung des § 92 a Abs. 4 AuslG dahingehend einschränkend auszulegen, daß nur die Verletzung von Einreisebestimmungen solcher Staaten erfaßt wird, in denen zur Tatzeit das SDÜ bereits in Kraft getreten war (vgl. BT-Drucks 12/2453 S. 9). Das bedeutete daß der Angeklagte im Fall 1 (Tatzeit November 1997), soweit Einreise- oder Aufenthaltsbestimmungen Österreichs verletzt wurden, der deutschen Strafgewalt nicht unterliegt. Das Übereinkommen zum Beitritt Österreichs zum SDÜ war zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Kraft getreten (vgl. oben Ziff. II A. 1.1.).

1.3 Eine Bestrafung des Angeklagten wegen der Schleusung aus Österreich nach Italien scheidet aus, weil zur Tatzeit dem § 92 Abs. 1 Nr. 6 AuslG wie auch dem § 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG entsprechende Vorschriften in Italien nicht in Kraft waren. Hierzu hat die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Rom dem Senat auf Anfrage folgendes mitgeteilt:

Nach Auskunft des BGS-Verbindungsbeamten im italienischen Innenministerium gibt und gab es im maßgeblichen Zeitraum keine Strafvorschriften oder anderweitige Normen, welche die illegale Einreise bzw. den illegalen Aufenthalt von Ausländern in Italien sanktionieren. Es gibt lediglich für die Verwaltung Möglichkeiten, den illegalen Aufenthalt mit Hilfe von Verwaltungsbestimmungen zu beenden.

Der Senat hat keinen Anlaß, an der Richtigkeit dieser Auskunft zu zweifeln. Entsprechende Anfragen an das Bundesministerium der Justiz und an das Bundesministerium des Innern führten unter Berufung auf die genannte Auskunft der Deutschen Botschaft in Rom zu dem gleichen Ergebnis. Zwar enthält Art. 3 Nr. 8 des italienischen Gesetzesdekrets Nr. 416 vom 30.12.1989, das bis März 1998 in Kraft war, eine Bestimmung zur Strafbarkeit von Schleusungen, die nach Mitteilung der Deutschen Botschaft in Rom sinngemäß wie folgt lautet:

Jeder, der direkt den Eintritt von Nicht-EU-Bürgern in das Staatsgebiet unter Verletzung der Vorschriften des vorliegenden Dekrets fördert, wird mit einer Haftstrafe von bis zu 2 Jahren oder Geldstrafe bis zu 2 Mio. Lire bestraft, es sei denn, durch die Tat ist zugleich ein schwerwiegenderes Delikt verwirklicht worden. Wenn die Tat zum Zweck des Gewinnstrebens oder von mindestens drei Tätern gemeinschaftlich begangen wurde, ist die Tat mit einer Haftstrafe von 2 bis 6 Jahren bzw. mit einer Geldstrafe von 10 bis 50 Mio. Lire zu bestrafen.

Das Bestehen einer dem § 92 a Abs. 1 AuslG vergleichbaren italienischen Strafvorschrift ändert aber nichts daran, daß bei Schleusungen von Ausländern nach Italien deutsches Strafrecht in Form der Bestimmung des § 92 a Abs. 4 AuslG nur angewendet werden kann, wenn dem § 92 Abs. 1 Nr. 6 bzw. Nr. 1 AuslG entsprechende Rechtsvorschriften zur Tatzeit in Italien in Kraft waren. Da dies nicht der Fall ist, kann der Angeklagte jedenfalls nach deutschem Recht insoweit nicht bestraft werden.

2. Fall 2 - Schleusung aus Tschechien nach Österreich (Tatzeit Dezember 1997)

2.1 Verfahrensrügen

2.1.1 Verletzung des § 261 StPO

Mit der Sachrüge, die jedoch als Verfahrensrüge zu behandeln ist (vgl. hierzu BGH StV 1993, 459; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 344 Rn. 10), beanstandet der Angeklagte, seine Verurteilung im Fall 2 beruhe im wesentlichen auf der Verlesung der Aussagen des Zeugen V. vom 30.1.1998 und vom 10.6.1998. Während dieser in der Vernehmung vom 30.1.1998 ausgesagt habe, er habe dem Angeklagten gesagt, die Rumänen seien mit falschen ungarischen Pässen ausgestattet, habe er in der Vernehmung vom 10.6.1998 angegeben, diese Tatsache - Ausstattung mit falschen ungarischen Pässen - nicht gemacht zu haben. Dennoch habe das Landgericht den Angaben des Zeugen uneingeschränkt geglaubt, da keinerlei Widersprüche im Kern seiner Aussage ersichtlich gewesen seien.

Die Revision kann mit der Verfahrensrüge die Verletzung des § 261 StPO mit der Behauptung geltend machen, in der Hauptverhandlung seien Zeugenaussagen verlesen worden, deren Inhalt im Urteil unvollständig oder unrichtig gewürdigt wurden, falls der Nachweis ohne Rekonstruktion der Beweisaufnahme geführt werden kann (Kleinknecht/Meyer-Goßner § 261 Rn. 38 a m.w.N.).

Die dem Formerfordernis des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechende Rüge der Verletzung des § 261 StPO ist zulässig und begründet. Von der Revisionsbegründung werden die Aussagen des Zeugen V. und dessen Glaubwürdigkeitsbewertung durch das Landgericht richtig wiedergegeben. Damit ist bewiesen, daß der Zeuge in einem wesentlichen Punkt seiner Aussage, nämlich bei der Frage, ob er die Tatsache, daß die zu transportierenden Rumänen mit falschen ungarischen Pässen ausgestattet gewesen seien, dem Angeklagten mitgeteilt hat, widersprüchlich ausgesagt hat. Das Landgericht hat hingegen einen solchen Widerspruch verneint. Hierauf beruht das Urteil aber nicht. Das Landgericht stützt nämlich seine Überzeugung, der Angeklagte habe gewußt, daß die rumänischen Reisenden mit falschen ungarischen Pässen ausgestattet gewesen seien, auf mehrere gewichtige Umstände. Zum einen zieht es hierzu die in beiden Vernehmungen konstante Aussagen des Zeugen V. heran, er habe dem Angeklagten gesagt, die Rumänen seien mit ungarischen Pässen versehen. Dies stellt der Angeklagte auch nicht in Abrede. Darüberhinaus gründet das Landgericht seine Überzeugungsbildung auf die Aussage des Mitangeklagten M., ihm sei völlig klar gewesen, nachdem er erfahren habe, daß V. die Reise organisiert habe, daß es sich wiederum, wie schon bei der ersten Fahrt (Fall 1), um Rumänen gehandelt habe, die illegal nach Mailand gebracht werden sollten. Unabhängig von dieser Aussage zieht das Landgericht als eigenständiges Indiz zum Nachweis des Wissens des Angeklagten um die Ausstattung der Rumänen mit falschen Pässen den Gesichtspunkt heran, der Angeklagte habe bereits aufgrund des ersten Vorfalls (Fall 1) gewußt, daß V. Schleppereien durchführe.

Bei dieser Sachlage hält es der Senat für ausgeschlossen, daß die Überzeugungsbildung des Landgerichts zum Wissen des Angeklagten um das Fehlen gültiger Einreisepapiere dadurch beeinflußt war, daß der Zeuge insoweit unterschiedliche Angaben gemacht hat.

2.1.2 Verletzung des § 244 Abs. 6 StPO

Die unterbliebene Verbescheidung des Hilfsbeweisantrags der Verteidigung auf Erholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, daß es sich beim Fahrpreis von 7.000 DM für eine Fahrt nach Mailand um einen Normalfahrpreis gehandelt hat, war fehlerhaft. Das Urteil beruht hierauf jedoch nicht. Aus dem Umstand, daß es sich bei dem Fahrpreis von 7.000 DM um einen Normalpreis gehandelt hat, will die Revision den Schluß ziehen, dies spreche bereits dafür, daß der Angeklagte nicht gewußt habe, es habe sich bei den Fahrgästen um "Illegale" gehandelt. Diese Überlegung greift aber nicht durch, weil das Landgericht sich aus der Tatsache, daß der Angeklagte bei der ersten Fahrt bereits wegen der Ausstattung der Fahrgäste mit falschen Reisepässen um deren Illegalität gewußt hat, die Überzeugung gebildet hat, ihm sei auch bei der zweiten Fahrt, die ja wiederum von V. veranlaßt wurde, das Fehlen ordnungsgemäßer Reisedokumente und damit die "Illegalität" der Fahrgäste bekannt gewesen (vgl. II A 2.1.1).

2.2 Sachrüge

Die Überprüfung des Schuldspruchs im Fall 2 aufgrund der Sachrüge deckt im Ergebnis keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. § 92 a Abs. 4 AuslG ist auf den festgestellten Sachverhalt anwendbar. Das Landgericht durfte auch von gewerbsmäßigem Handeln ausgehen (vgl. hierzu Senge in Erbs/Kohlhaas Strafrechtliche Nebengesetze AuslG Stand: 1.3.1998 § 92 a Rn. 10).

2.2.1 In Österreich war zur Tatzeit eine dem § 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG entsprechende Strafbestimmung in Kraft (vgl. § 82 des Bundesgesetzes über die Einreise und den Aufenthalt von Fremden - Fremdengesetz 1992). Diese Bestimmung lautet unter anderem wie folgt:

§ 82. Unbefugter Aufenthalt.

(1) Wer ...

3. sich als paßpflichtiger Fremder, ohne im Besitz eines gültigen Reisedokuments zu sein, im Bundesgebiet aufhält oder

4. sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (§ 15), begeht eine Verwaltungsübertretung und ist in den Fällen der Z. 1 und 2 mit Geldstrafe bis zu 10.000 Schilling oder mit Freiheitsstrafe bis zu 14 Tagen, sonst mit Geldstrafe bis zu 10.000 Schilling zu bestrafen. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltes.

...

(3) Eine Bestrafung gemäß Abs. 1 Z. 3 schließt eine solche wegen der zugleich gemäß Abs. 1 Z. 4 begangenen Verwaltungsübertretung aus.

Diese Bestimmung entspricht inhaltlich dem § 107 des am 1.1.1998 in Kraft getretenen Fremdengesetzes 1997. Eine dem § 92 Abs. 1 Nr. 6 AuslG vergleichbare Regelung enthält weder das Fremdengesetz noch das Bundesgesetz über die Durchführung von Personenkontrollen aus Anlaß des Grenzübertritts (Grenzkontrollgesetz).

2.2.2 Der Anwendung deutschen Strafrechts steht nicht entgegen, daß zur Tatzeit der Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beitritts Österreichs zum SDÜ noch nicht im Bundesgesetzblatt bekannt gemacht worden war.

Das für den Beitritt Österreichs zum SDÜ erforderliche Zustimmungsgesetz (vgl. Art. 59 Abs. 2 GG, Art. 140 SDÜ) hat der Deutsche Bundestag am 13.5.1997 (BGBl II S. 966) beschlossen. Es wurde am 13.5.1997 ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet. Das Zustimmungsgesetz ist am Tag nach der Verkündung in Kraft getreten. Damit wurden die nach deutschem Recht erforderlichen Voraussetzungen zum Wirksamwerden des Beitritts Österreichs zum SDÜ geschaffen. Das Zustimmungsgesetz enthält darüber hinaus in seinem Art. 2 Abs. 2 die Bestimmung, daß der Tag, an dem das Übereinkommen nach seinem Art. 140 Abs. 2 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft tritt, im Bundesgesetzblatt bekanntzugeben ist.

Die Bekanntmachung, daß der Beitritt Österreichs zum SDÜ am 1.12.1997 in Kraft getreten ist, erfolgte am 6.7.1998 (BGBl II S. 1968/1969).

Die Tatsache, daß zum Tatzeitpunkt Dezember 1997 der Beitritt Österreichs zum SDÜ zwar in Kraft getreten, aber noch nicht im Bundesgesetzblatt bekanntgegeben war, hindert die Anwendung des § 92 a Abs. 4 AuslG auf den festgestellten Sachverhalt nicht. Entgegen der Meinung der Revision ist der Grundsatz "nulla poena sine lege" (Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB) nicht verletzt, weil die Strafbarkeit der Verletzung österreichischen Rechts nach deutschem Recht auf einem zur Tatzeit bestehenden Gesetz (§ 92 a Abs. 4 AuslG) beruht. Dessen Anwendbarkeit im konkreten Fall hing ausschließlich davon ab, daß das Inkrafttreten des Beitritts Österreichs zum SDÜ mittels einer förmlich gesetzten Rechtsnorm verkündet worden ist (vgl. hierzu BVerfGE 65, 283/291). Auch diese Voraussetzung ist erfüllt.

Gemäß Art. 82 Abs. 2 Satz 1 GG, der auch bei Zustimmungsgesetzen zu völkerrechtlichen Verträgen Anwendung findet (BVerfGE 42, 263/284), soll jedes Gesetz den Tag des Inkrafttretens bestimmen. Diese Bestimmung gehört zu der vom Gesetzgeber vorzunehmenden inhaltlichen Regelung des Gesetzes (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vgl. BVerfGE 87, 48/60). Der Natur der Sache entsprechend ist bei einem Zustimmungsgesetz zu einem völkerrechtlichen Vertrag das Inkrafttreten dieses Vertrages und damit die Rechtswirksamkeit der von ihm für das innerstaatliche Recht ausgehenden Wirkung aufschiebend bedingt und hängt davon ab, ob und wann der völkerrechtliche Vertrag selbst verbindlich wird (BVerfGE 42, 263/284). Eine kalendermäßige Vorausbestimmung des Tages des Inkrafttretens im Zustimmungsgesetz ist deshalb nicht möglich. Sie ist auch nicht erforderlich, weil Art. 82 Abs. 2 Satz 1 GG den Zeitpunkt des Inkrafttretens eines Gesetzes auch nur mit hinreichender Bestimmtheit regeln muß (BVerfGE 42, 263/285). Dem Rechtsstaatsprinzip ist damit Genüge getan. Dieses gebietet in erster Linie, daß der Rechtsunterworfene sich verlässlich Kenntnis vom Inhalt einer Rechtsnorm verschaffen kann. Diese Möglichkeit darf ihm nicht in unzumutbarer Weise erschwert werden. Das ist hier auch nicht der Fall. Vom Inhalt der völkerrechtlichen Vereinbarung mit Österreich sowie der Zustimmung der Bundesrepublik Deutschland hierzu konnte durch die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt Kenntnis erlangt werden. Ebenso von dem Umstand, daß der Zeitpunkt des Inkrafttretens durch die noch ausstehende Ratifizierung durch die übrigen Vertragsstaaten aufschiebend bedingt war. Gegenüber jedem deutschen Rechtsunterworfenen und somit auch gegenüber dem Angeklagten war damit klargestellt, daß mit dem endgültigen Wirksamwerden des Beitritts Österreichs zum SDÜ auch die Verletzung von Rechtsvorschriften dieses Landes der deutschen Strafgewalt unterlag. Schutzwürdige Interessen (vgl. BVerfGE 65, 283/291) werden daher nicht dadurch verletzt, daß der Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung für das Wirksamwerden des Beitritts Österreichs zum SDÜ erst dann im Bundesgesetzblatt bekannt gemacht wurde, als die Vereinbarung bereits in Kraft getreten war.

B. Rechtsfolgenausspruch

Der Rechtsfolgenausspruch kann nicht bestehen bleiben. Das gilt auch für die im Fall 2 festgesetzte Einzelstrafe.

Das Landgericht hat insoweit folgenden Umstand strafschärfend gewertet:

Auf der anderen Seite darf nicht übersehen werden, daß es sich um eine professionelle Schleusung gehandelt hat. Das Einschleusen von Ausländern nimmt immer größere Ausmaße an. Nach polizeilichen Erkenntnissen ist Deutschland zu einem Zentrum für die Aktivitäten internationaler Schleuserorganisationen geworden. Der Bekämpfung dieser besonderen Form international organisierter Kriminalität gebührt daher besondere Aufmerksamkeit. Es ist Aufgabe der Justiz, das Schleuserunwesen mit der Verhängung entsprechender Strafen zu bekämpfen. Der Strafe muß daher auch eine entsprechende abschreckende Wirkung zukommen.

Dies hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

Die Heranziehung generalpräventiver Strafzumessungserwägungen ist unzureichend begründet und damit fehlerhaft.

Nach ständiger Rechtsprechung ist die Berücksichtigung generalpräventiver Gesichtspunkte bei der Strafzumessung grundsätzlich zulässig. Allerdings dürfen hierfür nur solche Umstände herangezogen werden, die außerhalb der bei der Aufstellung eines bestimmten Strafrahmens vom Gesetzgeber bereits berücksichtigten allgemeinen Abschreckung liegen. Diese Voraussetzungen sind gegeben, wenn sich eine gemeinschaftsgefährliche Zunahme solcher oder ähnlicher Straftaten, wie sie zur Aburteilung stehen, feststellen läßt (BGH NStZ 1992, 275 m.w.N.; BayObLGSt 1988, 62/66). Der Tatrichter hat somit nachvollziehbar darzustellen, warum generalpräventive Erwägungen anzustellen sind.

Im Zusammenhang mit der Anwendung des § 92 a Abs. 1 Nr. 1 und 2 AuslG, eingefügt durch Art. 2 des Verbrechensbekämpfungsgesetzes vom 28.10.1994 (BGBl I S. 3186/3189) und insoweit zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung ausländer- und asylverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 29.10.1997 (BGBl I S. 2584/2587), ist deshalb zu berücksichtigen, daß der nunmehrige Strafrahmen, soweit es die Verhängung von Freiheitsstrafen betrifft, durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz im Vergleich zum vorherigen Rechtszustand (vgl. § 92 Abs. 2 Nr. 1 und 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9.7.1990 - BGBl I S. 1354/1377) wegen der starken Zunahme solcher Delikte bereits von Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren auf Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren erhöht worden ist.

Auch im Zusammenhang mit der Anwendung des § 92 a Abs. 2 Nr. 1 AuslG, eingefügt durch Art. 2 des Verbrechensbekämpfungsgesetzes vom 28.10.1994 (BGBl I S. 3186/3189), muß berücksichtigt werden, daß der nunmehrige Strafrahmen, soweit es die Verhängung von Freiheitsstrafe betrifft, durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz im Vergleich zum vorherigen Rechtszustand (vgl. § 92 Abs. 2 AuslG i.d.F. des Gesetzes zur Neuregelung des Asylverfahrens vom 26.6.1992 - BGBl I S. 1126/1143) aus den gleichen Gründen bereits von sechs Monaten bis zu fünf Jahren auf sechs Monate bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe erhöht worden war. Der Hinweis des Landgerichts, daß das Einschleusen von Ausländern immer größere Ausmaße annimmt und Deutschland zu einem Zentrum für die Aktivitäten internationaler Schleuserorganisationen geworden ist, rechtfertigt angesichts des vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellten erhöhten Strafrahmens die strafschärfende Heranziehung generalpräventiver Erwägungen nicht.

III.

Wegen der aufgezeigten Rechtsfehler (§ 337 StPO) wird das angefochtene Urteil daher auf die Revision des Angeklagten B. im Schuldspruch, soweit es die Schleusung vom November 1997 betrifft (Fall 1) sowie im Rechtsfolgenausspruch jeweils mit den Feststellungen hinsichtlich beider Angeklagter (§ 357 StPO) aufgehoben (§ 353 StPO). Die Angeklagten werden im Umfang der Aufhebung des Schuldspruchs freigesprochen. Im übrigen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Traunstein zurückverwiesen (§ 354 Abs. 2 StPO).

Die weitergehende Revision war als unbegründet zu verwerfen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO.

Die Entscheidung ergeht gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO durch einstimmig gefaßten Beschluß und, soweit die Revision verworfen wurde, auf Antrag der Staatsanwaltschaft.

Ende der Entscheidung

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