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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 21.05.1999
Aktenzeichen: 4St RR 86/99
Rechtsgebiete: VwGO, AsylVfG, AuslG, StGB, StPO, AFG


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5
AsylVfG § 80
AuslG § 92 Abs. 1 Nr. 1
StGB § 27 Abs. 1
StGB § 27
StGB § 15
StPO § 267 Abs. 1 Satz 1
StPO § 337
StPO § 353
StPO § 354 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
AFG § 19 Abs. 1 Satz 6
AFG § 229 Abs. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerisches Oberstes Landesgericht

4St RR 86/99

BESCHLUSS

Der 4. Strafsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Bayerischen Obersten Landesgericht Lancelle sowie der Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht Steiner und Kaiser

am 21. Mai 1999

in dem Strafverfahren

gegen

A T

wegen

Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt

nach Anhörung der Staatsanwaltschaft

beschlossen:

I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 3. Dezember 1998 mit den Feststellungen aufgehoben.

II. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts München I zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht München sprach den Angeklagten am 7.9.1998 der Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt schuldig und verurteilte ihn zur Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 30 DM. Die Berufung des Angeklagten verwarf das Landgericht München I am 3.12.1998 mit der Maßgabe als unbegründet, daß der Angeklagte zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 30 DM verurteilt wurde.

Mit seiner Revision beanstandet der Angeklagte das Verfahren und rügt die Verletzung des materiellen Rechts.

II.

Die Revision ist. zulässig (§§ 333, 341 Abs. 1, §§ 344, 345 StPO) und mit der Sachrüge begründet. Auf die Verfahrensrüge kommt es nicht an. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist ist gegenstandslos.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts (BU S. 5/6) ist der Angeklagte der 1. Vorsitzende der I (I Gemeinschaft M G ), Zweigstelle M in der L Straße . Zusammen mit seinem Stellvertreter, dem anderweitig Verurteilten B Ö , hatte der Angeklagte die Verantwortung für den 2. Stock des Anwesens, in dem sich u.a. die Moschee befindet. Spätestens seit 21.5.1997 bis zum 16.9.1997 war in diesen Räumen mit Wissen und Wollen des Angeklagten der bulgarische Staatsangehörige A T als Friseur gegen Entgelt tätig. Dabei vereinbarten der Angeklagte und der anderweitig Verurteilte B Ö mit A T , daß dieser pro Haarschnitt 10 DM verlangen und von den erzielten Einnahmen 4/10 an den Verein abführen solle. Darüberhinaus ließ der Angeklagte A T , bevor dieser sich von seinem Verdient als Friseur (ca. 50 DM pro Tag) selbst eine Wohnung bzw. Schlafstelle nehmen konnte, einige Tage in den Räumlichkeiten des Vereins nächtigen und gab ihm dort auch Essen.

Wie der Angeklagte wußte, verfügte A T nicht über die aufgrund der Erwerbstätigkeit erforderliche Aufenthaltsgenehmigung oder -duldung und auch nicht über eine Arbeitserlaubnis. T hatte am 13.1.1997 Asylantrag gestellt, der am 15.1.1997 als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde; der Antragsteller wurde in dem Ablehnungsbescheid aufgefordert, die Bundesrepublik innerhalb einer Woche ab Bekanntgabe des Bescheides zu verlassen.

Gegen diesen Bescheid hatte der Zeuge T einen Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gestellt. Der Antrag wurde am 11.2.1997 vom Verwaltungsericht Augsburg abgelehnt; der Beschluß war gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.

Durch Beschluß vom 18.3.1997 wurde das von T betriebene Verfahren vom Verwaltungsgericht eingestellt, da er es nach Zustellung der Entscheidung am 17.2.1997, verbunden mit den erforderlichen Hinweisen, länger als einen Monat nicht betrieben hatte, und die Klage daher nach dem Asylverfahrensgesetz als zurückgenommen gilt. Auch dieser Beschluß war unanfechtbar.

All dies war T bekannt. Er wußte, daß er sich illegal in Deutschland aufhielt und sagte dies auch dem Angeklagten.

Den bulgarischen Reisepaß des A T nahm der Angeklagte im genannten Zeitraum in Verwahrung. Durch die Möglichkeit der Arbeitstätigkeit begünstigte der Angeklagte wissentlich den illegalen Aufenthalt des A T .

Vom Zeugen T , dessen Angaben das Landgericht uneingeschränkt Glauben geschenkt hat, wurde bei seiner Vernehmung unter anderem angegeben, er sei nach Ablehnung seines Asylantrags zunächst untergetaucht, habe aber dann den Tip erhalten, im Verein M G in M werde ihm weitergeholfen und man könne dort auch falsche Pässe erhalten. Davon habe er Gebrauch gemacht und sei in den Besitz eines gefälschten griechischen Passes gekommen (BU S. 8/9).

2. Die getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten nicht. Wegen Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt kann bestraft werden, wer einem Ausländer in Kenntnis von dessen illegalen Aufenthalt Unterkunft gewährt oder ihn für Arbeitsleistungen entlohnt, um dadurch den weiteren illegalen Aufenthalt des Ausländers zu ermöglichen (vgl. hierzu Senge in Erbs/Kohlhaas Strafrechtliche Nebengesetze AuslG - Stand 1.3.1998 - § 92 Rn. 6). Das Gewähren von Unterkunft und Verpflegung wie auch das Entlohnen für eine Arbeitsleistung gegenüber einem Ausländer, der sich ohne die erforderliche Aufenthaltserlaubnis, Aufenthaltsberechtigung oder Duldung im Bundesgebiet aufhält, stellt aber für sich alleine in objektiver Hinsicht noch keine Beihilfe zu einem Vergehen nach § 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG dar (BGH NJW 1990, 2207).

Die Bewertung eines solchen Verhaltens als Beihilfehandlung im Sinn des § 27 Abs. 1 StGB hängt davon ab, ob dadurch die Tatbestandsverwirklichung ermöglicht, erleichert, intensiviert oder abgesichert wird (vgl. LK/Roxin StGB 10. Aufl. § 27 Rn. 2). Die Begehung der Haupttat muß somit in ihrer konkreten Gestaltung objektiv gefördert oder erleichert werden (BGHR StGB § 27 Abs. 1 Beihilfe 1 und Hilfeleisten 14). Das kann auch dadurch geschehen, daß der Gehilfe den Haupttäter in seinem Tatentschluß bestärkt und ihm dadurch etwa ein erhöhtes Sicherheitsgefühl vermittelt (BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 8; BayObLGSt 1984, 8; OLG Karlsruhe NStZ 1985, 78). Wirkt sich der Beitrag des Gehilfen bei der Tatbestandsverwirklichung nicht aus, so liegt keine Beihilfehandlung in diesem Sinne vor (Roxin aaO).

Eine konkrete Förderung oder Erleichterung der Haupttat durch die Bestärkung des Tatentschlusses des Haupttäters wird somit regelmäßig dann nicht vorliegen, wenn bei einem Dauerdelikt wie einem Vergehen des unerlaubten Aufenthalts der Täter zur Fortsetzung seines illegalen Verhaltens unter allen Umständen entschlossen ist. Werden einem solchermaßen in seinem Tatentschluß endgültig gefestigten Täter Umstände geboten, die ihm das illegale Verweilen im Bundesgebiet erleichtern, wie etwa Unterkunft oder Erwerbsmöglichkeit, von denen er aber seinen Aufenthalt nicht abhängig macht, so vermag das die durch den Täter verwirklichte Rechtsgutverletzung nicht mehr konkret zu fördern. In diesem Sinne ist die Bewertung zu verstehen, an einer Beihilfehandlung durch Gewähren von Wohnung könne es bereits in objektiver Hinsicht fehlen, wenn der Haupttäter auf jeden Fall entschlossen war, seiner Ausreisepflicht zuwiderzuhandeln (so BGH NJW 1990, 2207/2208 und ihm folgend der Senat in ständiger Rechtsprechung, so zuletzt Urteil v. 9.3.1999 - 4St RR 42/99).

Feststellungen hierzu hat das Landgericht nicht getroffen. Auf solche durfte aber nicht verzichtet werden. Denn einerseits hatte sich A T bereits seit dem 18.3.1997, nachdem der Ablehnungsbescheid des Bundesamtes bestandskräftig geworden war, illegal im Bundesgebiet aufgehalten und war untergetaucht. Das könnte als Indiz dafür gewertet werden, daß er bereits damals entschlossen war, auf jeden Fall im Bundesgebiet zu bleiben. Andererseits hatte er den Verein M G auch zu dem Zweck aufgesucht, einen falschen Paß zu bekommen. Ein solcher mußte aber käuflich erworben werden. Das wiederum läßt es als möglich erscheinen, daß A T seinen Entschluß zu bleiben von der Erlangung eines Passes abhängig gemacht hatte. Dann könnte sich die ihm gewährte Arbeits- und Unterkunftsmöglichkeit als konkrete Förderung seines unerlaubten Aufenthalts darstellen. Dahingehende Überlegungen mußte das Landgericht treffen. Ihr Fehlen stellt sich als Begründungsmangel dar, der zum Erfolg des Rechtsmittels führt.

Darüberhinaus setzt das Vergehen der Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt nach § 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG, § 27 StGB vorsätzliches Handeln voraus (§ 15 StGB). Auch insoweit müssen nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Bei der Verurteilung wegen einer vorsätzlich begangenen Tat müssen somit die inneren Tatsachen, die den Vorsatz des Täters ausmachen, in den Urteilsgründen festgestellt werden (BGHSt 5, 143). Ihr Fehlen ist nur dann entbehrlich, wenn sie eindeutig den Darlegungen zur äußeren Tatseite zu entnehmen sind (BayObLG v. 22.9.1989 RReg 4St 200/89 - insoweit nicht abgedruckt in NStZ 1990, 187/188; OLG Saarbrücken NJW 1974, 1391/1392; Löwe/Rosenberg/Gollwitzer StPO 24. Aufl. § 267 Rn. 41; KK/Engelhardt StPO 4. Aufl. § 267 Rn. 10). Das ist hier nicht der Fall.

Bei einer Verurteilung wegen Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt setzt der Gehilfenvorsatz voraus, daß der Gehilfe nicht nur die Haupttat in ihren wesentlichen Merkmalen kennt. Er muß darüberhinaus auch in der Absicht handeln, durch sein Verhalten das Vorhaben des Haupttäters zu fördern (BGHR § 27 Abs. 1 StGB Vorsatz 2). Bedingter Vorsatz würde für die innere Tatseite der Beihilfe ausreichen (BGHSt 2, 279/281; BGHR § 27 Abs. 1 StGB Vorsatz 7). Als Tathandlungen kommen somit nur Hilfeleistungen in Betracht, bei denen der Täter weiß oder jedenfalls damit rechnet und es billigend in Kauf nimmt, daß sich sein Handeln als Unterstützung einer Straftat erweist (vgl. hierzu BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 9). Derartiges hat das Landgericht ebenfalls nicht festgestellt. Zwar geht es in objektiver Hinsicht davon aus, daß der Angeklagte in erster Linie durch die A T gebotene Arbeitsmöglichkeit Hilfe geleistet hat. Das Landgericht hat aber gerade nicht festgestellt, daß der Angeklagte durch seinen Tatbeitrag auch dessen illegalen Aufenthalt unterstützen wollte (vgl. hierzu PfälzOLG Zweibrücken MDR 1992, 894). Solche ausdrücklich auf Tatsachen gestützte Feststellungen waren auch nicht angesichts der Feststellungen zum äußeren Sachverhalt entbehrlich. Diese lassen es nämlich offen, ob der Angeklagte durch sein Verhalten nur die Friseurtätigkeit des A T , also dessen Beschäftigung ohne Arbeitserlaubnis fördern oder auch dessen illegalen Aufenthalt unterstützen wollte. Nur das letztere stellt sich als Erfüllung eines Straftatbestands dar. Liegen dessen Voraussetzungen nicht vor, so kommt unter Umständen die Ahndung einer Ordnungswidrigkeit nach § 19 Abs. 1 Satz 6, § 229 Abs. 1 Nr. 2 AFG (jetzt § 284 Abs. 1, § 404 Abs. 2 Nr. 2 SGB III) in Betracht (vgl. hierzu BayObLG vom 27.2.1998 - 3 ObOWi 14/98, abgedruckt in AuAS 1998, 113/114).

III.

Die aufgezeigten Mängel (§ 337 StPO) zwingen dazu, das angefochtene Urteil mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben (§ 353 StPO) und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts München I zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 StPO).

Die Entscheidung ergeht durch einstimmig gefaßten Beschluß nach Anhörung der Staatsanwaltschaft (§ 349 Abs. 4 StPO).

Ende der Entscheidung

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